Klar, ein paar Titel in dieser Liste sind offensichtlich. Wieder andere, die offensichtlich wären, wurden weggelassen. Es handelt sich um eine Auswahl an Nicht-Hollywood-Klassikern, die noch weit ausgeführt werden könnte. Zum Beispiel in der Kommentarspalte.
Kleine Notiz vorweg: Filme in chronologischer Ordnung, nach Erscheinungsjahr. Und ja, es hat Schwarz-Weiss-Filme dabei. Aber keine Angst, die können trotzdem was.
Fritz Lang lässt in seinem Film einen Kindermörder verfolgen. Anfänglich rätseln die Bewohner, wer dahinter steckt, ehe der Täter identifiziert und schonungslos gejagt wird. Zum einen stellen sich im Verlaufe des Films zahlreiche moralische Fragen, die teils bis heute prekär sind. Zum anderen besticht der Film durch eine ausgefeilte Erzählstruktur und zeigt einen Peter Lorre in schauspielerischer Höchstform.
Essenz: Ein Thriller, der nicht brüllen muss, um laut zu sein.
Den ganzen Film kannst du hier schauen.
Jean Renoir lässt ein Liebeswirrwarr in den Sphären der Bourgeoisie ausbrechen, getränkt von Eifersucht, Rivalität und Gewalt. Gesellschaftskritik mit Stil und Unterhaltungswert. Im Streben nach Ehre und Prestige wird der bürgerliche Mangel an Mitgefühl und Menschlichkeit immer offensichtlicher.
Essenz: Eine einmalige filmische Erzählung, die unterhält und deren Details mehr Fleisch an den Knochen bringt als so manche der heutigen Filmreihen.
Nicht ganz leichter Filmstoff, geliefert von Roberto Rossellini. Gedreht in den Ruinen Berlins, wird in diesem Film das Leben des Jungen Edmund im unmittelbaren Nachkriegsdeutschland porträtiert. Seinen schwer kranken Vater durchzufüttern wird zusehends schwierig. Und schnell stellt sich die Frage: Lohnt es sich überhaupt?
Essenz: Eindrückliches Kino, für alle die, die wissen wollen, wie es nach den Blockbuster-Explosionen weitergeht.
Den ganzen Film kannst du hier schauen.
Hier könnte auch «Die Sieben Samurai» stehen, doch stattdessen sei auf das frühere Werk von Akira Kurosawa verwiesen. Auf drei Handlungsebenen angesiedelt, stellt sich hier prinzipiell die Frage nach einer objektiven Wahrheit. Ein grausamer Überfall wird anhand von vier Zeugenaussagen rekonstruiert, wobei vier Versionen entstehen.
Essenz: Höchst philosophisch, ungemein ästhetisch und irgendwie immer noch aktuell.
Den ganzen Film kannst du hier schauen.
Obwohl es diesem Film eindeutig nicht an breiter Bewunderung mangelt, sei Jean-Luc Godards Meisterwerk hier dennoch genannt. Filmtechnisch, sowie filmästhetisch eine Wucht, erzählt er die Geschichte eines Kleinganoven, der sich in eine Amerikanerin verliebt, die ihm Unterschlupf gewährt.
Essenz: Herrliche Mini-Plot-Twists und scharfkantige Dialoge. Intensiv, gewitzt und charmant; die Nouvelle Vague von ihrer besten Seite.
Der spätere Hollywood-Regisseur Roman Polanski setzte mit diesem Film (dt.: «Das Messer im Wasser») ein erstes internationales Ausrufezeichen. Die Geschichte dreht sich um ein in ihrer Beziehung festgefahrenes Paar, das einen Unbekannten mit auf einen Segel-Törn mitnimmt. In diesem triangulären Mikrokosmos entspinnt sich zusehends ein Netz der Begierde und der Eifersucht.
Essenz: Dass es für grosses Kino, Spannung und Unterhaltung keine überproduzierte Starbesetzung braucht, ist mit diesem Film mehr als bewiesen.
Einer der grossartigsten italienischen Regisseure, Federico Fellini, schrieb sich mit diesem Film definitiv in die Annalen der Filmgeschichte ein. Sein (vermeintlicher) Alter Ego, Regisseur Guido, hadert in diesem Streifen an allen Fronten mit seinem Leben und flüchtet sich immer wieder in Illusionen und Rückblenden. Es entzündet sich ein karnevaleskes Feuerwerk, das sich in seiner Gestalt letztlich als Liebeserklärung ans Leben lesen lässt.
Essenz: Ein sehr feiner, tröstender Film, der die Zuschauer geschickt darauf aufmerksam macht, wie unbedeutend wir doch sind.
Der in der British New Wave zustande gekommene Film von John Schlesinger dreht sich um einen jungen Filou, der sich schlitzohrig durchs Leben mogelt, ohne dabei zu wissen, was er genau will. Steht er in der Realität wieder mal an, flüchtet er sich in wahnwitzige Alltagsillusionen.
Essenz: Obwohl zeitweise derb unterhaltsam, haftet dem Film ein melancholischer, ja tragikomischer Unterton an.
Der legendäre Jacques Tati schickt seine Filmfigur «Monsieur Hulot» in ein futuristisch anmutendes Paris. Hochhaussteppen und Bürokomplexe, soweit das Auge reicht, und diverse komische Begegnungen mit der Grossstadtbevölkerung, die den liebenswert naiven Monsieur Hulot verstören.
Essenz: Die nicht imitierbare Situationskomik Tatis, sowie der bittere Tropfen Wahrheit in der Gesellschaftskarikatur machen diesen Film zu einem sehr sehenswerten Zeitzeugnis.
