Seit Monaten spricht man von Impfstoffknappheit. Auf Twitter gab Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli bekannt, dass im Kanton Zürich reichlich Impftermine frei sind: Am Mittwoch waren es 18'000, am Donnerstag noch 12'000 freie Impfplätze, teilt die Gesundheitsdirektion mit. Ausgebucht sieht anders aus.
Im Kanton Bern hingegen sind alle freien Termine schon weg, sagt Gundekar Giebel von der Berner Gesundheitsdirektion. «Wir sind froh, wenn wir bald wieder neue aufschalten können.»
Ausserdem ist die Impfkampagne in Bern weiter fortgeschritten als die in Zürich. Auf 100 Einwohner:innen wurden in Bern nach aktuellstem Stand bereits 17,8 Impfdosen verabreicht. In Zürich sind es 14,8 womit der Kanton schweizweit das Schlusslicht bildet.
Wie kommt es, dass es in den beiden bevölkerungsreichsten Kantonen dermassen Unterschiede gibt? Dazu drei Erklärungsversuche.
Dass in Bern die Impftermine ausgebucht sind, könnte daran liegen, dass die Anmeldeplattform seit dem 11. Januar aufgeschaltet ist. Im Kanton Zürich kann man sich erst seit dem 29. März registrieren.
«Durch die Vorlaufzeit haben sich die Berner:innen länger mit dem Thema befassen und informieren können», sagt Giebel von der Gesundheitsdirektion in Bern. Bisher hätten sich 400'000 Personen online registriert und warten darauf, dass sie einen Termin buchen können. Das sind 43 Prozent der Berner Bevölkerung.
Zürich zählt derweil gemäss einer Mitteilung 220'300 Impf-Registrierungen. Davon dürften sich momentan 87'000 Personen impfen lassen, weil sie einer entsprechenden Impfgruppe angehören. Seit Mittwoch lässt Zürich die Impfgruppen A bis E zur Impfung zu, sprich auch die unter 65-Jährigen sowie chronisch Kranke.
Nun stellt sich auch die Frage, wieso generell nicht jüngere Menschen aus anderen Impfgruppen nachrücken könnten, wenn andere die Termine nicht auffüllen. In Zürich plant man etwas in diese Richtung: Terminbuchungen sollen für weitere Impfgruppen möglich werden.
Man wolle die Terminbuchungen für eine weitere Impfgruppe ermöglichen, sagt Lina Lanz von der Gesundheitsdirektion. «Ende April soll sich auch das Gesundheitspersonal impfen können. Bei Bedarf könnte diese Impfgruppe auch vorgezogen werden», so Lanz.
Trotz der schleppenden Registrierungen zeigt sich die Gesundheitsdirektion Zürich gelassen. «Der Rücklauf bei den Registrierungen und Terminbuchungen entspricht etwa unseren Erwartungen», sagt Lanz. «Zudem gibt es auch Personen in den zugelassenen Impfgruppen, die sich gerne bei ihrem Hausarzt oder -ärztin impfen lassen möchten.»
Dass die Registrierung im Internet gerade für betagte Menschen eine Herausforderung sein kann, ist Lanz bewusst. Sie findet: «Zusammen mit der Impfhotline und der Unterstützung von Pro Senectute können wir der Zielgruppe einen guten Service bieten.»
In Bern wird seit Beginn nur in Impfzentren geimpft. Zürich hat das anders angepackt und bisher in Altersheimen und Hausarztpraxen impfen lassen. Die Zürcher Zentren sind seit dem 6. April geöffnet.
Dass es diese Möglichkeit gibt, dürfte vielleicht noch nicht bei allen Personen angekommen sein. Oder aber, sie ziehen die Impfung bei der Hausärzt:in vor.
Bei den Hausärzt:innen steht der Kanton Zürich in der Kritik: So drückte Philippe Luchsinger, Präsident des Verbandes der Haus- und Kinderärzte Schweiz, erst kürzlich sein Unverständnis auf Twitter aus.
Bei mir in der Praxis sind noch 550 Patienten der Gruppen A und B registriert, und warten mit mir auf Impfstoff. Niemand in der @gd_zuerich kann mir sagen, wann ich die nächsten Dosen erhalte... https://t.co/xIP9FBT69p
— Philippe Luchsinger (@PhLuchsinger) March 31, 2021
«Nun erfahre ich, dass in den Impfzentren auch Gesunde zwischen 65 und 75 Jahren einen Impftermin buchen können», sagte Luchsinger gegenüber der NZZ. Er vermisse eine klare Impfstrategie des Kantons.
Die Gesundheitsdirektion Zürich verteidigt sich damit, dass die Impfstrategie den Vorgaben des Bundesamtes für Gesundheit folge. Ausserdem: «Um Ostern wurden rund 500 Arztpraxen mit je 100 Impfdosen beliefert. Weitere 260 Praxen kommen noch dazu», sagt Lina Lenz von der Medienstelle.
Dass die Impfkampagne in Bern weiter fortgeschritten ist, kann auch an der Kommunikation liegen. Gundekar Giebel von der Gesundheitsdirektion erklärt, wie man die Berner Bevölkerung über die eigenen Social-Media-Kanäle, mit Flyern und Artikeln in Gemeindeblättern zu erreichen versuchte. Und offenbar auch erreicht hat. «Wir haben die Leute darauf hingewiesen, die Online-Anmeldung zu nutzen und wenn sie keinen Computer haben oder sonst Hilfe brauchen, die Hotline anzurufen», so Giebel. Die Flyer seien in 19 Sprachen übersetzt worden.
Ähnliche Bemühungen gab es im Kanton Zürich noch keine. Allerdings plane Zürich eine Infokampagne, die sich an die breite Bevölkerung richtet, sagt Lina Lanz von der Medienstelle.
Eine Informationskampagne fordert auch die FDP-Präsidentin Petra Gössi. Kürzlich kritisierte sie die Kommunikation der Regierung: «Ich habe noch keine Informationskampagne für die Tests und Impfstoffe gesehen, was ich als problematisch empfinde», sagt Gössi gegenüber dem Onlineportal «nau.ch».
Wenig von dieser Forderung hält Giebel von der Berner Gesundheitsdirektion. «Warum soll man bei einem raren Gut eine Kampagne machen?» Das werde erst nötig, wenn alle die wollen, geimpft seien.
«Für die letzten 25 Prozent, von denen man natürlich auch nicht alle erreichen wird, ist eine Kampagne besonders sinnvoll», sagt Giebel. Damit bezieht er sich auf die Impfbereitschaft in der Bevölkerung. Immer wieder erscheinen Befragungen, wonach ungefähr ein Viertel der Bevölkerung sich nicht impfen lassen will.
Manchmal bekommt man schon das gefühl, es ist wichtiger, dass niemand zu früh geimpft wird, wer noch nicht offiziell an der Reihe wär als dass es einfach vorwärts geht...