Oft bleibt der letzte Eindruck haften. Weil für einmal Schweizer Grosstaten fehlten, gab es in der Woche des Weltcupfinals Raum für Polemik. Die Arbeit der Organisatoren stand ebenso auf der Anklagebank wie die Saisonplanung des Internationalen Skiverbands. Im Schweizer Team schwang auch ein gewisser Frust mit, weil man sich mit Rennabsagen, Coronafällen und schwachen Resultaten in den vergangenen Tagen temporär und ausnahmsweise in keiner Erfolgsspirale befand. Der kuriose Drei-Sekunden-Auftritt von Lara Gut-Behrami im Riesenslalom passte gut als Schlusspunkt in dieses Bild. Flasche leer am Saisonende!
Es ist Jammern auf allerhöchstem Niveau. Zum zweiten Mal in dieser Saison nach der mageren WM-Bilanz der Männer in den technischen Disziplinen gingen die hoch fliegenden Pläne des Schweizer Skiteams beim Finale nicht auf. «Nur» zweite Plätze in den beiden Weltcup-Gesamtwertungen, «nur» zwei Disziplinensiege durch Beat Feuz und Lara Gut-Behrami beim Verteilen der kleinen Kristallkugeln. Erst die neuen, von der Welle des Erfolgs angespülten Ansprüche lassen da überhaupt so etwas wie Enttäuschung zu.
Und die Realität? Ein Leben wie auf dem Ponyhof! Neun Schweizer Medaillen bei der WM, 53 Podestplätze im Weltcup. Lara Gut-Behrami sechsfache Saisonsiegerin, der erst 23-jährige Marco Odermatt mit neun Top-3-Klassierungen. Wenn man die WM-Goldmedaille von Gut-Behrami im Riesenslalom dazu zählt, bei beiden Geschlechtern in jeder Disziplin mindestens einen Sieg. Als Konsequenz die Wiederholung des Gewinns der Nationenwertung vor Erzrivale Österreich. Auch die Frauen dabei erstmals seit 1995 wieder vor ihren österreichischen Konkurrentinnen. Dabei war auch Österreich in dieser Saison sackstark.
Die Chancen stehen gut, dieses Niveau in den kommenden Jahren zu halten. Viele der Topfahrer bleiben der Schweiz noch eine Weile lang erhalten. Mit Daniel Yule – kein einziges Podest in dieser Saison – und Wendy Holdener nach viel Pech im Verlauf des Winters, kehren zwei Teamleader in der Olympiasaison hoffentlich wieder in alter Frische zurück. Dazu musste die Schweiz die Ausfälle von Urs Kryenbühl und Mauro Caviezel verkraften. Auch dieses Duo ist jederzeit gut für eine Fahrt aufs Podest. Ein Team mit breiten Schultern und stolzer Brust. Swiss-Ski ist der sportlich erfolgreichste Sportverband der Schweiz.
Neben den nackten Zahlen, die sich süffig wie ein Liebesroman von Nicholas Sparks lesen, produzierte die Weltcupsaison weitere bemerkenswerte Themen. Ein grosser Erfolg ist zweifellos, dass trotz Corona-Virus im Nacken die gesamte Saison durchgeführt werden konnte. Einzig Wengen und die norwegischen Veranstalter mussten ihre Anlässe aufgrund der Pandemie zurückgeben. Und nur an drei Rennen war eine Schweizerin – zweimal Wendy Holdener, einmal Melanie Meillard – wegen dem Virus nicht am Start.
Eine interessante Entwicklung ist zu begrüssen. Athletinnen und Athleten äussern sich zunehmend lauter und offensiver zu aktuellen Problematiken. Kritische Voten zu ungenügenden Pistenverhältnissen oder diskutablen Kurssetzungen sind weit mehr als Frust über schlechte Leistungen oder entgangene Erfolge. Es geht hier auch um das grösste Kapital eines jeden Sportlers, die Gesundheit. Die Anhäufung von schweren Verletzungen in den vergangenen Monaten ist Folge von vielen Puzzleteilen. Pistenpräparation und Kurssetzung gehören dazu.
Selbstbewusst fordern Athletinnen und Athleten wie Lara Gut-Behrami, Corinne Suter und Marco Odermatt Reformen des Rennkalenders. Der Tenor: Gleich viele Wettkämpfe in allen vier Disziplinen, Verzicht auf Kombinationen und Parallelrennen. Vielleicht tut es der FIS auch bei dieser Diskussion gut, dass sie in zwei Monaten nach 23 Jahren einen neuen Präsidenten erhält.
Ich habe fast jedes Rennen live verfolgt und hatte sehr viel Spass.
Und auch dem Srf ist ein Kränzchen zu winden, die machen bezüglich Begleitung des Ski-Zirkus ebenfalls einen guten Job!