Schweiz
Wissen

Wirrwarr in der Corona Task Force: Warum Experten nie einer Meinung sind

Martin Ackermann, Praesident National COVID-19 Science Task Force, am Ende einer Medienkonferenz zur aktuellen Situation des Coronavirus, am Donnerstag, 12. November 2020 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klau ...
Martin Ackermann, Präsident der Task Force, letzte Woche nach der Pressekonferenz. Nachdem er die neuen Empfehlungen bekannt gegeben hat, wurde er mit Widersprüchen konfrontiert. Bild: keystone

Braucht es weitere Massnahmen? Die Taskforce ist sich uneinig

Innerhalb der Taskforce ist man sich über die nächsten Schritte zur Bekämpfung von Corona uneinig. «Das untergräbt das Vertrauen in das Gremium», sagt ein Kommunikationsexperte. Jedoch seien Diskussionen wesentlich für die Wissenschaft, heisst es aus der Taskforce.
16.11.2020, 18:2217.11.2020, 09:35
Vanessa Hann
Folge mir
Mehr «Schweiz»

Am Samstag publizierte die National COVID-19 Science Task Force, kurz Taskforce, neue Empfehlungen auf Twitter. Dem aktuellsten Lagebericht zufolge rät die Taskforce zu diesen Massnahmen:

  • Schliessung der folgenden Indoors-Veranstaltungsorte: Bars, Restaurants, Sporthallen, Theater, Museen und Konzerte.
  • Beschränkung privater Zusammenkünfte auf maximal zwei Haushalte.

Am Tag darauf schrieb die «Sonntagszeitung», dass man sich innerhalb der Taskforce uneinig war. Mehrere Gremiums-Mitglieder hätten anonym ausgesagt, dass der Lagebericht anders formuliert wurde als besprochen. Vereinbart gewesen sei, dass die Taskforce die neuen Massnahmen nur empfehle, wenn das Zwischenziel – eine Halbierung der Fallzahlen in ein bis zwei Wochen – nicht erreicht werde.

Vertrauen in das Gremium schwindet

Dieses Hin und Her irritiert. «Es ist unglücklich, wenn die Science Taskforce einen Lagebericht publiziert, der dann von einzelnen Mitgliedern über die Medien korrigiert oder ergänzt wird. Das untergräbt das Vertrauen in das Gremium», sagt Kommunikationsexperte Markus Niederhäuser von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).

In einem Punkt scheint sich die Taskforce einig: Die Corona-Fallzahlen sollen alle zwei Wochen halbiert werden. Allerdings driften offenbar die Meinungen auseinander, wie dieses Ziel am besten erreicht werden kann.

Wissenschaft braucht Gegensätze

Das bestätigt Samia Hurst-Majno von der Taskforce: «Einige Mitglieder würden den Behörden empfehlen, die Reproduktionsrate unverzüglich durch individuelle, vorübergehende und strengere Massnahmen zu senken», sagt sie. Andere seien der Meinung, dass die Behörden mit neuen Massnahmen noch warten könnten, da dies ein klareres Bild von der Entwicklung der Fallzahlen gebe.

«Diese Art der Diskussion ist ein wesentlicher Bestandteil der Wissenschaft», sagt Hurst. «Das Ergebnis davon hat zur publizierten Form des Lageberichts geführt.» Hurst ist in der Expertengruppe für ethische, rechtliche und soziale Fragen rund um Covid-19 und ist Professorin an der Universität Genf.

Die Science Task Force besteht aus zehn Expertengruppen, in denen rund 70 Expertinnen und Experten arbeiten. Auf der Homepage steht, dass sich die Mitglieder in ihrem Fachgebiet jederzeit frei äussern können. Gleichzeitig unterstehen sie dem Leiter Martin Ackermann, der die Taskforce nach aussen vertritt.

Differenzen transparent machen

Die unterschiedlichen Meinungen innerhalb der Gremien sollen möglichst offengelegt werden, rät Markus Niederhäuser von der ZHAW. «Es ist dann an den politischen Behörden, die verschiedenen Sichtweisen zu gewichten, Entscheidungen zu treffen und politisches Handeln einzuleiten.»

Zuletzt entscheiden Bundesrat und Kantone über die Massnahmen. Ob und welche Experten-Ratschläge umgesetzt werden, wird sich zeigen. Momentan sieht der Bundesrat nicht vor, die bestehenden Massnahmen zu verschärfen oder Restaurants, Bars und Museen zu schliessen, wie er letzte Woche an der Pressekonferenz mitteilte.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
NotifyMe: Die neue App der SwissCovid-Macher gegen Corona
1 / 14
NotifyMe: Die neue App der SwissCovid-Macher gegen Corona
NotifyMe ist eine neue App, entwickelt von den SwissCovid-Machern. Sie soll helfen, alle Besucherinnen und Besucher eines Events – ob privat oder geschäftlich – vor einer möglichen Corona-Ansteckung zu warnen. watson konnte die Testversion ausprobieren.
quelle: screenshot: notify-me.ch
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Situationen, die uns an unsere Grenzen bringen
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
30 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Locutus70
16.11.2020 20:19registriert September 2018
Dieses Gremium hat ein beratendes Mandat. Wenn man dann so manche Mitglieder dieses Gremium hört, könnte man meinen sie hätten die Kompetenz um politische Entscheidungen zu treffen. Das scheint manchen zu Kopf zu steigen ^^
17933
Melden
Zum Kommentar
avatar
Gurgelhals
16.11.2020 19:04registriert Mai 2015
Schrödingers Task Force:

Wenn sich die Mitglieder der Task Force in einzelnen Detailfragen nicht ganz einig sind und diese unterschiedlichen Meinungen auch öffentlich kundtun, ist es schlechte Kommunikation, die das Vertrauen in das Gremium untergräbt.

Wenn die Task Force dagegen geschlossen eine Position mit einer Stimme kommuniziert, dann ist es auch wieder nicht recht, weil dann ja sonnenklar ist, dass in der Task Force eh alle gleichgeschaltet sind, dass Wiss. mit abweichenden Meinungen dort nicht toleriert werden und sie daher auch kein Vertrauen verdient.

[Sarkasmus OFF]
16747
Melden
Zum Kommentar
avatar
NathanBiel
17.11.2020 01:37registriert September 2015
Schafft diese Truppe ab!
3723
Melden
Zum Kommentar
30
4-Tage-Woche: Erstes grosses Pilotprojekt in der Schweiz
Immer mehr Länder und Unternehmen testen die 4-Tage-Woche. Nun soll bald auch in der Schweiz ein gross angelegtes Pilotprojekt beginnen. Das Wichtigste zu den bisherigen Erkenntnissen, zur 4-Tage-Woche weltweit und in der Schweiz.

Vier Tage in der Woche arbeiten, drei Tage pausieren – und trotzdem 100 Prozent des Lohnes erhalten: Für viele klingt das zu gut, um wahr zu sein. Und trotzdem ist die 4-Tage-Woche seit einiger Zeit auf dem Vormarsch.

Zur Story