Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass im zweiten Finalspiel für die Zuger ausgerechnet ein ehemaliger Junior des HC Davos am Ursprung der 2:4-Heimniederlage stand. SC-Bern-Verteidiger Ramon Untersander schnappte sich beim Stand von 1:1 den Puck vor dem eigenen Tor, liess einen Gegenspieler aussteigen, durchquerte die neutrale Zone, drang in das Verteidigungsdrittel der Zuger ein, wurde immer noch nicht entschlossen angegriffen und versenkte so die Scheibe mit einem herrlichen Handgelenkschuss im Tor von Tobias Stephan.
Im Halbfinal den HC Davos eliminiert, im Final vom HCD-Junior im Kampf um den Meistertitel vielleicht vorentscheidend auf die Verliererstrasse gebracht: Das war die bittere Erkenntnis aus Sicht des EV Zug.
«Coast to coast» – von einer Küste zur anderen – werden solche Treffer in Nordamerika bezeichnet. Es sind die Tore, die in den Highlights immer wieder gezeigt werden. Tore wie dieses sind auch in der Schweiz eine Rarität. Ramon Untersander schaffte das Kunststück.
Der 26-Jährige verkörperte mit seiner Aktion den aktuellen Zustand des Titelverteidigers aus Bern, der nur noch zwei Siege für den neuerlichen Gewinn der Meisterschaft braucht, perfekt. Alles, was der SCB anpackt, wird zu Gold. Aber es ist nur umsetzbar, wenn das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gross ist.
«Das Selbstvertrauen ist das A und O», bestätigt Untersander den Eindruck. «Und das Selbstvertrauen stimmt bei uns.» Wer hadert oder zweifelt, der würde nie auch nur im Entferntesten daran denken, einen Sololauf wie jenen des SCB-Verteidigers zu wagen. Sondern die Scheibe einfach tief ins gegnerische Drittel schlagen und sich auswechseln lassen.
Die Berner lieferten im Vergleich zu ihrem rauschenden Auftritt in Spiel eins am Donnerstag (5:0) in Zug eine eher laue Darbietung ab. Die Mannschaft von Trainer Kari Jalonen hatte vorab Mühe, den Rhythmus zu finden, weil man sich im ersten Drittel immer wieder in Unterzahl befand.
Die Spieler hatten grosse Probleme mit der (zu) kleinlichen Regelauslegung der Schiedsrichter. Playoff-Intensität konnte so gar nie aufkommen. «Es war schwierig, ins Spiel zu kommen», so Untersander. Doch es spricht für die Qualitäten der Berner, dass sie sich auf die veränderten Umstände perfekt einstellen konnten. Sie überlebten die schwierige Phase – bis auf den Gegentreffer von Diaz in doppelter Unterzahl zum 0:1 – einigermassen unbeschadet und wendeten das Spiel dank ihrer kühlen Effizienz.
Oder anders ausgedrückt: der SCB-Motor kam aufgrund der widrigen Startbedingungen ins Stottern. Doch dank Ramon Untersanders Geniestreich startete er zum richtigen Zeitpunkt durch. «Wir haben einen Weg gefunden, das Spiel zu gewinnen. Das ist es, was zählt», sagte der Torschütze des 2:1.
Was kann diesen SCB jetzt noch von der Erfolgsbahn abdrängen? Es ist in der Tat schwierig, irgendeinen relevanten Schwachpunkt bei den Bernern auszumachen. Die Mannschaft beherrscht die ganze taktische Palette. Sie kann den Gegner mit ihrer Intensität erdrücken, wie im ersten Finalspiel. Sie kann kühl abwarten und das Spiel des Gegners mit einer kompakten Defensive ersticken. Sie kann Fehler auf ein Minimum reduzieren und zwingt den Kontrahenten dazu, sich jede Chance hart zu erarbeiten.
Bezeichnend: Bei personellem Normalbestand auf dem Eis haben die Zuger in der Finalserie noch kein Tor erzielt. Und dann steht hinten im Berner Gehäuse noch der beste Goalie der Schweiz, Leonardo Genoni. Der musste bisher noch gar nicht an seine Leistungsgrenze gehen. Das ist die wirklich schlechte Nachricht aus Sicht des EV Zug.