Schweizer Fussball ist, wenn schon vor dem Start zur Saison alle wissen, wer Meister wird. Seit 2010 hiess der Champion stets FC Basel. Rot-Blau wird sich auch in diesem Jahr den Titel holen. Erfolg ist planbar in einer 36 Runden umfassenden Meisterschaft, wenn ein Klub so viel mehr Geld hat als die anderen. In der laufenden Saison hat Basel von 27 Spielen ein einziges verloren.
Doch nun erhält die Hoffnung, dass die Dominanz des FCB durchbrochen wird, neue Nahrung. Es ist nicht viel, aber man klammert sich ja in hoffnungslosen Zeiten gerne an jeden noch so kurzen Strohhalm. Der neutrale Fan wäre schon froh, wenn es zumindest etwas spannender wird als momentan; wenn Basel nicht schon in der Winterpause fast sicher als Meister feststeht.
Der Grund zur leisen Hoffnung: Der FC Basel legt einen kompletten Neuanfang hin. Aus freien Stücken, weil das Feuer nicht mehr lodere, wie es der neue Sportchef Marco Streller ausdrückte. Die Klubführung um Bernhard Heusler tritt ab, Streller ersetzt Sportchef Georg Heitz und er erhält dabei Unterstützung von Alex Frei und Massimo Ceccaroni, zwei anderen FCB-Ikonen. Dass bei so einem radikalen Schnitt auch der Trainer ausgetauscht wird, überrascht nicht wirklich. Urs Fischer muss Ende Saison gehen, auch wenn er in der zweiten Saison den zweiten Meistertitel und vielleicht dazu den Cupsieg holt (Basel trifft im Final auf den FC Sion).
Was die Basler gerade durchziehen, kann als unglaubliche Arroganz ausgelegt werden. Jeder andere Klub im Land hat Sorgen, weil entweder der sportliche Erfolg ausbleibt, oder weil er kein Geld hat, oder weil gleich beides fehlt. Nur der FC Basel kann es sich leisten, ein «fehlendes Feuer» zu bemängeln und zu kritisieren, dass man gerne mehr eigene Spieler hätte und attraktiveren Fussball sehen würde. Überall sonst gilt: Der Erfolg heiligt die Mittel.
Dennoch wäre es falsch, die jüngsten Handlungen als arrogant zu bezeichnen. Es ist ganz einfach die Realität, wie sie sich dem FC Basel darstellt. Der Serienmeister schwebt über allen anderen und muss sein anspruchsvolles Publikum zufrieden stellen. Dass Titel diesem nicht mehr genügen, weil es sie schon in Hülle und Fülle miterlebt hat, ist nur logisch.
2000 Fans weniger kommen in dieser Saison im Durchschnitt an die Heimspiele. Erfolg alleine genügt nicht mehr. Der Zuschauer will für sein Geld Spektakel sehen und er will auch keine seelenlose Söldnertruppe am Werk, sondern sich mit den Akteuren auf dem Rasen identifizieren können. Der FCB ist ein Opfer des eigenen Erfolgs geworden, denn das Publikum geht zum Fussball, weil es Spannung will. Wer auf der Titelseite des Krimis schon erfährt, wer der Mörder sein wird, der nimmt das Buch erst gar nicht in die Hand.
Der FC Basel hat sich ein Stück weit von seinem Publikum entfremdet, nun soll wieder näher zusammengerückt werden. «Für immer Rotblau» lautet ein Slogan der künftigen Klubführung um den neuen Besitzer Bernhard Burgener, «Basel bleibt Basel» ein anderer.
Der Unternehmer Burgener gilt als kühl, als Zahlenmensch. Er liefert die Kohle, der emotionale Streller bringt das fussballerische Knowhow mit in die «Ehe». Der 37-fache Nationalspieler beendete erst vor zwei Jahren seine Karriere, seither sass er beim FCB in der technischen Kommission und er ist im SRF als Fussball-Experte tätig. Streller fällt im TV nicht nur mit seinem Fachwissen auf, sondern auch dadurch, wie extrem er immer noch mitlebt.
Als Sportchef wird er seine Gefühle zügeln müssen, muss er rational handeln. Und er muss sich von den Spielern distanzieren können, schliesslich ist er nun ihr Chef und nicht ihr Mitspieler. Gelingt das dem kumpelhaften Streller? Es scheint nicht die verkehrteste Idee zu sein, ihm Alex Frei an die Seite zu stellen. In einem Film wären die Rollen klar verteilt: Hier der freundliche Streller als guter Cop, da Frei als böser Cop.
Der dritte ehemalige FCB-Fussballer in der neuen Führung ist Massimo Ceccaroni. Der Kult-Verteidiger ist Nachwuchschef und damit dafür besorgt, dass eine wichtige Leitlinie umgesetzt werden kann: Dass wieder mehr Eigengewächse den Weg ins Super-League-Team finden.
Die Spieler seien da, ist Ceccaroni überzeugt, es gebe viele Talente mit Qualität. Die Herausforderung sei es, wie man die jungen Spieler noch effektiver in die erste Mannschaft integrieren könne. Im Klartext: Basel wird ältere und ausländische Spieler aussortieren, um Platz zu schaffen für Hoffnungsträger aus dem Nachwuchs-Campus. Das ist auch als Geschäftsmodell zu verstehen, schliesslich flossen bei den Transfers von Xherdan Shaqiri oder Granit Xhaka viele Millionen Franken in die eigene Kasse.
Doch auch wenn die neue Maxime lautet, auf Eigengewächse zu setzen, stellt Sportchef Streller klar: Einen Jugendwahn werde es nicht geben. Es brauche ein Gerüst aus erfahrenen Spielern.
Nebst den Nachwuchsakteuren könnte Basel auch einige Spieler, die momentan ausgeliehen sind, zurück ins Joggeli holen. Die Stürmer Cedric Itten (Luzern) und Nicolas Hunziker (GC) beispielsweise, Goalie Mirko Salvi oder Verteidiger Eray Cümart (beide Lugano). Mit Ausnahme von Salvi, der ein Romand ist, sind alles Basler und alle vier haben seit der U16 für den FCB gespielt.
Können diese jungen Spieler dann aber auch wirklich die Gestandenen verdängen? Ein Beispiel von anfangs Saison: In Luzern ist Basel mit 1:2 im Rückstand, als nach einer guten Stunde der österreichische Nationalspieler Marc Janko eingewechselt wird. Er schiesst zwei späte Tore, Basel siegt mit 3:2.
Andere Beispiele: Beim Aufsteiger Lausanne gewinnt Basel erst in der 93. Minute. Das 2:1 erzielt Eder Balanta, der für geschätzte drei Millionen Euro verpflichtet worden war. Auch im ersten Heimspiel schlägt der FCB Lausanne mit 2:1, dieses Mal fallen beide Tore erst in der Nachspielzeit.
Gewinnt der FC Basel in der nächsten Saison solche engen Spiele nicht mehr, ist die Differenz zum Rest der Liga auch in der Tabelle weniger gross. Sollten die Berner Young Boys endlich einmal eine Saison lang nicht zu viel verkehrt machen, könnten sie tatsächlich wieder zum ernsthaften Herausforderer werden.
All zu gross sollten ihre Hoffnungen aber nicht sein. Denn Basels Vorsprung ist mittlerweile in allen Belangen so gross, dass es auch nach einem Reset kaum möglich ist, mit dieser Mannschaft nicht Schweizer Meister zu werden. Oder anders ausgedrückt: Streller und Co. müssen schon sehr vieles sehr falsch machen, um den Titelgewinn zu verpassen.