Doch im Fussball kann eben nicht immer das Herz entscheiden. Nach sechs Jahren als Publikumsliebling in Gelb-Schwarz ist die Zeit von Guillaume Hoarau in Bern doch noch abgelaufen. Die Berner Young Boys verlängern den auslaufenden Vertrag mit Guillaume Hoarau nicht mehr. Nach dem Cupfinal steht der Abschied bevor.
«Gui» hat die Herzen der YB-Fans im Sturm erobert und ist in nur wenigen Jahren zur absoluten Klublegende geworden. Wir schauen zurück, wie er das geschafft hat.
Als Guillaume Hoarau im Sommer 2014 von Bordeaux zu YB wechselte, waren die Erwartungen gross. Da kam einer, der schon bei PSG und in China spielte. Nicht nur wegen der 99 auf seinem Rücken, auch sonst war der Stürmer eine grosse Nummer.
Und bei einem seiner ersten Auftritte in Gelb-Schwarz wärmte er sich dann auch auf, als wäre er ein Weltstar. «Lockeres Footing und ein wenig Stretchen, während sich alle anderen riesige Mühe gaben mit dem Konditionstrainer», erinnert sich YB-Fan und watson-Journalist Nico Franzoni. «Man dachte schon, was denn das für ein arroganter Typ sei. Und dann hat er angefangen, die Dinger regelmässig reinzumachen.»
Hoarau wurde den Vorschusslorbeeren gerecht. In seiner ersten Saison in Bern erzielte er in 28 Spielen 17 Tore und lieferte fünf Vorlagen. Sechs Jahre später ist er bei 118 Toren in 187 Spielen angelangt. Das reicht in der ewigen Torschützenliste der Young Boys für Platz zwei hinter Eugen Meier.
In Bern ist man sich einig: Ohne Guillaume Hoarau hätte es kaum drei YB-Titel in Serie gegeben. Der Routinier brachte mit seiner Ruhe und Gelassenheit, aber auch mit seinem Selbstvertrauen wichtige Attribute mit, die diese Erfolge erst möglich gemacht haben. «Gui hat so viel Flair und Power in dieses Team gebracht, mit ihm hast du praktisch jedes wichtige Spiel gewonnen», sagt Franzoni.
Doch Hoarau hatte natürlich bei vielen YB-Erfolgen auch ganz konkret den Fuss im Spiel. 2017/18 trug er zum ersten Berner Meistertitel seit 32 Jahren 15 Tore bei. Im entscheidenden Spiel gegen Luzern traf er einmal selbst, bereitete das entscheidende 2:1 vor und stürzte die ganze Stadt Bern so in kollektive Ekstase.
Im Sommer darauf folgte der nächste Meilenstein: Die Young Boys qualifizierten sich für die Champions League, dank eines 2:1-Sieges auswärts bei Dinamo Zagreb. Und wer war für die beiden Tore verantwortlich? Natürlich Guillaume Hoarau.
Das setzte sich fort. Obwohl er immer mehr mit Verletzungen zu kämpfen hatte, wurde Hoarau 2019 Ligatopskorer und schoss YB erneut zum Titel. Erst dieses Jahr folgte ein Einbruch: Der Franzose war immer wieder verletzt und absolvierte nur noch 17 Spiele für die Young Boys.
Meier, Häberli, Doumbia, Chapuisat – gute Stürmer hatten die Young Boys schon einige. Doch nur wenige erreichten einen ähnlichen Legendenstatus wie Guillaume Hoarau. Seine Beliebtheit in Bern lässt sich auch mit seinem Auftreten neben dem Platz erklären. Hoarau war ruhig und bodenständig und für die Fans immer sehr nahbar.
Der Franzose hat seine neue Heimat sogleich ins Herz geschlossen und den Fans ging es umgekehrt genauso. Hoarau betonte immer wieder, dass er sich in Bern so wohl fühle, weil es ihn an seine Heimat, das französische Überseegebiet La Réunion, erinnere: «Man hat mir immer gesagt, die Berner seien sehr ruhig, langsam und cool. Genau so sind wir auf La Réunion auch. Es stimmt, ich habe Gemeinsamkeiten gefunden», erzählte Hoarau einst in einem SRF-Porträt.
Für die YB-Fans war so bald klar: Guillaume Hoarau, «ds isch eine vo üs.» Auch weil sich der Stürmer und Musiker aus Leidenschaft regelmässig und gerne mit der hiesigen Kultur auseinandersetzte. Hoarau gab Konzerte im Bierhübeli und in der Mühle Hunziken.
Fast noch legendärer waren aber seine musikalischen Auftritte, die mit den Young Boys verbunden waren. Bereits 2016 veröffentlichte er gemeinsam mit der Berner Band Open Season den Song «Stand Together (Tous Ensemble)», den er dann an der Meisterfeier 2018 auch zum Besten gab.
Ein Moment für die YB-Ewigkeit: Guillaume Hoarau singt Gäubuschwarz an der Meisterfeier 2019. #bscyb pic.twitter.com/Jctj5OEdOj
— Zum Runden Leder (@zumrundenleder) August 18, 2020
2019 ging er noch einen Schritt weiter und sang auf Schweizerdeutsch. Erneut an der Meisterfeier trat er mit einer Fan-Variante des Patent-Ochsner-Klassikers «Scharlachrot» auf: «I bouä mir mini tröim, uf rund um di u malä sä gäub u schwarz ah.»
Hoarau spielte, feierte und sang sich in die Herzen der YB-Fans.