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5 Brettspiele, die richtig toll aussehen, aber spielerisch enttäuschen

Lass dich nicht täuschen! Diese 5 Spiele sind nicht so toll, wie sie aussehen

«Bunny Kingdom».Bild: Tom Felber
De Ohrfiige na
Monatelang hat man sich riesig auf das neue Brettspiel gefreut, das mit Thema, Materialfülle und Grafik prahlt. Dann spielt man es, und es ist nur so-la-la.
29.04.2018, 19:1401.05.2018, 14:52
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Meine Kollegin Lea nennt diese Spiele «Uuuhh-uuuhh»-Spiele: Sie stecken in grossen Schachteln, und wenn man den Deckel zum ersten Mal lupft, sitzt man mit offenem Mund davor, schnappt nach Luft und macht nur noch «Uuuhh-uuuhh» wie ein kleiner Bub vor dem Feuerwehrauto.

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Bild: Giphy

Man staunt ob der Materialfülle, meistens hat es coole Figürli darin, und man fühlt sich dem Drang, sofort loszuspielen, hilflos ausgeliefert. Doch schon in der ersten Partie platzt ein Gefühl im Hinterkopf wie eine Seifenblase: Die Spiele halten nicht, was ihr Auftritt versprochen hat.

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Bild: giphy

An der Nürnberger Spielwarenmesse hat mir zwar ein Verlags-Redaktor gesagt, ich soll nichts Negatives mehr über Spiele schreiben. Das sei nicht fair. Es stecke so viel kreative Arbeit in jedem einzelnen Spiel. Und alle Leute, die im Entstehungsprozess involviert seien, gäben doch nur ihr Bestes.

Das ist mir durchaus bewusst. Dasselbe gilt allerdings auch für Filme, Bücher, Musik, Theater und die Gastronomie. Und auch wenn jeder, der etwas erschafft, über jedem steht, der kritisiert. Mein Job ist es eben, zu kritisieren.

Mein Vorbild ist dabei letztlich auch der Spieleladen meines Vertrauens, der zwar vom Spieleverkauf abhängig ist, aber trotzdem sein Schaufenster  ab und zu mit Spielen ausstaffiert, die man unbedingt nicht kaufen sollte.

«Charterstone»

Charterstone Spielmaterial
Das Spielbrett wird beklebt und beschriftet.Bild: Tom Felber

Okay, ich gebe es zu: Auch ich habe mich blenden lassen und dieses Legacy-Spiel hier schon einmal mit viel Vorschuss-Lorbeeren als Weihnachts-Tipp vorgestellt. Mittlerweile habe ich mich allerdings durch alle zwölf notwendigen Partien einer Kampagne gekämpft und bin schlauer geworden.

In «Charterstone» produzieren die Spieler in einem Dorf Ressourcen, errichten neue Gebäude, die als Aktionsfelder von allen genutzt werden können und kreieren dadurch ein immer komplexeres Wirtschaftssystem. Ständig werden die Regeln und der Spielplan verändert, es werden Sticker aufgeklebt, Karten beschriftet, Boxen mit neuem Material geöffnet. Das hätte durchaus Potenzial.

Warum es dann doch nicht so toll ist

Eine atmosphärische Hintergrundgeschichte kommt überhaupt nicht zum tragen. Das Mechanistische überwiegt. Das Spiel erfordert einen hohen administrativen Aufwand, ist mit Mechanismen und neuen Regeln völlig überladen. Zudem gibt es fast keinerlei ausgleichende Spielbalance.

Ungefähr so fühlt sich das an:

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Bild: Giphy

Wer in Partie vier eine effiziente, überlegene Strategie aufgebaut hat, kann diese auch in allen nächsten Partien problemlos durchziehen, ohne dass die anderen ihn daran hindern und ausbremsen können. Die Guten werden besser, die Hintenliegenden bleiben hinten. Es mangelt  zudem an Interaktion. Letztlich spielt jeder für sich und versucht einfach, sein Ding redundant durchzuziehen. 

Worker-Placement-Legacy-Spiel von Jamey Stegmaier für 1 bis 6 Spieler ab 14 Jahren, etwa 60 Minuten pro Partie. Feuerland-Spiele, etwa 90 Franken. 

