Jetzt also auch noch die Abfahrt am Lauberhorn. Für viele Menschen in der Schweiz ist das Rennen in Wengen das Highlight im Sportjahr. Über eine Million Schweizerinnen und Schweizer schauten im vergangenen Jahr am TV zu. Das ist Bestwert im Bereich Sport. Wie eigentlich jedes Jahr. Und nun, an diesem Freitag und Samstag, wären sogar zwei Abfahrten auf dem Programm gestanden. Das ist für Skifans wie Geburtstag und Weihnachten zusammen.
Aber die Coronapandemie verhindert das Fest. Wie so viele zuvor. Der Sportfan ist sich Absagen zwar gewohnt. Denn das Virus verbreitet sich schnell. Trotzdem tut es jedes Mal weh. Coronarekorde begeistern niemanden. Die Folge des jüngsten Rekordwerts in Wengen: Der Kanton Bern hat die Skirennen am Lauberhorn verboten. Die hohen Fallzahlen, nicht zuletzt aufgrund der britischen Virusmutation, bewegten die Behörden zu diesem Schritt.
Auf den ersten Blick ein verständliches Vorgehen. Die Gesundheit steht im Mittelpunkt. Darin sind sich alle einig. Trotzdem bleiben einige Fragen. Zum Beispiel, warum der Kanton am Sonntag einer Durchführung zustimmte, um am Montag auf den Entscheid zurückzukommen? Dies bei nur neun neu nachgewiesenen Ansteckungen in Wengen in der gleichen Zeitspanne. Auf Anfrage heisst es, dass nun auch Infektionen im näheren Umfeld der Organisatoren festgestellt wurden und somit nicht mehr sichergestellt werden könne, dass es nicht zu einer Verbreitung innerhalb des Ski-Weltcup-Trosses komme.
Das tönt plausibel. Allerdings gelten in Wengen die gleichen Regeln wie überall sonst in der Schweiz. Wer im engen Kontakt zu einer nachweislich infizierten Person stand, muss für zehn Tage in Quarantäne. So soll die Infektionskette unterbrochen werden. Warum dies im Rahmen der Weltcup- Rennen, wo alle, die anreisen wollen, einen negativen Test vorweisen müssen, nicht hätte funktionieren sollen, ist zumindest fragwürdig. Die Begründung der Behörden macht daher wenig Sinn.
Unverständlich ist, warum touristische Reisen nach Wengen weiterhin erlaubt bleiben. Falls die Gefahr, sich im Skiort zu infizieren, viel grösser ist als anderswo, warum müssen dann nicht alle Gäste geschützt werden? Zumal mit dem Skizirkus eine Gruppe von Menschen angereist wäre, die alle Sicherheitsstandards einhält und sich auf und neben der Piste vorbildlich verhält, um die weitere Saison nicht zu gefährden. Dies auch im Eigeninteresse. Dazu ein Beispiel: In Wengen wäre der Teil des Skigebiets, der vom Weltcup-Tross genutzt worden wäre, für die Öffentlichkeit gesperrt worden. Gleiches gilt für alle Zonen, in denen sich Athleten, Trainer und Betreuer aufhalten. Die Chance, dass sich ein Tourist infiziert und das Virus weiterverbreiten würde, ist wohl deutlich höher.
Es keimt der Verdacht, dass die Behörden im Kanton Bern mit der Absage auf Druckversuche anderer Branchen reagierten. Das Unverständnis, dass der Spitzensport stattfinden darf, während andere Bereiche hart von den Einschränkungen getroffen werden, war schon zuvor in Teilen der Schweizer Bevölkerung gross. Die vorläufige Erlaubnis der Behörden für die Rennen hat den Unmut weiter geschürt. Und damit Forderungen verstärkt: Wenn die dürfen, wollen wir auch.
Das sind nachvollziehbare Überlegungen. Allerdings ist das Vorgehen der Behörden nicht konsequent. Die Skigebiete – auch jenes in Wengen – bleiben offen. Orte, wo sich täglich viele Menschen unkontrolliert aufhalten können. Skirennen, bei denen alles für die Coronaprävention getan wird, sind hingegen verboten.
Es ist nicht falsch, die Rennen in Wengen zu verbieten, wenn es um die Gesundheit geht. Die Kehrtwende hingegen wirkt, als wäre sie das kleinere Übel. Als ob die Behörden eingeknickt sind, um die Gemüter zu beruhigen. Nun werden die Rennen in Kitzbühl nachgeholt. Der Slalom bereits am kommenden Wochenende, eine der beiden abgesagten Abfahrten eine Woche später. Ob der Skizirkus in Österreich wirklich sicherer sein wird?
Und eine Ansteckung der Rennfahrer und Teams hätte den Weltcup für diese Saison beendet.
Denke die Behörden haben abgesagt um den Organisatoren das Gesicht zu wahren.