Endlich wieder einmal konkrete News aus der NHL, die seit dem 12. März ruht. Kein Könnte, Wäre und Hätte, sondern eine simple Unterschrift, die für ein ganzes Jahr fix ist.
Denn Gaëtan Haas hat seinen Vertrag bei den Edmonton Oilers um eine weitere Saison verlängert. Der 28-Jährige bleibt also mindestens bis zum Ende der Spielzeit 2020/21 in Nordamerika. In diesem Zeitraum wird Haas 915'000 US-Dollar verdienen – egal ob er in die AHL geschickt wird oder ob er die ganze Zeit in der NHL bleiben darf. Sein Lohn ist davon unabhängig.
The #Oilers have signed Gaetan Haas to a one-year contract extension through the 2020-21 campaign. The 28-year-old forward has appeared in 58 games this season, posting five goals & five assists. https://t.co/z9GzeaYIxQ
— Edmonton Oilers (@EdmontonOilers) April 28, 2020
Doch warum haben sich die Oilers trotz Haas' relativ bescheidener Ausbeute von fünf Toren und fünf Assists in 58 Spielen dazu entschlossen, ihn weiterhin zu behalten? Was bringt er dem Team? Und wo kann er sich noch verbessern? Wir suchen nach Antworten.
Dafür müssen wir uns zuerst noch einmal bewusst werden, in welchem Team und auf welcher Position der Romand spielt. Haas ist gelernter Center. Er kann zwar als Flügel spielen, wenn es sein muss, doch deutlich wohler fühlt er sich in der Mitte.
Nun hat Edmonton mit Connor McDavid und Leon Draisaitl schon zwei absolute Superstars auf der Mittelachse. Dazu kommt mit Ryan Nugent-Hopkins noch ein Nummer-1-Draft auf der gleichen Position. Selbst wenn Trainer Dave Tippett also McDavid und Draisaitl zusammen auflaufen lässt, bleibt Haas höchstens eine Rolle in der dritten oder vierten Linie.
Aufgrund der Art und Weise, wie Edmonton-Trainer Tippett Haas einsetzt, kommen seine defensiven Qualitäten noch mehr zum Vorschein als in der Schweiz. Wenn der Schweizer auf dem Eis steht, passiert – und das ist absolut positiv gemeint – nicht besonders viel. Er schafft es, das Geschehen vom eigenen Tor wegzuhalten.
Gaeten Haas, signed to a one-year extension by EDM, is a very strong defence-only fourth liner. Nothing at all happens when he's out there, for better and for worse. Nice signing. pic.twitter.com/2O9Q0M43Og
— JFresh (@JFreshHockey) April 28, 2020
Am besten lässt sich das an Expected Goals aufzeigen. Dabei wird unterschieden zwischen Expected Goals For (xGF) und Expected Goals Against (xGA) – also die Anzahl Tore für oder gegen ein Team, die zu erwarten ist, wenn ein gewisser Spieler auf dem Eis steht. Nehmen wir an, Connor McDavid steht während einem ganzen Spiel auf dem Eis. In diesen 60 Minuten würden die Oilers durchschnittlich 2,84 Tore schiessen, aber auch 3,04 Tore erhalten. Stünde Gaëtan Haas während 60 Minuten ununterbrochen auf dem Eis, würde Edmonton zwar nur 2,02 Tore schiessen, aber auch nur 1,95 Gegentore kassieren.
Eine interessante Spielerei ist auch der Vergleich mit den anderen Schweizern in der NHL. Von den zwölf regelmässig eingesetzten Schweizer Söldnern kommen nur Dean Kukan und Jonas Siegenthaler – zwei absolute Defensivverteidiger – auf vergleichbar gute Werte. Der Rest, egal ob Stürmer oder Verteidiger, fällt ab.
Deshalb ist Haas für die Oilers ein wichtiger Spieler. Er sorgt für die defensive Stabilität, die die Superstars McDavid und Draisaitl nicht liefern können.
Das fliesst ein wenig in den oberen Punkt mit ein. Haas scheint wenig Mühe gehabt zu haben, sich an das intensivere, körperlichere Spiel in der NHL zu gewöhnen. Er ist bereit, sich für seine Mannschaft zu opfern. Kein Stürmer blockt bei den Oilers mehr gegnerische Schüsse als der Schweizer. Der 28-Jährige teilt selbst Checks aus und steckt vor allem ein: Mit 9,17 gegnerischen Checks pro 60 Minuten Eiszeit ist Haas der am zweitmeisten gecheckte Spieler bei Edmonton.
