Es dürfte eine turbulente Veranstaltung werden: Am Dienstagabend treffen sich die Delegierten der Zürcher SP im Volkshaus im Kreis 4 zur ausserordentlichen Delegiertenversammlung. Einziges Traktandum des Abends: Die Nominationen für die Regierungsratswahlen 2019.
Während die dem linken Parteiflügel zugeordnete Justizdirektorin Jacqueline Fehr die Nomination problemlos schaffen dürfte, muss der nicht mit ihr verwandte Sicherheitsdirektor Mario Fehr zittern. Möglich, dass ihm die Partei eine dritte Amtszeit verwehrt. Für viele Parteimitglieder vom linken Flügel der Basis, für die Juso und einen beträchtlichen Teil der Stadtzürcher SP ist Fehr ein rotes Tuch.
Das von der Parteispitze gewählte Vorgehen ist ungewöhnlich. Den Delegierten werden nicht wie üblich die amtierenden Regierungsräte, die beide weitermachen wollen, zur Wiederwahl empfohlen. Stattdessen kommt es zu einer offenen Debatte mit anschliessender Abstimmung. Damit will das Co-Präsidium aus Priska Seiler Graf und Andreas Daurù das Verhältnis der Partei zu Mario Fehr ausdiskutieren lassen, sagten die beiden dem Tages-Anzeiger. Man verzichte bewusst auf eine Empfehlung.
Wird Mario Fehr nicht nominiert, tritt er möglicherweise als Parteiloser zu den Wahlen im nächsten Frühjahr an – mit sehr guten Chancen. Fehr ist in der Bevölkerung beliebt. 2015 wurde er mit dem zweitbesten Ergebnis in den Regierungsrat wiedergewählt, 2011 gelang dem damaligen Nationalrat als Neuling gar auf Platz 1 der Sprung in die Regierung. Bei einer unabhängigen Kandidatur von Mario Fehr dürfte es für die SP schwierig werden, ihren zweiten Sitz in der Regierung zu verteidigen.
Das hätte auch finanzielle Konsequenzen. Die wichtigste Einnahmequelle der SP sind ihre Mitglieder. Neben dem ordentlichen Mitgliederbeitrag zahlen Sozialdemokraten ihrer Partei einen so genannten Parteiausgleichsbeitrag (PAB). Dieser steigt wie bei einer progressiven Steuer mit der Höhe des steuerbaren Einkommens an. Wer als Mandatsträger sein Einkommen aus einem politischen Amt bezieht, muss einen um 30 Prozent höheren PAB entrichten.
Als Zürcher Regierungsrat verdient Mario Fehr gemäss NZZ 325’000 Franken im Jahr. Daraus ergibt sich laut Reglement theoretisch ein Parteiausgleichsbeitrag von 31’784 Franken. Effektiv dürfte Fehrs Zustupf in die Parteikasse tiefer liegen, da dank Abzügen wahrscheinlich nicht sein gesamter Lohn unter das steuerbare Einkommen fällt. Über die genaue Höhe von Mario Fehrs Beitrag will die SP auf Anfrage von watson keine Angaben machen. Eine stolze Summe ist es aber auf jeden Fall.
Im Rechnungsjahr 2017/18 weist die SP Erträge von 1’721’459 Franken aus. Der Wegfall von Fehrs Mitgliederbeitrag dürfte sie im Fall einer Nicht-Nomination also weniger schmerzen als der allfällige Verlust an politischem Einfluss, sollte sie den zweiten Regierungssitz verlieren.
Die Chemie zwischen Fehr und Teilen seiner Partei ist schon lange gestört. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, eine repressive Asylpolitik zu betreiben. Ausserdem eilt Mario Fehr der Ruf voraus, ausgesprochen sensibel auf Kritik zu reagieren. 2015 liess er seine Mitgliedschaft in der SP zwischenzeitlich sistieren und nahm nicht mehr an den Fraktionssitzungen teil.
Der Auslöser: Die Juso hatte Strafanzeige gegen Fehr eingereicht. Sie zeigte sich empört über den Kauf der Überwachungssoftware «Galileo», eines sogenannten Staatstrojaners. Die Juso sprach von einer «Schnüffel-Software» und witterte «Rechtsbruch». Diesen Kauf hatte Fehr als Zürcher Sicherheitsdirektor abgesegnet.