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Taktik-Analyse der Champions League: Darum hat Dortmund gegen Tottenham verloren

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Konsternierte Dortmunder nach dem 1:2 durch Heung-Min Son.Bild: EPA/EPA
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Taktische und mentale Schwächen: Diese Gegentore zeigen die BVB-Probleme schonungslos auf

Die dritte Niederlage in Serie: Borussia Dortmund verliert in der Champions League gegen Tottenham mit 1:2, weil die Deutschen dem Gegner die Tore praktisch auf dem Silbertablett servieren. Wir haben bei der Entstehung der Gegentore etwas genauer hingeschaut – und viele Schwächen entdeckt. 
22.11.2017, 10:3622.11.2017, 13:02
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«Sie können einfach nicht verteidigen», titelte die «Zeit» noch vor der Champions-League-Partie gegen Tottenham treffend. Tatsächlich ist die Abwehr von Borussia Dortmund fast schon konstant unkonstant. Obwohl der BVB offensiv riesige Qualitäten aufweist, verliert er derzeit Spiel um Spiel, weil das Defensivverhalten erschreckend schwach ist. Das wurde gegen Tottenham noch einmal sehr deutlich.

Das mit den Geburtstagsgeschenken haben die Dortmunder gestern sowieso falsch verstanden. Am Tag des 54. Geburtstages von Coach Peter Bosz, gab es die Geschenke statt für den Trainer nämlich für die Gegner. Die beiden Gegentreffer bei der 1:2-Heimniederlage gegen Tottenham wurden den Engländern quasi mit Schleife drum überlassen. Bei beiden Toren ist es allerdings kein individueller Fauxpas, sondern eine Kette von Fehlern, die zu den Gegentoren führte. Wir haben die beiden Treffer analysiert und einige Schwächen aufgedeckt. 

Die Probleme beim 1:1

Das 1:1 durch Harry Kane im Video.Video: streamable

Falsche Entscheidungen

Ein Ballverlust in der eigenen Hälfte führt zum Ausgleich durch Tottenham. Obwohl die Engländer hoch pressen, machen sie dies nicht mit der letzten Konsequenz. Die Mitte ist komplett offen und gäbe den Dortmundern genügend Platz, um einen gefährlichen Angriff zu lancieren. Spielt Andriy Yarmolenko hier den einfachen Pass auf Mario Götze oder Julian Weigl, sind bereits sechs Tottenham-Spieler vor dem Ball und dies 30 Meter vor dem Dortmunder Tor.

Yarmolenko hätte in der Mitte zwei sichere Anspielstationen.
Yarmolenko hätte in der Mitte zwei sichere Anspielstationen.bild: screenshot ngolos.com

Körpersprache

Ein Julian Weigl (33), der den Ball will, sieht anders aus als im Standbild oben. Der Mittelfeldspieler macht keine Anstalten, als wollte er das Leder von Yarmolenko, um einen schnellen Angriff einzuleiten. 

Aussenverteidiger unter Druck

Yarmolenko entscheidet sich statt dem Pass in die Mitte für den Haken und hat dann als Option nur noch Aussenverteidiger Jeremy Toljan. Viele Mannschaften steuern ihr Pressing bewusst auf die Aussenverteidiger. Denn während Innenverteidiger nach vorne, hinten, links oder rechts spielen können, haben die Aussenverteidiger auf einer Seite die Aussenlinie und dadurch eine Spielrichtung weniger, um einen erfolgreichen Pass zu spielen. 

Tottenham macht genau das und stellt Jeremy Toljan zu. Im Moment, in dem er den Ball erhält und überlegt, was er machen soll, hat er keinen sicheren Pass, den er spielen kann. 

Bild
bild: screenshot ngolos.com

In Schönheit sterben

Toljan hat drei Tottenham-Spieler um sich herum, dennoch versucht der Aussenverteidiger – was grundsätzlich lobenswert ist – die Situation spielerisch zu lösen.

«Man darf nicht so viele Fehler machen, das darf auf unserem Niveau nicht passieren.»
Peter Bosz

Dabei hätte es in seiner Situation eine einfache, sichere Lösung gegeben: Den Ball lang, diagonal nach vorne zu schlagen. Erstens ist das Spielgerät dann aus der Gefahrenzone und selbst wenn der Ball nicht beim Mitspieler landet, können seine Teamkollegen mit offensivem Gegenpressing ihrerseits in der Hälfte von Tottenham einen Ballverlust provozieren. Auch wenn es nicht immer schön ist, lange Bälle gehören, speziell unter Druck, zum Fussball.

