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Analyse: Warum der HCD diese Saison im Tief steckt

Keine gluecklichen Gesichter an der Bande mit Assistant Coach Johann Lundskog (SW/CA), links und Head Coach Christian Wohlwend rechts dahinter, im Eishockey-Qualifikationsspiel der National League zwi ...
Gab es zuletzt oft: konsternierte Blicke auf der HCD-Bank.Bild: keystone
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Darum steckt der HCD als Überflieger der letzten Saison nun plötzlich im Loch

Von der Überraschungsmannschaft zum Tiefflieger. Beim HC Davos steckt in der Saison 2020/21 der Wurm drin. Wir sagen dir, woran es liegt.
16.12.2020, 16:3616.12.2020, 17:41
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Letzte Saison war der HC Davos eine der grossen Überraschungsmannschaften der National League. Die Bündner schlossen die Regular Season im ersten Jahr unter der neuen sportlichen Führung mit Sportchef Raeto Raffainer und Cheftrainer Christian Wohlwend auf dem dritten Platz ab.

Diese Saison ist nun alles anders. Nach 15 Spielen hat Davos erst fünf Siege und 16 Punkte auf dem Konto – das gibt Rang 10 in der normalen Tabelle und «immerhin» Rang 9 in der Tabelle sortiert nach gewonnenen Punkten pro Spiel. Siege gab es bislang einzig gegen Rapperswil (gleich drei Mal) sowie gegen Bern und Biel (je ein Mal). Es gab aber auch schon heftige Niederlagen, beispielsweise gegen Ambri (4:6 und 2:6) und jüngst gegen Fribourg (2:5) und den ZSC (1:5).

Was hat sich verändert? Wo liegen die Probleme in dieser Saison? Das versuchten wir herauszufinden.

Zu grosse Erwartungen

Dass Davos der Coup von letzter Saison gleich noch einmal gelingt, haben wohl die wenigsten Fans und Experten gedacht. Dennoch waren die Erwartungen nach den 89 Punkten 2019/20 zu gross, denn der HCD hat letzte Saison schlicht und einfach über den eigenen Verhältnissen gespielt.

Der PDO (die Summe von Schusseffizienz und Fangquote der Torhüter) lag am Ende der vergangenen Regular Season bei 102,05. Das deutet darauf hin, dass das Team von Christian Wohlwend die ganze Saison über eher vom Glück bevorteilt war. Das zeigte sich auch am Umstand, dass Davos viele Partien knapp mit einem Tor Unterschied gewann. Solche Partien (z.B. 3:4 gegen Lausanne, 3:4 gegen Lausanne oder 1:2 gegen Biel) verlor der HCD nun in der neuen Spielzeit.

Spielplan HC Davos zwischen 7. Dezember 2019 und 7. Januar 2020.
Oft eine knappe Sache: Die HCD-Spiele zwischen dem 7. Dezember 2019 und dem 7. Januar 2020.Bild: screenshot sihf.ch

Auch Leistungen von Einzelspielern waren ein Faktor. Félicien Du Bois erzielte sieben Tore, nachdem er in den zwei Jahren davor jeweils nur einmal traf. Auch Sven Jung oder Lukas Stoop skorten öfter als erwartet. Wenn diese Tore und Assists plötzlich wegfallen, kann das zum Problem werden.

Interessanterweise ist der HCD dieses Jahr bislang aber nicht weniger produktiv als letzte Saison. Im Gegenteil: Die Mannschaft erzielt sogar noch mehr Tore als letzte Saison. Die Schusseffizienz und das Powerplay sind auf praktisch gleichem Niveau. Man hat es also geschafft, die Absenz von Du Bois und die Regressionen von Stoop oder Jung zu kompensieren. Einerseits durch die Gastspiele von Joe Thornton oder Simon Knak und andererseits durch die unfassbare Saison, die Andres Ambühl (10 Tore, 8 Assists in 15 Spielen) bisher spielt. Es gibt also auch noch andere Probleme in Davos.

Torhüter

Der PDO setzt sich bekanntermassen zu einem Teil aus der Fangquote zusammen. Und die ist dieses Jahr deutlich tiefer als noch 2019/20, als das Goalieduo von Joren van Pottelberghe (91,6 %) und Sandro Aeschlimann (91,1 %) gebildet wurde. Aeschlimann kommt bislang auf schwache 87,5 Prozent gehaltene Schüsse, bei van Pottelberghes Ersatz Robert Mayer sind es 89,1 Prozent.