«Bunny Kingdom»

Bunny Kingdom Schachtel
Bild: iello

Richard Garfield? Das ist doch der Mann der das epische Sammelkartenspiel «Magic the Gathering», aber auch Brettspiel-Klassiker wie «Robo Rally» erfunden hat. Da muss doch einfach gut sein, was aus seiner Küche kommt.

Und dann sind da noch so viele, viele (144!) wahnsinnig herzige Häschen in der Schachtel drin. Die Nager sollen neue Welten erobern, die Kontrolle über Gebiete übernehmen, Städte errichten und Ressourcen produzieren. Der Erfolgreichste darf sich zum Ende der Partie «Langohr» nennen. 

Warum es dann doch nicht so toll ist

Das Spiel täuscht taktische Entscheidungsmöglichkeiten vor, wo letztlich einfach nur Glück über das Schicksal bestimmt. Dafür muss aber ein unglaublicher Verwaltungsaufwand betrieben werden. Einige seltene Luxus-Ressourcen, die man zufällig bekommt, haben viel zu starke Auswirkungen auf den Spielverlauf.

Und du so:

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Bild: Giphy

Das Spiel leidet zudem unter dem Frontrunner-Problem. Wer schon am Anfang starke Gebiete hat, wird immer stärker und kann nicht mehr eingeholt werden. Das Handling ist fummelig, der Spielplan zu klein und zu unübersichtlich und die Auswertungsphasen sind mühsame Rechen-Orgien. Niedliche Häschen fühlen sich anders an. 

Aufbauspiel mit Karten und Hasen von Richard Garfield für 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahren, ca. 45 Minuten, iello, ca. 60 Franken.

«Photosynthese»

Photosynthese Spielmaterial
Bild: Blue Orange

Auch dieses Spiel ist ein echter Hingucker! 56 dreidimensionale Bäume (zwar nur aus Karton) schinden schon einmal mächtig Eindruck beim Betrachter. Da entsteht ein richtiger Wald auf dem zentralen Spielplan.

Bäume werden mittels Samen angepflanzt, wachsen und müssen, wenn sie gross genug sind, wieder gefällt werden. Dabei spielen Sonnenstand und Schattenwurf eine entscheidende Rolle, denn nur Bäume, die nicht von anderen beschattet werden, werfen Erträge ab.  

Warum es dann doch nicht so toll ist

Das Spiel ist wenig vergnüglich, eher pure Arbeit und so trocken wie ein vergessen gebliebener Christbaum im März. Es handelt sich um ein knallhartes Positionsspiel. Vor allem, wenn Grübler am Tisch sind, kann es sich unendlich, repetitiv und ohne Höhepunkte hinziehen.

Ja, genau wird es sein:

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Bild: Giphy

Meistens werden einzelne Mitspieler schon sehr früh abgehängt und sind dann dazu verdammt, völlig chancenlos gefühlt ewig weiter zu machen. Die Regeln klären nicht über alle möglichen Streitfälle auf. Völlig unnötig, seltsam und konstruiert wirken zudem die individuellen Spielertableaus. Es ergibt auch spielerisch überhaupt keinen Sinn, dass die Bäume dort zwischengelagert werden müssen, sondern macht alles nur komplizierter. 

Bäume pflanzen, gross ziehen und fällen von Hjalmar Hach für 2 bis 4 Spieler ab 8 Jahren, 45 bis 60 min, Asmodee/Blue Orange, etwa 50 Franken. 

«Der Pate: Corleones Imperium »

Der Pate Brettspiel Schachtel
Bild: Asmodee

Für Leute, die gerne und regelmässig Brettspiele spielen, galt lange eine goldene Regel: Spiele zu Lizenzthemen wie Filme oder Fernsehserien waren meistens nicht so toll, weil der Verkauf primär über das Thema und nicht über ein ausgewogen entwickeltes Spielsystem generiert werden sollte.

Ein paar Herr-der-Ringe- und Ken-Follet-Titel haben diese Regel aber mittlerweile unzuverlässig gemacht. Deshalb durfte man auf das aufwändig gestaltete, neue Brettspiel zu «Der Pate» gespannt sein.

Im New York der 1950er Jahre versuchen die Spieler mit Erpressung, Schiessereien und Schmiergeldern ihre Gebietsansprüche durchzusetzen. Zum «Uuuhhh-Uuhhh»-Material gehören unter anderem fünf kleine Metallkoffer und 34 individuell geformte Spielfiguren. 