Trotz seiner vermehrt defensiven Ausrichtung profitiert Haas in seinem Spiel auch von seiner Geschwindigkeit und Technik. Erstere erlaubt es ihm, aus dem eigenen Drittel schnelle Gegenstösse zu lancieren. Und durch seine Technik kann er sich in Zweikämpfen durchsetzen, obwohl er nicht der grösste und schwerste ist. Er erobert beispielsweise pro 60 Minuten mehr Scheiben zurück als McDavid und Draisaitl.
Seit seiner Ankunft in Edmonton ist Gaëtan Haas ein extrem dankbarer Spieler. Als er zwischenzeitlich in die AHL musste, nahm er das als Chance, um sich weiter zu verbessern. In Edmonton übernahm er ohne zu murren eine kleine Rolle und bekam nur selten mehr als zehn Minuten Eiszeit. Solche Spieler mögen die Coaches, da sie wissen, dass sie immer auf sie zählen können.
Fünf Tore in 58 Spielen sind für einen Stürmer natürlich nicht besonders berauschend. Klar wird von Haas erwartet, dass er seine Produktion noch steigern kann. Doch es ist nicht so, dass der 28-Jährige ineffizient wäre, schliesslich landen knapp zehn Prozent seiner Schüsse auch im Tor.
Er kriegt einfach derart wenig Eiszeit und startet dabei noch oft in der neutralen oder eigenen Zone, sodass es für die ganze Sturmlinie schwierig ist, sich Chancen zu erarbeiten. Aber wer weiss, vielleicht schafft er es ja, sich im zweiten Jahr in Nordamerika noch mehr Eiszeit zu verdienen.
Das Anspiel ist seit jeher eine Schwäche von Schweizer Spielern. In der National League dominieren meist die ausländischen Spieler die Statistik (die Ausnahmen sind dabei Tanner Richard und Reto Schäppi). Auch Gaëtan Haas hatte in seiner ersten NHL-Saison grosse Mühe mit den Bullys. Er gewann nur 42,2 Prozent davon, oder in absoluten Zahlen: 176 gewonnene Anspiele, 236 verlorene.
Neben der Kraft ist bei Bullys auch die Erfahrung entscheidend. Nico Hischier hat in seinem dritten NHL-Jahr seine Bullyquote erstmals über 50 Prozent gebracht. Haas ist zwar schon 28-jährig, galt in der NHL aber noch als Rookie. Gut möglich, dass er aus dieser Saison einige Erkenntnisse mitnimmt, um seine Quote im nächsten Jahr noch zu steigern.
Haas kam in dieser Saison vereinzelt im Powerplay zum Einsatz – allerdings nicht sehr regelmässig. In Unterzahl durfte er insgesamt nur während vier Minuten ran. Das scheint auf den ersten Blick komisch für einen derart guten Defensivstürmer.
Das Problem für den Westschweizer: Die Special Teams von Edmonton funktionierten in der Saison 2019/20 bislang hervorragend. Das Powerplay ist das beste der Liga, das Penalty Killing das zweitbeste. Es gibt Trainer Dave Tippett also kaum Grund, etwas zu ändern. Haas' Ziel müsste es sein, sich im Training für diese Rollen aufzudrängen.
Man sieht, es gibt also durchaus gute Gründe, warum die Oilers auf die Dienste von Gaëtan Haas nicht verzichten wollen. Eine derartige defensive Stabilität ist bei Spielern der dritten und vierten Linie nicht selbstverständlich.
— Edmonton Oilers (@EdmontonOilers) April 28, 2020
Fürs Toreschiessen sind bei Edmonton in erster Linie McDavid, Draisaitl und Co. zuständig. Solange er den Puck vom eigenen Kasten weghalten kann, wird man mit dem Stürmer weiterhin zufrieden sein. Und da Haas auch weiterhin weniger als eine Million jährlich verdienen wird, erwarten Fans von ihm auch nicht 20 Tore pro Saison. Tatsächlich ist der Deal für die Oilers so fast noch ein Schnäppchen.