Die Nationalspieler müssen früh aus den Federn. Noch sind sie in der kalten, winterlichen Schweiz. Doch bereits in rund 13 Stunden sollen sie gegen Österreich das erste Spiel an der Handball-WM in Ägypten bestreiten.
Das Check-in am Flughafen Zürich steht an. Sicherheitshalber nehmen die Schweizer genügend Bälle mit – man weiss ja nie.
Zwei Spieler aus dem WM-Aufgebot fehlen: Jonas Schelker und Luka Maros. Die beiden Spieler von Kadetten Schaffhausen wurden gestern positiv auf das Coronavirus getestet und haben vor der Abfahrt an den Flughafen davon erfahren. Schelker und Maros sind symptomfrei und könnten möglicherweise nach Ägypten nachreisen, falls ein zweiter Covid-19-Test negativ ist.
Macht am Ende dichter Schneefall etwa einen Strich durch die Rechnung? Eigentlich sollten die Schweizer Handballer um 8 Uhr abheben. Doch Flug MS3091 muss wegen des Winterwetters zunächst auf dem Boden bleiben.
Rund zwei Stunden verspätet kann die Maschine endlich abheben. Dabei war es schon ein Wettlauf gegen die Zeit, bis die Delegation des Schweizerischen Handballverbands überhaupt in diesem Flieger nach Kairo sass. Erst seit vorgestern Abend um 22 Uhr weiss die Nati, dass sie für die von Coronafällen geplagten USA an die WM nachrücken kann.
«Es war gewaltig, was es alles zu machen gab. Ich habe zwei, drei Stunden geschlafen, aber für eine WM macht man das natürlich gerne», sagte Leistungssportchef Ingo Meckes. Seine Herausforderung war es, in einer Nacht all das zu organisieren, für das normalerweise zwei, drei Monate Zeit bleibt.
Knapp vier Stunden dauerte der Flug, der sicher für ein Nickerchen genutzt wurde, sofern es die Aufregung zuliess. Nach der Landung in Kairo – Sonnenschein und angenehme 20 Grad – absolvierten Spieler, Betreuer und Funktionäre einen Corona-Schnelltest.
Danach war der Transfer an den Spielort, die Stadt des 6. Oktobers, vorgesehen. Die Pyramiden von Gizeh sahen die Spieler höchstens aus der Ferne, für Sightseeing blieb keine Zeit. Im WM-Quartier, das für die USA vorgesehen war, war zunächst der Hotelbezug geplant, dann das Einnehmen einer Mahlzeit und die Fahrt in die Halle. Klar war von Anfang an, dass der ohnehin enge Zeitplan nochmals enger wurde durch die Verspätung beim Abflug. Zumal die ägyptische Hauptstadt für ihr Verkehrschaos gefürchtet ist.
Die Mannschaft meldete sich von unterwegs, sie kam gut voran. Der Car wurde von der Polizei eskortiert. «Wir haben schon vieles zusammen erlebt, sind zusammengewachsen. Wir machen unser eigenes grosses Erlebnis daraus», kündigte Nationaltrainer Michael Suter vor der Abreise an.
Tatsächlich geschafft! Die Schweizer Nati hat die Halle erreicht, in welcher sie in rund eineinhalb Stunden im Einsatz stehen wird.
Nach dieser Hauruckübung steht das WM-Startspiel auf dem Programm. Die Partie gegen Österreich hat wegweisenden Charakter, ist bereits eine Art Final. Denn in jeder Vierergruppe schaffen es die ersten drei Teams in die Hauptrunde, und die anderen Gegner Norwegen und Frankreich gelten als Handball-Grossmächte.
Die Österreicher geben offen zu, dass sie lieber gegen die Amerikaner gespielt hätten. «Man darf nicht lügen, ein ‹Exote› wie die USA ist etwas anderes als eine gefestigte Mannschaft wie die Schweiz», sagte Sportdirektor Patrick Fölser. Zwei Österreicher kennen viele Gegner besonders gut, Lukas Herburger und Sebastian Frimmel von den Kadetten Schaffhausen. «Man darf nicht glauben, dass nur Andy Schmid Handball spielen kann», warnte Frimmel seine Kollegen, «die Schweizer haben sich gut weiterentwickelt.»
Die letzten vier Begegnungen gingen alle an Österreich, das vergangene Woche noch zwei EM-Qualifikationsspiele gegen Deutschland bestritt und trotz klarer Niederlagen wenigstens im Spielrhythmus ist. Doch dem Nachbarn fehlen wichtige Spieler, darunter der verletzte Star Nikola Bilyk vom Champions-League-Sieger THW Kiel. So betonte der Schweizer Nationaltrainer Suter: «Ich erwarte ein Duell auf Augenhöhe.»
Auch er muss auf Akteure verzichten, nicht nur auf die positiv getesten Schelker und Maros. Dimitrij Küttel ist an Krebs erkrankt und Kreisläufer Lucas Meister ist verletzt. Es sind Absenzen, die schwer wiegen, doch der 46-jährige Suter ist Pragmatiker: «Im Handball fehlen immer Spieler.»
Ob es die Schweiz rechtzeitig in die Halle geschafft hat und wie sie sich gegen Österreich schlägt, siehst du live auf TV 24. Der Sender überträgt die drei Vorrundenspiele der Nati ebenso wie ausgewählte weitere WM-Partien und den Final.