Im April gab die neue FCB-Führung den Tarif für die nächsten Jahre bekannt. Neo-Sportchef Marco Streller verkündete: «Fussball ist Entertainment. Wir müssen es wieder schaffen, dass die Emotionen wieder zurück ins Stadion kommen. Ich merke, dass dies heute nicht unbedingt der Fall ist.»
Wir können Marco Streller und Co. schon nach acht Spieltagen gratulieren. Die Emotionen rund um den FC Basel sind zurück. Fraglich einzig, ob er bei seiner Aussage an solche Emotionen dachte:
Sagenhaft wie es Burgener, Streller und Wicky in nur 8 Spielen fertig gebracht haben 8 Jahre kaputt zu machen.
— Dominik Maeder (@shogundomi) 20. September 2017
Wie auch immer. Die neue FCB-Führung sprach nach der Übernahme im letzten Frühling von drei weiteren wichtigen Zielen:
Von allen drei Aspekten ist man momentan fast noch etwas weiter entfernt, als der FCB von der Tabellenspitze. Raphael Wicky steht in der Kritik. Am Samstag sollte er gegen den FCZ nicht verlieren, wenn er ruhige Wochen erleben möchten.
Immerhin überlegte sich der Walliser schon vor dem Saisonstart, was er machen wird, wenn er zwei- oder dreimal verliert: «Dann werde ich die Situation genau analysieren und hoffentlich die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Und ich werde kaum eine Zeitung lesen. Das mache ich übrigens auch nicht, wenn wir dreimal nacheinander gewinnen.» Bei der Analyse dürfte Wicky auch auf diese drei Baustellen stossen.
Wer soll die Mannschaft führen? Matias Delgado hätte es sein sollen. Doch der Captain beendete kurz nach Meisterschaftsstart seine Karriere. Ricky van Wolfswinkel macht zwar Tore, aber er zieht das Team nicht mit wie einst Alex Frei oder Marco Streller. Michael Lang fehlt am Ende doch die Klasse, um das ganze Team mitzureissen. Taulant Xhaka ist ein grossartiger Fighter, aber kein Leader wie sein Bruder und Luca Zuffi rennt seiner Form hinterher. Weitere Kandidaten sind verletzt oder gesperrt.
Im letzten Jahr konnte Basel bei einem Rückstand oft entweder Marc Janko oder Seydou Doumbia einwechseln. Meist gelangen den Bebbi hintenraus entscheidende Tore. Aktuell steht die Bilanz der zweiten Halbzeit bei 5:9 Toren.
Gegen St.Gallen brachte Wicky Dominik Schmid (19-jährig, 4 SL-Einsätze) und Dimitri Oberlin (19, 6 SL-Einsätze, 37 Ö-Bundesliga-Einsätze). Zur Auswahl hätte er noch diese Feldspieler gehabt: Pedro Pacheco (20, 0 SL-Einsätze), Raoul Petretta (20. 5 SL-Einsätze) und – immerhin – Alexander Fransson (23, 43 SL-Einsätze, 72 Allsvenskan-Einsätze).
Wicky pflegt zu sagen, dass man halt eine junge Mannschaft habe. Das mag stimmen, aber andere Klubs haben ein noch jüngeres Team. Fünf Gegner schickten in dieser Saison bereits eine noch jüngere Startelf auf den Rasen. Immerhin viele Eigengewächse? Auch hier liegt Basel mit acht nur im Mittelfeld (Rang 5) der Liga.
In den letzten Jahren baute sich der FCB einen Nimbus der Unbesiegbarkeit auf. Viele Gegner erstarrten schon vor der Partie. Jetzt hat man bereits dreimal verloren – schon einmal mehr als in der gesamten letzten Saison. Und den Gegnern entgeht nicht: Lausanne entführte drei Punkte aus dem St.Jakob-Park, Chiasso schnupperte an der Cup-Sensation, St.Gallen siegte hochverdient.
Vielleicht geraten Wicky, Streller und Co. noch nicht ins Grübeln. Aber wie sieht es in den Köpfen der jungen Spieler aus? Sie alle wissen: Die letzte Saison war eine Rekordspielzeit mit 86 Punkten, 92 erzielten Treffern und einer Tordifferenz von +57. Und jetzt sind sie mitverantwortlich für den schwachen Start. Das nagt. Egal was die Spieler und die Beteiligten professionell in die Mikrofone diktieren.
Die Frage ist jetzt: Wie weiter? Behält der FC Basel nach dem selbst auferlegten Neuanfang die Ruhe? Nach dem 0:2 gegen YB zum Auftakt sagte Sportchef Streller: «Ich mache mir keine Sorgen. Das war doch nur ein Spiel.» Sein Trainer Raphael Wicky erklärte damals im Juli noch seelenruhig: «Wir werden reagieren. Das ist eine schöne Herausforderung für uns.»
Ganz so entspannt dürften die beiden nicht mehr sein. Hoffentlich behalten sie die Ruhe. Es sind erst acht Runden gespielt. Meisterschaften werden nicht im Herbst gewonnen. Sie können natürlich verloren gehen, wenn die Tage wieder kürzer werden. Aber davon ist der Serienmeister noch weit weg. 2009/2010 startete der FCB mit Thorsten Fink als neuen Trainer gar mit neun Punkten aus acht Partien und wies zum jetzigen Zeitpunkt 13 Zähler Rückstand auf YB aus. Im Sommer feierte man auf dem Barfüsserplatz mit drei Punkten Vorsprung.
Klar: Damals figurierten im Kader Namen wie Alex Frei, Marco Streller, Xherdan Shaqiri, Granit Xhaka, Scott Chipperfield oder Franco Costanzo. Jetzt ist die Personaldecke dünner. Trotzdem kehren schon gegen den FCZ am Samstag Renato Steffen (Gelbsperre), Marek Suchy (Gelb-Rot-Sperre) und vermutlich Mohamed Elyounoussi (krank) zurück. Das gibt Wicky Optionen.
Der Walliser muss jetzt aber liefern. Zieht er die angekündigten «richtigen Schlüsse»? Man sollte ihn nicht unterschätzen. Schon als Fussballer war der Stratege ein Leisetreter, einer der sein Licht eher unter den Scheffel stellte. Als Diplomat war er bekannt. Sprach nicht viel, aber wenn, dann hatte es Hand und Fuss.
Der FCB entliess Urs Fischer auch, weil der «grosse Wurf» fehlte. Gemeint waren damit internationale Erfolge. Wicky muss jetzt erst mal am Samstag im Klassiker gegen Aufsteiger FCZ ein «kleiner Wurf» gelingen.
Ansonsten würde der «erfolgreiche Fussball» weiterhin von anderen Teams zelebriert, auf den «hohen Identifikationsgrad» würden die Fans vorerst pfeifen und der «grosse Spassfaktor» wäre auch nur bei den Gegnern anzusiedeln. Vor allem aber wären dann rund um den Serienmeister bald mehr Emotionen im Spiel, als sich Marco Streller und Co. gewünscht hatten.