Schweiz
Zürich

So viel könnte der Streit über Regierungsrat Mario Fehr die Zürcher SP kosten.

Mario Fehr, Regierungsrat des Kantons Zürich, mit einer Python Schlange in Ouidah am Donnerstag, 13. Juli 2017, anlaesslich des offiziellen Auslandbesuchs von Bundespraesidentin Doris Leuthard in Ghan ...
Wird er nochmals nominiert oder zieht sich die Schlinge um seinen Hals zu? SP-Regierungsrat Mario Fehr mit einer Phython um den Hals während eines Auslandbesuchs in Benin 2017. Bild: KEYSTONE

Sägt die Zürcher SP ihren Regierungsrat ab, kostet sie das rund 30'000 Franken

Am nächsten Dienstag entscheidet die SP des Kantons Zürich, ob sie den umstrittenen Regierungsrat Mario Fehr nochmals zu den Wahlen antreten lässt. Wird Fehr nicht aufgestellt, droht der Partei nicht nur ein Sitzverlust – sondern auch der Wegfall eines stolzen Beitrags für die Parteikasse.
28.05.2018, 08:5828.05.2018, 15:39
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Es dürfte eine turbulente Veranstaltung werden: Am Dienstagabend treffen sich die Delegierten der Zürcher SP im Volkshaus im Kreis 4 zur ausserordentlichen Delegiertenversammlung. Einziges Traktandum des Abends: Die Nominationen für die Regierungsratswahlen 2019.

Während die dem linken Parteiflügel zugeordnete Justizdirektorin Jacqueline Fehr die Nomination problemlos schaffen dürfte, muss der nicht mit ihr verwandte Sicherheitsdirektor Mario Fehr zittern. Möglich, dass ihm die Partei eine dritte Amtszeit verwehrt. Für viele Parteimitglieder vom linken Flügel der Basis, für die Juso und einen beträchtlichen Teil der Stadtzürcher SP ist Fehr ein rotes Tuch.

Das von der Parteispitze gewählte Vorgehen ist ungewöhnlich. Den Delegierten werden nicht wie üblich die amtierenden Regierungsräte, die beide weitermachen wollen, zur Wiederwahl empfohlen. Stattdessen kommt es zu einer offenen Debatte mit anschliessender Abstimmung. Damit will das Co-Präsidium aus Priska Seiler Graf und Andreas Daurù das Verhältnis der Partei zu Mario Fehr ausdiskutieren lassen, sagten die beiden dem Tages-Anzeiger. Man verzichte bewusst auf eine Empfehlung.

SP erhebt progressiv ansteigende Mitgliederbeiträge

Wird Mario Fehr nicht nominiert, tritt er möglicherweise als Parteiloser zu den Wahlen im nächsten Frühjahr an – mit sehr guten Chancen. Fehr ist in der Bevölkerung beliebt. 2015 wurde er mit dem zweitbesten Ergebnis in den Regierungsrat wiedergewählt, 2011 gelang dem damaligen Nationalrat als Neuling gar auf Platz 1 der Sprung in die Regierung. Bei einer unabhängigen Kandidatur von Mario Fehr dürfte es für die SP schwierig werden, ihren zweiten Sitz in der Regierung zu verteidigen.

Das hätte auch finanzielle Konsequenzen. Die wichtigste Einnahmequelle der SP sind ihre Mitglieder. Neben dem ordentlichen Mitgliederbeitrag zahlen Sozialdemokraten ihrer Partei einen so genannten Parteiausgleichsbeitrag (PAB). Dieser steigt wie bei einer progressiven Steuer mit der Höhe des steuerbaren Einkommens an. Wer als Mandatsträger sein Einkommen aus einem politischen Amt bezieht, muss einen um 30 Prozent höheren PAB entrichten.

Als Zürcher Regierungsrat verdient Mario Fehr gemäss NZZ 325’000 Franken im Jahr. Daraus ergibt sich laut Reglement theoretisch ein Parteiausgleichsbeitrag von 31’784 Franken. Effektiv dürfte Fehrs Zustupf in die Parteikasse tiefer liegen, da dank Abzügen wahrscheinlich nicht sein gesamter Lohn unter das steuerbare Einkommen fällt. Über die genaue Höhe von Mario Fehrs Beitrag will die SP auf Anfrage von watson keine Angaben machen. Eine stolze Summe ist es aber auf jeden Fall.

Im Rechnungsjahr 2017/18 weist die SP Erträge von 1’721’459 Franken aus. Der Wegfall von Fehrs Mitgliederbeitrag dürfte sie im Fall einer Nicht-Nomination also weniger schmerzen als der allfällige Verlust an politischem Einfluss, sollte sie den zweiten Regierungssitz verlieren.