Das Duo hat so die schlechtesten Werte aller regelmässig eingesetzten National-League-Torhüter. Davos lässt pro Spiel durchschnittlich mehr als vier Tore zu. Letztes Jahr hatte vor allem van Pottelberghe das Team mit sehr starken Leistungen in der Tabelle nach vorn getragen. Dieses Jahr gibt es zwar nicht unbedingt viele Tore, die man direkt einem Torhüterfehler zuschreiben könnte, aber insbesondere Aeschlimann wirkt verunsichert und lässt viele Abpraller zu. Big Saves, die eine Mannschaft wachrütteln oder im Spiel halten, gibt es zu selten zu sehen.

Defensive Fehler

Die defensiven Unzulänglichkeiten alleine den Torhütern zuzuschieben, wäre aber unfair. Der HC Davos verteidigt auch als gesamte Mannschaft schlecht. Das zeigt sich einerseits darin, dass die Schüsse, die Mayer und Aeschlimann abwehren müssen, durchschnittlich rund einen Meter näher am Tor abgegeben werden als noch letzte Saison. Andererseits auch in der Tatsache, dass ein grösserer Anteil dieser gegnerischen Schüsse auch tatsächlich aufs Tor kommt.

2019/20 waren es bei Joren van Pottelberghe gemäss nlicedata.com 52,74 Prozent aller Schüsse, die auch aufs eigene Tor kamen und 52,96 Prozent bei Sandro Aeschlimann. In der laufenden Saison sind es 56,99 Prozent bei Aeschlimann und 54,96 Prozent bei Robert Mayer. Zudem vergeht kein HCD-Spiel ohne einen groben Schnitzer eines Spielers in der eigenen Zone – sei es ein Fehlpass, sonst ein Puckverlust oder ganz einfach schlechtes Stellungsspiel.

All das führt auch dazu, dass das Davoser Penalty-Killing von schwachen 76,65 Prozent im letzten Jahr auf katastrophale 69,81 Prozent gesunken ist. Das bedeutet anders formuliert, dass die Mannschaft fast bei jeder dritten Strafe auch ein Tor kassiert.

Schlüsselspieler im Tief

Ein weiteres Problem im Landwassertal sind zu viele wichtige Leistungsträger, die gleichzeitig im Tief stecken. Marc Wieser sollte bei Davos eigentlich ein Goalgetter sein, hat bislang in 15 Spielen aber erst ein Tor erzielt. Das gleiche gilt für Aaron Palushaj, der ebenfalls erst ein Tor auf dem Konto hat. Beim US-Amerikaner stehen aber immerhin 5 Assists auf dem Konto, zudem war er einige Spiele lang noch verletzt. Und auch Enzo Corvi ist noch nicht so effizient, wie er sein könnte.

Davos' Marc Wieser, links, gegen Rapperswils Flurin Randegger, beim Eishockey-Qualifikationsspiel der National League zwischen dem HC Davos und den Rapperswil-Jona Lakers, am Mittwoch, 2. Dezembe ...
Marc Wieser (links) trifft nicht mehr.Bild: keystone

Noch schwerwiegender ist die «finnische Baisse» beim HCD. Teemu Turunen hat in den letzten zwei Jahren in Finnland einmal knapp einen Punkt pro Spiel geskort und einmal sogar mehr. Beim Schweizer Rekordmeister kommt er bislang auf einen halben Punkt pro Spiel. Der 25-jährige Flügel findet sich im System von Christian Wohlwend offenbar immer noch nicht wunschgemäss zurecht.

Perttu Lindgren ist noch schlechter in Form. Normalerweise ist der Center die Zuverlässigkeit in Person, skort regelmässig und überzeugt vor allem auch beim Defensivspiel. Das ist in diesem Jahr gänzlich anders. Wenn Lindgren für den HCD bei «even strength» (5vs5, 4vs4 oder 3vs3) auf dem Eis steht, fallen in 60 Minuten 5,46 Tore – der zweitschlechteste Wert innerhalb der Mannschaft hinter Verteidiger Lorenz Kienzle.