Umgeben von Gegnern hätte Tojan hier befreien müssen.
Umgeben von Gegnern hätte Tojan hier befreien müssen.bild: screenshot tsn

Unerfahrenheit

Danach spielt es Tottenham simpel, aber gut. Harry Kane wird vor dem Tor angespielt und sucht sofort den Abschluss. Dabei ist der 18-jährige Dan-Alex Zagadou viel zu passiv. Der Innenverteidiger hat eigentlich genug Zeit, Harry Kane am Abschluss zu hindern, statt eines Tacklings zum Ball bleibt Zagadou aber an Ort und Stelle und macht lediglich einen «Hofknicks». Harry Kane, der in seinem 38. Pflichtspiel 2017 zum 39. Mal trifft, hat dann die Qualitäten, die Lücke zwischen seinen Beinen zu finden und das 1:1 zu markieren. BVB-Torhüter Roman Bürki ist chancenlos.

image after
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bild: screenshot tsn

Die Probleme beim 1:2

Das 1:2 durch Heung-Min Son.Video: streamable

Defensivverhalten der Offensiven

Das 1:2 aus Dortmund-Sicht entsteht am Flügel. Dort hat Dele Alli eigentlich zwei Gegenspieler um sich. Eine Finte reicht allerdings, damit Mario Götze die Mitte aufmacht. Die Nummer 10 müsste viel eher Kollege Marc Bartra unterstützen und von dort Druck auf Alli machen. So lässt ihm Götze allerdings die Lücke, um sich – wenn auch glücklich – durchzuspielen.

Götze spekuliert auf den Rückpass von Dele Alli.
Götze spekuliert auf den Rückpass von Dele Alli.bild: screenshot ngolos
«Solche Tore, das darf nicht alle drei Tage passieren.»
Mario Götze

Drei gegen sieben. Tottenham ist eigentlich deutlich in Unterzahl, weil sich Alli aber gegen Götze und Bartra durchtankt, ergibt sich dennoch eine Torchance.

Ab durch die Mitte: Alli setzt sich gegen Götze und Bartra durch.
Ab durch die Mitte: Alli setzt sich gegen Götze und Bartra durch.bild: screenshot ngolos

Das Zweikampfverhalten

Auch wenn es Dele Alli stark macht, Marc Bartra darf den Mittelfeldspieler niemals so in den Strafraum ziehen lassen. Wenn es mit fairen Mitteln nicht geht, muss hier halt das taktische Foul kommen. Das Zweikampfverhalten von Bartra ist in dieser Situation nicht Champions-League-würdig.

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Defensive Ordnung

Im Strafraum hat Dortmund noch immer eine Überzahl. Weil Zagadou allerdings wieder Lehrgeld bezahlt und seinen «Hofknicks» macht, statt zu tacklen, muss Julian Weigl aushelfen und verliert in seinem Rücken Heung-Min Son aus den Augen. 

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Son hat im Umkreis von zwei Metern danach keinen Gegenspieler und versenkt das Leder perfekt im Winkel. 

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Das Kapitel K.-o.-Phase der Champions League ist für Dortmund nicht erst seit dem fehlerhaften Auftritt von gestern abgeschlossen, selbst um die Europa League muss der BVB aber noch zittern. Der Fokus ist allerdings sowieso auf den kommenden Samstag gerichtet. Dann trifft der BVB um 15.30 Uhr im «Revierderby» auf Schalke. Dass dies die wichtigere Partie als gegen Tottenham ist, haben die Fans mit ihrem Banner schon vor dem Spiel klargemacht. 

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Der komplette Banner der Dortmund-Fans lautete: «Egal, was gestern war, egal, was heute geschieht, am Samstag zählt es: alle für den Derbysieg.»Bild: EPA/EPA

Individuelle Fehler dürfen immer passieren. So wurden die Dortmunder Spieler nach der Partie demonstrativ von der Südtribüne gefeiert. Gegen Schalke werden Fehler aber unverzeihlich sein. Sollten sie dennoch kommen, wird es immer unwahrscheinlicher, dass Peter Bosz auch seinen nächsten Geburtstag noch als BVB-Trainer verbringt. 

«Wir müssen das Derby gewinnen. Ich weiss, dass es wichtig ist, dass wir das Spiel gegen Schalke gewinnen. Auch für meine Position, das ist klar.»
Peter Bosz

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7 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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bobi
22.11.2017 12:58registriert Oktober 2015
Gute Analyse. Ich fände es super, wenn Watson jede Woche ein Spiel analysiert ;)

Betreffend dem 2ten Gegentor bin ich jedoch der Meinung, dass Weigl zumindest die Häfte der Schuld am Gegentor trägt. Zagadou kann nur den Schuss aufs Tor verhindern, jedoch nicht die Ablage auf Son.
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7
Alles eine Frage der Dosierung – spielen die Refs im Final eine Rolle?
Die Schiedsrichter waren während der Qualifikation meistens gut und berechenbar und während den Playoffs bisher sogar sehr gut. Die grosse Bewährungsprobe folgt ab heute im Final zwischen den ZSC Lions und Lausanne.

Wer eine lose Umfrage über die Qualität der Schiedsrichter macht – am Stammtisch, bei Sportchefs oder Manager – bekommt in der Regel Antworten, die zwischen «miserabel» und «völlig ungenügend» tendieren. Die Beurteilung wird natürlich stark vom Ausgang des vorangehenden Spiels beeinflusst – alle sind ja mehr oder weniger Sympathisanten eines Klubs und alle gehören halt hin und wieder oder manchmal auch meistens zu den Verlierern.

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