Dass die tschechoslowakische Politik dieser Zeit nicht gerade als liberal einzustufen ist, ist kein Geheimnis. Jaromil Jireš' Film (dt.: «Der Witz») handelt von einem harmlosen politischen Witz von Protagonist Ludvík, der viel zu hohe Wellen schlägt, was diverse ironisch-komische Handlungen aller beteiligten Figuren zur Folge hat.
(Natürlich wurde der «harmlose» Film vom kommunistischen Regime rund 20 Jahre verboten.)
Essenz: Eine geistreiche Auseinandersetzung mit grotesk anmutenden Hierarchien, sowie dem Konzept der Kameradschaft.
Etwas leichter ist hingegen die DDR-Romanze von Heiner Carow. Die erwartbar komplizierte Affäre zwischen Paul und Paula gleicht einer Achterbahnfahrt, angetrieben von Unentschlossenheit und Hingabe. Dazu authentischer DDR-Pop und eine andauernde narrative Gratwanderung zwischen Poesie und Alltagsbanalität.
Essenz: Eine ziemlich andere Liebesgeschichte mit markanten Hauptdarstellern, spielend in einem Berlin, bevor es cool war.
Der Spanier Carlos Saura wagt sich mit diesem Film (dt.: «Züchte Raben ...») an eine bitterböse Gesellschaftsanalyse von Spanien gegen Ende der Franco-Diktatur. Die Tochter eines Offiziers glaubt ein Päckchen Gift zu horten, mit dem sie scheinbar alle umbringen kann, die ihr missfallen. So auch ihr untreuer Vater. Das Mädchen baut sich eine eigene Welt um sich auf, im Glauben, Macht über Leben und Tod zu haben.
Essenz: Die unterschwellige Symbolik, das perfide Drehbuch, die schauspielerische Leistung und die einzigartige Atmosphäre – dieser Film ist ein Muss.
Klaus Kinski + Werner Herzog + Dschungel =
Abgesehen von diesen legendären Szenen, kommt dieser Film einem Monumentalwerk gleich. Grössenwahnsinn in ihrer wahnsinnigsten Ausprägung – und das im Dschungel. Werner Herzogs Erzählung vom Unmöglichen und Unsinnigen ist ein Genuss und zeigt auf, wie sich der menschliche Trieb nach Grösse so in der Natur macht.
Essenz: Ein eindrücklicher, grandioser Film, der leider von seiner Entstehungsgeschichte in den Schatten gestellt wird.
Den ganzen Film kannst du hier schauen.
Vergesst «Slum Dog Millionaire». Echt jetzt. Stattdessen lieber diesem Film (dt.: «Der Läufer») von Amir Naderi eine Chance geben. Der Slum-Junge Amiro verdient sein Geld auf Müllkippen und bei sonstigen Drecksjobs, ohne dabei je seine Menschlichkeit zu verlieren. Immer mit dem Traum der grossen Welt vor Augen und wissend, dass einem nichts geschenkt wird, sondern alles eine Frage des Willens und des Wollens ist.
Essenz: Fantastische Bilder und eine kleine Allegorie auf das Kind-Sein. Mit Herz und Seele «gespielt» von Strassenjungen.
Den ganzen Film kannst du hier schauen (leider in schlechter Qualität, dafür mit Untertiteln).
Ironie ist eine schwierige Sprache und es scheint als spräche sie Henri Duparc fliessend. Mit feinem Humor lässt er in seinem Film (dt.: «Liebe, Sex und Ananas») den Harem des Protagonisten Demi-Dieu von einer sechsten Frau aufmischen. Nichts mit schalen Witzen, dafür eine bissige Pointe nach der anderen.
Essenz: Eine leichtere, fröhlichere Version des Neorealismus und eine Hommage an das stärkere Geschlecht – aber welches nur?
Es muss nicht immer ein hipper Indie-Streifen sein, um tolle Schwarz-Weiss-Bilder und eine hochqualitative Filmmusik zu sehen (Ja, ich meine dich, «Inside Llewyn Davis»!). Béla Tarr nimmt sich mit diesem Film (dt.: «Verdammnis») einem unbedeutenden Mann in einem unbedeutenden Dorf an, der versucht seinem Leben einen Sinn zu geben.
Essenz: Zwielichtige Gestalten, skurrile Angebote und ein Anti-Held, der es gut machen will. Als ob Béla Tarr Vater der Coen-Brüder wäre.
Japan und die Mafia, das passt. Aber so wurde sie noch nie gezeigt. Takeshi Kitano erzählt die Geschichte von Murakawa, einem erfolgreichen Yakuza-Mitglied, der, angeödet von der Monotonie des Gangster-Geschäfts, irgendwie lebensmüde wird. Eine dramaturgische Konstellation, die viel Potential bietet, welches restlos ausgeschöpft wird.
Essenz: Ein Film, wie ein Theaterstück Molières. Ein wenig tragisch, ziemlich komisch und mit jedem Mal Schauen besser.
Wong Kar Wei ist mittlerweile ein gängiger Name in unseren Breitengraden. Dass er künstlerisch begnadet ist, war auch zuvor kein Geheimnis. Gerade in seiner filmischen Skizze über zwielichtige Gestalten in Hongkongs Nachtwelt kommt dieser Zug zum Tragen. Autorenkino auf asiatisch.
Essenz: Ein pulsierender Film, der einen Strudel erzeugt, dem man sich nicht entziehen kann.
Den ganzen Film kannst du hier schauen.
Es mag nun wirken, als verteufle ich die heutigen Filme. Weit gefehlt. Aber ein wenig Vielfalt hat noch nie geschadet.