Am Tag nach dem peinlichen 2:6 gegen Winterthur ist beim FC Basel alles wie immer. Am Vormittag trainieren die Ersatzspieler auf dem Campus. Beim lockeren Spiel, das von den Co-Trainern Daniel Hasler und Patrick Rahmen geleitet wird, herrscht eine gute Stimmung. Personelle Konsequenzen hat das blamable Out ebenfalls nicht.
Auf der Homepage lässt sich Bernhard Burgener wie folgt zitieren: «Wir sind nicht bereit, uns an einer einseitigen Schuldzuweisung zu beteiligen, Ciriaco Sforza ist und bleibt unser Trainer. Die Mannschaft weiss, dass jetzt sofort eine deutliche Reaktion erwartet wird.»
Dabei bestätigen die denkwürdigen Szenen am Mittwochabend in aller Grausamkeit, dass beim FCB nichts so läuft, wie es sollte. 2:6 gegen ein Team aus der Challenge League. Noch nie hat ein Gegner im neuen Joggeli so viele Tore gegen den FCB geschossen. Entsprechend wollen die Fans nach dem Schlusspfiff Antworten. Vor der Ausfahrt des Joggeli warten rund 100 auf die Spieler und diskutieren mit ihnen. Die Fans rufen auf einem Video hörbar und lautstark: «Wenn es euch nicht passt, geht in den sch.... Turm und sagt diesen Leuten die Meinung. Das haben wir auch gemacht und es hat nichts gebracht. (...) Es muss etwas passieren.»
Quo vadis @FCBasel1893 #rotblaulive pic.twitter.com/8W401hhh1S
— S. (@salahhattrick) February 17, 2021
Doch es scheint eben genau nichts zu passieren. Da stellt sich unweigerlich die Frage, was denn noch schiefgehen muss, ehe die Verantwortlichen reagieren? Denn eines ist klar: Dieser Verein braucht dringend Lösungen. Schnell und weit greifend – und sie lägen eigentlich auf der Hand. Ob sie die Führung sehen will, oder auch nicht.
Dass Ciriaco Sforza nicht der passende Mann an der Seitenlinie ist, wurde gegen Winterthur erneut bestätigt. Der einst so geniale Fussballer ist dieser immens komplizierten Aufgabe nicht gewachsen. Sforza schafft es nicht, seiner stark besetzten Mannschaft eine Spielidee zu vermitteln. Zu Beginn stellte er sich noch schützend vor seine Spieler. Doch mittlerweile hat auch er die Geduld verloren und kritisiert öffentlich.
Seine Kommunikation ist schwierig und selten konkret. Die FCB-Defensive gleicht einem Hühnerhaufen. Der Wechsel hin zu Patrick Rahmen – aktuell noch Assistenztrainer und zuvor zwei Mal fast Cheftrainer beim FCB – wäre ein erster Impuls. Doch es ist auch klar, dass ein Trainerwechsel die Lösung mit der geringsten Halbwertszeit wäre.
Auch die Spieler tragen eine Mitschuld an der aktuellen Krise. Die Mannschaft mag zwar nominell sehr stark besetzt sein, aber sie ist nicht austariert. Das Zentrum ist alt und vor allem überbesetzt. Die Defensive ist trotz Timm Kloses Rückholaktion wackelig und leistet sich regelmässig gravierende Patzer. Und im Sturm ist Arthur Cabral fast konkurrenzlos, obschon Ricky van Wolfswinkel noch da ist. Letzterer aber ist ein Beispiel einer Personalpolitik, die nicht stringent ist. Jung, wild und weiter verkaufbar sollten die Spieler einst sein. Van Wolfswinkel ist zwar ein sympathischer Zeitgenosse, aber er hilft dem FCB sportlich nicht.
Ob ein sportliches Gremium mit einem Sportchef an seiner Spitze einem solchen Spieler einen Vertrag über weitere zwei Jahre unterbreitet hätte, mag bezweifelt werden. Aber da ist ja das Problem: Einen solchen Sportchef hat der FCB seit Ruedi Zbindens Rücktritt vergangenen Sommer nicht mehr.
Präsident Bernhard Burgener wollte auf das englische Modell ohne Sportchef setzen. Entgangen ist ihm dabei möglicherweise, dass sie sogar im Mutterland des Fussballs mittlerweile genau solche Sportchefs einsetzen.
Der FCB benötigt einen starken Mann in dieser Position. Eine Anlaufstelle für Spieler, Agenten, Vereine. Eine Person mit guten Kontakten und noch besserem Know-how, die sich nicht scheut, das Kader aufzuräumen. 30 Spieler gehören aktuell dazu. Für einen Klub, der höchstens noch um Rang 2 in der Meisterschaft spielt, ist das stattlich, besonders in finanziell schwierigen Zeiten.
Die letzten 16 Spiele der Saison eignen sich perfekt als Testlauf, um dann im Sommer eine detaillierte Analyse zu machen. Welche Spieler spielen für sich? Welche für den Klub? Und welche für die Zukunft dieses Klubs? Wer zerreisst sich genug? Wer kann diesem Verein helfen? Und vor allem: Wer weiss, welches Wappen er auf der Brust trägt?
Allem voran muss der FC Basel aber Grundsatzdiskussionen führen. Beziehungsweise: Die Führung und vor allem sein Besitzer müssen sich grundsätzliche Fragen stellen. Wie ein Trainer beantworten muss, ob er das Team noch erreicht, muss Burgener ganz tief in sich hinein horchen und sich fragen, ob er der richtige Mann auf dieser Position ist. Oder ob es mittlerweile nicht doch an der Zeit wäre, sich einzugestehen, dass dem nicht so ist. Denn alle anderen Justierungen unter seiner Führung verpufften bislang. Seien es Trainerwechsel, Sportchefwechsel oder die jüngste Transferoffensive.
Rücktrittsforderungen haben bereits fast alle gestellt. Die Fans, die Mitglieder und auch die Angestellten. Doch erhört wurden sie nicht. Burgener will das sinkende Schiff nicht verlassen, auch nicht nach dem neuerlichen Tiefpunkt. Dabei wäre ein kompletter Neustart vielleicht genau das, was dieser FC Basel braucht.