Am Montagmorgen war es genug. Seit Mai war der Name von Martin Waser, Präsident des Spitalrates des Universitätsspitals Zürich, in fast 200 Zeitungsartikeln vorgekommen: «Martin Waser nimmt Stellung», «Waser räumt Fehler ein», «Waser stellt klar». Nun, die neuste Variation: «Martin Waser tritt zurück». Der 66-Jährige ist aufgrund zahlreicher Skandale des Unispitals seit über einem halben Jahr in der Defensive. Die Zürcher Gesundheitsdirektion schreibt von einem «Reputationsschaden für das Universitätsspital».
Mit dem Rücktritt werde die Voraussetzung geschaffen, dass sich das USZ ganz auf die enormen Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft konzentrieren könne, wird Waser in der Medienmitteilung zitiert.
Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» verneinte Waser allerdings, dass er wegen Missständen zurücktrat. Er sprach lediglich über die hohe Belastung und seine Herzprobleme. Und er sagte: «Aus der Politik hat niemand meinen Rücktritt gefordert.»
Das mag im Wortsinn stimmen. Und ist trotzdem nur die halbe Wahrheit. Gemäss gut informierten Quellen machte Regierungsrätin Natalie Rickli (SVP) schon seit längerem Druck. Gegenüber dem Spitalrat habe Rickli «Klartext» geredet.
Schon Ende Mai sagte sie in einem Interview überraschend deutlich: «Die Hauptverantwortung für das Spital trägt der Spitalrat mit seinem Präsidenten Martin Waser.» Der Rat habe seine Verantwortung nicht genügend wahrgenommen.
Waser blieb im Amt – vorerst. Eine Woche zuvor hatten die Tamedia-Zeitung publik gemacht, dass der Klinikdirektor der Herzchirurgie, Francesco Maisano, Studien geschönt habe zu Implantaten von Firmen, an denen er selbst Aktienoptionen besass. Der Spitalrat stellte sich demonstrativ hinter Maisano – und setzte damit auf ein totes Pferd.
Denn noch vor Wochenfrist beurlaubte das Spital den Klinikdirektor. Für drei Wochen, hiess es zunächst, später für unbestimmte Zeit.
Das Spital kündigte ausserdem dem Chirurgen, der die Misstände intern angeprangert hatte, weil das Vertrauensverhältnis «zerrüttet» sei. Im Juni nahm das Unispital die Kündigung dann plötzlich wieder zurück. Der Chirurg durfte wieder arbeiten, nur um kurze Zeit später erneut entlassen zu werden.
Währenddessen kamen weitere Vorwürfe gegen Maisano ans Licht, etwa dass er gegenüber Swissmedic falsche Angaben gemacht habe, und Patienten nicht genügend aufgeklärt worden seien. Maisano bestritt die Vorwürfe stets. Es kam zu Strafanzeigen und Drohungen von Gegenklagen. Den Sommer über tobte ein Kampf um die öffentliche Meinung, den Maisano unter anderem mit einem 100-seitigen Gutachten einer teuren Anwaltskanzlei ausfocht.
Im September einigten sich die Parteien dann plötzlich. Maisano bekam eine Abgangsentschädigung und ging im gegenseitigen Einvernehmen. Das Unispital «bedauerte» in der Medienmitteilung eine «gegen ihn gerichtete Medienkampagne». Es hätte das Ende der Geschichte sein können.
Doch das war es nicht. Laut den Tamedia-Zeitungen vom letzten Freitag rechneten die Herzchirurgie des Unispitals über eine Million Franken für interdisziplinäre Arztgespräche ab, die teils äusserst zweifelhaft sind. So war ein Arzt zum Beispiel im Ausland, als er laut Rechnung in der Klinik Gespräche führte. Eine Untersuchung des Spitals dazu läuft. Möglich ist, dass der Fall bei der Staatsanwaltschaft landen wird. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Die Affäre Maisano war für das Unispital der Public-Relations-Albtraum schlechthin. Aber bei weitem nicht der einzige: Ebenfalls im Mai kam in der «NZZ am Sonntag» aus, dass sich ein Zahnchirurg Patienten zugeschanzt haben soll, indem er sie systematisch in seiner Privatpraxis auf eigene Rechnung behandelte, während das Unispital die Aufwände bezahlte. Und ein Gynäkologe soll sich jahrelang für Operationen eingeschrieben haben, ohne sie wirklich selbst durchzuführen. Er bestritt die Vorwürfe, verliess das Unispital aber kurz darauf. Aus gesundheitlichen Gründen, wie es hiess.
Nun geht auch Waser. Aber nicht sofort. Der frühere Zürcher SP-Stadtrat verlässt den Spitalrat per Ende Juni 2021. Genau wie der Vizepräsidenten des Spitalrates, Urs Lauffer, und das Ratsmitglied Annette Lenzlinger.
Einer fehlt aber auf dieser Rücktrittsliste. Spital-CEO Gregor Zünd. Er stand zusätzlich in der Kritik, nachdem bekannt wurde, dass er von der öffentlichen Hand zwei volle 100-Prozent-Löhne erhält. Einen als CEO des Spitals und einen als Professor an der Universität. Zünd bleibt an der Spitze des Spitals. In Stein gemeisselt scheint das nicht. Schliesslich kann der neue Spitalrat einen eigenen Direktor berufen – wenn er Zünd nicht für geeignet hält.
Ich habe gelesen, dass er bereits 66 Jährig ist, damit im Pensionsalter. Und meiner Meinung nach ist das Grund genug, den Platz zu räumen für eine Jüngere oder einen Jüngeren.
Es ist nicht nötig, dass er bleibt "weil keine passende Nachfolgerin" oder ähnlich zu finden ist. Das wäre Selbstüberschätzung.