Unmut über repressive Asylpolitik 

Die Chemie zwischen Fehr und Teilen seiner Partei ist schon lange gestört. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, eine repressive Asylpolitik zu betreiben. Ausserdem eilt Mario Fehr der Ruf voraus, ausgesprochen sensibel auf Kritik zu reagieren. 2015 liess er seine Mitgliedschaft in der SP zwischenzeitlich sistieren und nahm nicht mehr an den Fraktionssitzungen teil.

Der Auslöser: Die Juso hatte Strafanzeige gegen Fehr eingereicht. Sie zeigte sich empört über den Kauf der Überwachungssoftware «Galileo», eines sogenannten Staatstrojaners. Die Juso sprach von einer «Schnüffel-Software» und witterte «Rechtsbruch». Diesen Kauf hatte Fehr als Zürcher Sicherheitsdirektor abgesegnet.

SP-Chef Levrat stärkt Fehr den Rücken
In einem Interview mit dem Tages-Anzeiger hat sich Christian Levrat, Präsident der SP Schweiz, am Samstag für eine erneute Nomination von Mario Fehr ausgesprochen. Die SP sei eine Volkspartei, in der sehr unterschiedliche Persönlichkeiten Platz haben: «Mario Fehr gehört zu uns». Die Spannungen zwischen Mario Fehr und Teilen der Basis «haben mit den unterschiedlichen Rollen zu tun, die unsere Mitglieder wahrnehmen». Exekutivpolitiker wie Fehr müssten Gesetze vollziehen und hätten damit eine andere Aufgabe als etwa Parlamentarier.
Levrat begrüsste die Strategie der Zürcher SP-Spitze, den Delegierten ohne Empfehlung die Vertrauensfrage zu Fehr zu stellen. Das sei ein «mutiges und richtiges Vorgehen». Eine direkte Empfehlung an die SP des Kantons Zürich gibt Levrat nicht ab. Wäre er selber Delegierter, würde er Fehr allerdings erneut als Regierungsratskandidaten nominieren. (cbe)

Gruppenbild ohne Dame – so männlich sind Kantonsregierungen 

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Gruppenbild ohne Dame – so männlich sind Kantonsregierungen (10.03.2019)
Frauen haben es bis heute schwer, in der Schweiz in politische Ämter gewählt zu werden. Insgesamt stellen sie in den Kantonen bloss 25 Prozent aller Regierungsmitglieder. Sechs Kantone werden derzeit vollständig von Männern regiert. So ist etwa der Regierungsrat von Appenzell Ausserrhoden seit dem Rücktritt von Marianne Koller (FDP) im März 2017 frauenfreie Zone.
quelle: keystone / gian ehrenzeller
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16 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Roter Baron
28.05.2018 10:56registriert Januar 2018
Was mir auffällt, wer in der SP nicht konsequent der Parteilinie (welche momentan sehr schmal ist) folgt, wird von der Partei nicht mehr akzeptiert. Das kann doch so nicht das Ziel sein. Das ist doch genau der Vorwurf, den linke Kreise der SVP machen, die "Parteisoldaten" folgen stur der Meinung der Parteileitung, und alle abweichenden Meinungen sind zu vermeiden. Was ist denn so schlimm daran, wenn einzelne Parteiexponenten der SP für die Mittewähler wählbar werden ? Ein breites Meinungsspektrum hat einer Partei noch nie geschadet.
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Angelo C.
28.05.2018 10:53registriert Oktober 2014
Mario Fehr macht das, was seiner Partei, vor Allem aber der grotesk aufgestellten Juso nicht in den Kram passt - also das, was man gemeinhin REALPOLITIK nennt.

Wie man weiss, soll auch ein Bundesrat nicht einseitig reine Parteiinteressen verfolgen, sondern im Konsens mit anderen Ratsmitgliedern und der Bevölkerung politisieren.

Was auch für Kantonsregierungen Gültigkeit besitzt, ob es nun Partei-Hardlinern gefällt oder nicht.

Mario Fehr, seit langen Jahren gestandener Linker mit Blick über den roten Tellerrand hinaus, ist genauso real und intelligent agierend wie ZH-Ständerat Jositsch 👏🏽.
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Eron
28.05.2018 09:13registriert März 2017
Ich frage mich schon länger was die SP für ein Profil hat. Arbeitnehmer vertritt sie nicht, sie macht Deals noch und nöcher mit Arbeitgebern in deren Sinn, steht für die Akademisierung der Berufswelt und schwächt die Lehre (obwohl man im Ausland sieht, dass akademische Gesellschaften sehr viel mehr scheitern und weniger erfolgreich sind), die macht ziemlich neoliberale Politik und hat in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass die Deregulierungswünsche von Bürgerlichen in die Wege geleitet wurden - Stichwort Arbeitszeit, Lohnschutz und sie ist eindeutig gegen Demokratie!
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