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Bedingungsloses Grundeinkommen fördert Gesundheit, bietet aber keinen Anreiz zur Jobsuche

Bedingungsloses Grundeinkommen fördert Gesundheit, bietet aber keinen Anreiz zur Jobsuche

08.02.2019, 15:5008.02.2019, 16:05
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Das bedingungslose Grundeinkommen wirkt sich positiv auf die Gesundheit von Arbeitslosen aus, beschleunigt aber nicht deren Rückkehr auf den Arbeitsmarkt: Zu diesem Schluss kommen Forscher in der vorläufigen Auswertung eines auf zwei Jahre angelegten Pilotprojekts in Finnland.

Die Empfänger des bedingungslosen Grundeinkommens litten demnach weniger unter Stress, Konzentrations- oder Gesundheitsproblemen als eine Kontrollgruppe. «Sie blickten auch zuversichtlicher in die Zukunft», erklärte Minna Ylikännö von der finnischen Sozialversicherungsbehörde (Kela) am Freitag.

Ein erhoffter Anreiz für die Arbeitssuche wurde in der Auswertung des Projekts aber nicht nachgewiesen. «Den Empfängern des bedingungslosen Grundeinkommens gelang es weder besser noch schlechter als der Kontrollgruppe, einen Job zu finden», erklärte Forschungskoordinator Ohto Kanninen.

Zweijähriger Grossversuch

Der auf zwei Jahre angelegte Grossversuch zum bedingungslosen Grundeinkommen war im Dezember zu Ende gegangen. Eine zufällig ausgewählte Testgruppe von 2000 Arbeitslosen erhielt in dieser Zeit steuerfrei jeden Monat 560 Euro, ohne dass diese Zahlung an Bedingungen geknüpft war.

Hinzu kamen je nach Familienstand Kindergeld und im Fall einer festen oder freien Anstellung das jeweilige Gehalt. Daneben gab es eine Kontrollgruppe von Arbeitslosen, welche die herkömmlichen Unterstützungsleistungen erhielten.

Die Forscher wollten herausfinden, ob das bedingungslose Grundeinkommen einen besseren Anreiz setzt, einen Job zu finden, als traditionelle Arbeitslosenhilfen, die im Falle einer Anstellung entfallen.

Das Experiment beschränkte sich dabei ausschliesslich auf bereits arbeitslose Teilnehmer – es ging nicht um eine Art Bürgereinkommen, das unabhängig von Reichtum, Familienstand oder Arbeitsverhältnis an jeden gezahlt wird.

Teilnehmer zufrieden

Die ersten Ergebnisse des Experiments sind nach Angaben der Experten noch vorläufig und beziehen sich nur auf das erste Jahr der Studie. Die am Freitag vorgelegten Rückschlüsse sind damit noch nicht abschliessend.

Einer der Teilnehmer äusserte sich zufrieden mit dem bedingungslosen Grundeinkommen. «Ich konnte alle Aufträge annehmen, die mir angeboten wurden», sagte der Journalist Tuomas Muraja. Vorher sei das viel schwieriger gewesen, weil er immer habe ausrechnen müsse, was durch die Zusatzeinnahmen und den Verlust von Arbeitslosengeld übrig bleibe.

Die finnische Regierung plant nach Angaben von Sozialministerin Pirkko Mattila nicht, das bedingungslose Grundeinkommen im gesamten Land einzuführen. Dennoch sei das Experiment «sehr erfolgreich» gewesen.

Reform von Sozialversicherungssystem

Die Daten der Untersuchung könnten nun genutzt werden, um das soziale Sicherungssystem zu reformierten, sagte Mattila. Das sei die nächste grössere geplante Reform.

Das bisherige System gilt als bürokratisch. Arbeitssuchende verlieren ihren Anspruch auf staatliche Hilfen bei einer Anstellung – auch bei nur kurz dauernder und schlecht bezahlter Beschäftigung.

In Finnland war die Zahl der Arbeitslosen angesichts einer vier Jahre langen Wirtschaftsflaute in die Höhe geschossen, sie sinkt langsam wieder. Die Arbeitslosenquote fiel im Dezember unter sieben Prozent. (whr/sda/afp)

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41 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Graviton
08.02.2019 16:42registriert Januar 2018
Also eigentlich perfekt:

Die Chance, einen Arbeitsplatz zu bekommen, wird nicht verbessert, aber auch nicht verringert. Sie bleibt gleich.

Gleichzeitig sind die Menschen aber insgesamt gesünder, was für einen allfälligen Job sicher nicht nachteilig ist und für die öffentlichen Gesundheitskosten auch nicht.

Wieso sollte man noch dagegen sein?
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Bynaus
08.02.2019 16:05registriert März 2016
Beachtlich ist, dass die Reintegration in den Arbeitsmarkt zwar nicht besser, aber auch NICHT schlechter lief als bei der Kontrollgruppe. Das sollten sich jene merken, die beim Grundeinkommen immer behaupten, da würde dann niemand mehr arbeiten...
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Lowend
08.02.2019 16:14registriert Februar 2014
Könnte es sein, dass die Chance einen neuen Job zu finden eher an den Ansprüchen des Arbeitsmarkts liegt und weniger am Druck, den man auf Arbeitslose ausübt?

Wäre dies so müsste die Bürgerlichen und auch die reaktionäre SVP mit ihren rigiden Repressionsstrategien mal dringend über die Bücher!

Das gilt übrigens nicht nur für's RAV sondern viel mehr noch für den Druck, den die Sozialhilfe ausübt, denn wenn man den Finnischen Daten glauben kann, erhöht der Druck nur das Risiko zu erkranken, aber nicht die Chance auf einen neuen Job. Für diese Krankheiten zahlen wir dann übrigens auch teuer!
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