Warum es dann doch nicht so toll ist

Okay. Das Mafia-Leben ist brutal. Was diesem Spiel völlig abgeht, ist eine ausgeklügelte Balance. Das Spiel ist total unfair und ungerecht. Wer Pech hat, wird schon früh derart dezimiert oder gar weggefegt, dass er bis zum Rest der Partie wenig Chancen hat, wieder aufzuholen.

Tja ...

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Bild: Giphy

Zudem dauert das Spiel, für das was es bietet, einfach viel zu lange. Ein Partie kann sich sehr redundant wie Kaugummi, durchaus auch über mehrere Stunden, hinziehen, ohne dass man noch gross etwas entscheidend beeinflussen kann.  

Mafiaspiel von Eric M. Lang für 2 bis 5 Spieler ab 14 Jahren, ca. 60 bis 90 min, Asmodee/CoolMiniorNot, ca. 110 Franken.

Was ist das «Frontrunner-Problem»? Mehr dazu hier:

«Das Fundament der Ewigkeit»

Fundament der Ewigkeit, Spielaufbau
Bild: Kosmos

Die ersten beiden Teile waren eine Wucht: Schon Ken Folletts Romane «Die Säulen der Erde» und «Die Tore der Welt» wurden im Kosmos-Verlag zu zwei hervorragenden Spiele-Erlebnissen umgesetzt. Deshalb durfte man sich letzten Herbst durchaus auch auf den dritten Teil der Spiele-Trilogie «Das Fundament der Ewigkeit» freuen, der (anders als seine beiden Vorgänger) gleichzeitig mit dem Roman veröffentlicht wurde.

Im Spiel versucht man als Angehörige einflussreicher Adelsfamilien zur Zeit von Elisabeth I. in England, Frankreich, Spanien und den Niederlanden im Gerangel der verschiedenen Konfessionen Macht und Einfluss zu erlangen. 

Warum es dann doch nicht so toll ist

Es ist, als würde man dem Spiel anmerken, dass es unbedingt auf den Veröffentlichungstermin des Romans hin produziert werden musste. Es wirkt unfertig, nicht ganz rund und unausgereift.

Ungefähr so durchdacht ist das Spiel:

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Bild: Giphy

Das Spiel nutzt viele durchaus sehr interessante Elemente, irgendwie wollen die dann aber in der Komposition nicht richtig harmonisch zusammenpassen. Das Spielvergnügen wird durch einen hohen Verwaltungsaufwand und immer stärkere Zwänge, welche die Planungsmöglichkeiten stark eindämmen und die Spannung strapazieren, getrübt.

Auch das Geplänkel um die Konfessionszugehörigkeiten wirkt konstruiert und kommt nicht wirklich zur Entfaltung. Schade drum. 

Aufbauspiel von Michael Rieneck für 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahren, ca. 90 min, Kosmos, ca. 60 Franken

Habt ihr mit anderen Spielen schon ähnliche Erfahrungen gemacht? Schreibt es in die Kommentare.
Tom Felber ist ...
... der Vorsitzende der internationalen Kritiker-Jury «Spiel des Jahres» und veröffentlicht seit 1985 Spiele-Rezensionen in verschiedenen Medien. Er stellt hier für uns regelmässig neue Brett- und Kartenspiele vor.
Bild
bild: zvg
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4 Kommentare
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Fuck you, Finn!
Valentina ist verliebt. Nicht in mich. In Finn. Der Loser der Situation: ich.

Valentina war endlich wieder Single. Also, sie war immer Single, aber eine Weile gab's ja neben mir noch einen anderen Typen, Marcel. Dass es Marcel gab, fand ich nicht gut, aber ich durfte es natürlich nicht «nicht gut» finden, weil, Valentina und ich haben ja keine monogame Beziehung, wir haben gar keine Beziehung, was wir beide gut finden, aber wir haben auch nicht nichts, was auch gut ist, aber wenn dann da noch so ein Horst, respektive Marcel, ist, dann ist, was wir haben, natürlich bisschen weniger gut. Aus verschiedenen Gründen. Sie war öfter, wenn ich sie treffen wollte, «busy». Was sie machte, sagte sie nie, musste sie auch nicht, wusste ich eh: Marcel. Sie war auch eher mal «zu müde». Warum, war mir ebenfalls klar. Ich fand die Situation, je länger sie gedauert hat, nicht besser, aber ich habe mich damit abgefunden.

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