Die 5 Spieler mit denen Davos die meisten Gegentore kassiert und die 5 Spieler, mit denen Davos die wenigsten Gegentore kassiert.quelle: nlicedata.com

Der Finne kann die defensiven Mankos auch nicht mit zusätzlicher Produktion kompensieren. In bislang 13 Spielen erzielte Lindgren zwei Tore und gab drei Assists – unüblich wenig für einen Spieler von seinem Format.

Schwieriger Saisonstart

Mit Zahlen lässt sich das zwar nicht belegen, doch einen Einfluss dürfte auch der Saisonstart gehabt haben, der für Davos nicht einfach war. Die Mannschaft von Christian Wohlwend absolvierte im gesamten Oktober nur fünf Spiele, kam so nie in einen Rhythmus und verlor entsprechend auch vier dieser Partien. Nun sollte der Rhythmus zwar endlich da sein, doch der Wurm scheint immer noch drin zu sein.

Felicien Du Bois im Sommertraining beim HC Davos, aufgenommen am Donnerstag, 18. Juni 2020, in Davos. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Seine Routine fehlt dem HCD: Verteidiger Félicien Du Bois.Bild: keystone

Zudem kämpft der HCD schon seit dem Saisonauftakt mit Verletzungen. Dino Wieser hat wegen den Folgen einer Hirnerschütterung seit fast einem Jahr kein Spiel mehr gespielt. Wie bereits erwähnt fiel zwischendurch auch Palushaj aus.

Noch stärker betroffen ist die Verteidigung. In der Vorbereitung fiel Routinier Du Bois aus. Der 37-Jährige, der auf dem Eis für Ruhe sorgen kann, fehlt Davos nach seinem Achillessehnenriss Ende Juli wohl noch einige Wochen. Danach fielen auch Claude Paschoud, Stoop und Samuel Guerra aus. Die sind mittlerweile zwar zurück, dafür fehlen nun Kienzle und Sven Jung. Bei einer Mannschaft, bei der die Verteidigung sonst schon ein Schwachpunkt ist, fallen solche Absenzen noch stärker ins Gewicht.

Fazit

Die Probleme beim HCD liegen hinten, nicht vorne. Sei das mit Fehlern in der Verteidigung, ungenügenden Goalieleistungen oder auch Verletzungspech. Genau das sollte den Bündnern aber auch Mut geben. Denn wenn klar definiert ist, wo die Probleme liegen, kann man sie auch lösen.

Schafft es der HCD dieses Jahr in die Playoffs?

Christian Wohlwend und sein fürs Penalty Killing zuständige Assistent Waltteri Immonen müssen wieder Ruhe und Ordnung in die eigene Hintermannschaft bringen. Goaliecoach Peter Mettler muss das Vertrauen von Mayer und Aeschlimann wieder aufbauen.

In der Offensive stimmt vieles, auch wenn man hoffen muss, dass Thorntons Abgang nicht zu sehr ins Gewicht fällt. Man hat eigentlich mehr Spielkontrolle als noch letztes Jahr und nach Expected Goals sollte auch die Tordifferenz besser sein, als sie es momentan ist. Wenn es dem HC Davos gelingt, die Gegentore zu reduzieren, ohne dass sie selbst weniger treffen, werden aus den Niederlagen plötzlich wieder Siege.

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12 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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White Whizard
16.12.2020 17:06registriert Oktober 2020
Super Artikel, besten Dank; immer sehr informativ und ohne Polemik
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Bruno Wüthrich
16.12.2020 19:36registriert August 2014
Ich glaube nicht, dass das Problem des HCD darin liegt, dass offensive Schlüsselspieler im Tief sind. Wie richtig geschrieben, stimmt die Torproduktion der Bündner. Die Performance der Einen wird sich im Verlaufe der Saison steigern, andere werden eher stagnieren. Noch mehr Tore können eher nicht erwartet werden.

Mit dieser Torproduktion muss eine Mannschaft deutlich öfter gewinnen. Die Verunsicherung liegt hinten. Sitzt das System, fallen Verletzungen nicht so sehr ins Gewicht. Aber offenbar sitzt eben das System nicht. Man ist nicht sattelfest. Es macht nicht jeder das, was er muss.
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Züzi31
16.12.2020 17:42registriert August 2015
Zusätzlich wird Büehli über die ganze Saison auch keine Schusseffizienz von 23% beibehalten können. Daher ist zu erwarten, dass früher oder später auch von seiner Linie weniger Tore kommen und dann wirds mit einer solch löchrigen Abwehr noch schwieriger an Punkte zu kommen.
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