Schweiz
Wirtschaft

Kriegsgeschäfte-Initiative: Diese 9 Fragen und Antworten musst du kennen

Klassisches Beispiel: Munition zählt als Kriegsmaterial.
Kriegsgeschäfte-Initiative kriegsgeschaefte abstimmung 2020
Klassisches Beispiel: Munition zählt als Kriegsmaterial.Bild: shutterstock

Kein Plan bei der Kriegsgeschäfte-Initiative? Diese 9 Antworten musst du kennen

Die Anlagepolitik von AHV, Pensionskassen und Co. im Visier: Am 29. November kommt die Kriegsgeschäfte-Initiative an die Urne. Wir erklären, worum es da genau geht.
10.11.2020, 05:1910.11.2020, 15:00
Sven Altermatt und Maja Briner / ch media
Mehr «Schweiz»

Was fordert die Initiative konkret?

Die Kriegsgeschäfte-Initiative verlangt, wie es ihr offizieller Titel schon sagt, «ein Verbot der Finanzierung von Kriegsmaterialproduzenten». Betroffen davon sind die Schweizerische Nationalbank (SNB), AHV und IV sowie Pensionskassen und Stiftungen der beruflichen Vorsorge. Sie sollen keine Unternehmen mehr finanzieren dürfen, die mehr als fünf Prozent ihres Jahresumsatzes mit Kriegsmaterial machen. Banken und Versicherungen sind nicht unmittelbar betroffen. Allerdings soll sich der Bund auf nationaler und internationaler Ebene dafür einsetzten, dass auch für sie die «entsprechenden Bedingungen» gelten.

Was heisst überhaupt «Finanzierung»?

Darunter verstehen die Initianten die Gewährung von Krediten, Darlehen, Schenkungen oder von vergleichbaren finanziellen Vorteilen. Zudem dürfen keine Wertschriften von Kriegsmaterialproduzenten gekauft werden; ebenso wenig Finanzprodukte, die sich an Produzenten beteiligen.

Sind davon auch sogenannte Dual-Use-Güter betroffen?

Nein. Die Fünf-Prozent-Hürde bezieht sich auf Güter oder Baubestandteile, die ausschliesslich für Kriegsmaterial eingesetzt werden. Im Initiativtext steht nichts zu sogenannten Dual-Use-Gütern – solche, die wie etwa Werkzeugmaschinen oder gewisse Chemikalien auch zivil eingesetzt werden können.

Wer sind die Initianten – und was erhoffen sie sich?

Hinter dem Vorhaben stehen die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) und die Jungen Grünen. Die Ja-Parole beschlossen haben bisher unter anderem SP, Grüne und EVP. Mit der Initiative wollen sie erreichen, dass Schweizer Geld nicht dort angelegt wird, wo die Menschheit zu Schaden komme. Sie orten ein Glaubwürdigkeitsproblem: Als neutrales Land mit humanitärer Tradition setze sich die Schweiz für Menschenrechte und Frieden ein, während gleichzeitig Geld in Kriege fliesse. Es gehe darum, ethische Verantwortung beim Anlegen zu übernehmen.

Wer bekämpft die Initiative – und mit welchen Argumenten?

Die bürgerliche Mehrheit im Parlament und der Bundesrat lehnen die Initiative ab. Die Nein-Parole beschlossen haben bisher unter anderem SVP, CVP, FDP und GLP. Sie warnen: Die Initiative führe zu negativen wirtschaftlichen Konsequenzen, namentlich für SNB und Vorsorgewerke. Denn ein Finanzierungsverbot verteuere deren Anlagemöglichkeiten und erhöhe die Verwaltungskosten. Zudem kritisieren die Gegner die «sehr weit gefasste Definition von Kriegsmaterialproduzenten». Je nach Ausgestaltung der Initiative wäre aus ihrer Sicht auch die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie betroffen, womit der Standort Schweiz an Attraktivität verliere.

Einfach so für zwischendurch: So würde es aussehen wenn Waffen durch Dildos ersetzt würden

1 / 19
Dildos anstatt Waffen
Donald Trump
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Was gilt heute?

Verboten ist heute die Finanzierung von international geächtetem Kriegsmaterial wie beispielsweise Atomwaffen, biologischen Waffen und Personenminen. Für die indirekte Finanzierung – also etwa das Halten von Aktien – gilt eine spezielle Regel: Sie ist nur dann untersagt, wenn damit das Verbot der direkten Finanzierung umgangen wird. Diese Regel erlaubt es Institutionen wie Banken oder Pensionskassen, trotz Finanzierungsverbot in international etablierte Aktienfonds investieren zu können, wie der Bund schreibt. In diesen Fonds sind teils auch Aktien von Firmen enthalten, die neben zivilen Gütern auch Atomwaffen produzieren – wie etwa Boeing.

Gehen manche Pensionskassen freiwillig weiter?

Einzelne machen das. Der AHV-Ausgleichsfonds Compenswiss sowie acht Pensionskassen sind beispielsweise Mitglied des Schweizer Vereins für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen. Dieser empfiehlt derzeit, rund 20 Unternehmen aus dem Portfolio auszuschliessen, darunter etwa Lockheed Martin wegen der Herstellung von Personenminen und Streumunition. Pensionskassen wie jene der Städte Luzern, Bern oder Zürich sehen ebenfalls von Investitionen in gewisse Firmen ab. Bei der Pensionskasse der Stadt Zürich stehen aktuell über 200 Unternehmen auf der Ausschlussliste.

ARCHIVBILD ZUR MELDUNG DER FINANZKONTROLLE SCHWYZ UEBER UNRECHTMAESSIGE MUNITIONSBESTELLUNGEN BEI DER KAPO SCHWYZ, AM MITTWOCH, 24. OKOTBER 2018 - Viel Munition liegt in einer Schachtel bei der freiwi ...
Klassisches Beispiel: Munition zählt als Kriegsmaterial.Bild: KEYSTONE

Die Initianten verweisen als Vorbild auf den Norwegischen Staatsfonds. Was hat es damit auf sich?

Der Norwegische Staatsfonds – der grösste der Welt – hat sich zu einer ethischen Anlagestrategie verpflichtet. In gewisse Firmen investiert er deswegen nicht, zum Beispiel in Boeing und Lockheed Martin wegen der Produktion von Atomwaffen. Auch Tabakkonzerne wie Philip Morris stehen auf der schwarzen Liste, ebenso Glencore wegen des Kohleabbaus.

Wieso soll die Initiative die Armee treffen und die Sicherheit der Schweiz schwächen?

Der Bund geht davon aus, dass eine Annahme der Initiative die Wettbewerbsfähigkeit von Schweizer Rüstungsproduzenten und ihrer Zulieferer schwächen würde. Unter Umständen könnte es zu Verlagerungen ins Ausland kommen, sagt der Bund. Damit würde die Versorgungssicherheit der Armee geschwächt.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die Exportschlager der Schweizer Rüstungsindustrie
1 / 17
Die Exportschlager der Schweizer Rüstungsindustrie
2017 exportierten Schweizer Firmen Waffen im Wert von 446,8 Mio. Fr. in 64 Staaten – 8% mehr als im Jahr zuvor. Diese Waffenexporte machten 0,15% der Schweizer Gesamtexporte aus. Wichtigstes Empfängerland war Deutschland vor Thailand, Brasilien und Südafrika. Im Bild: Schweizer Sturmgewehre auf dem Waffenplatz Thun.
quelle: keystone / christian beutler
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Renato zum lustigen Thema: Waffenexporte! Jeeee!
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
34 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
alingher
10.11.2020 07:29registriert August 2014
Genau bei solchen Vorlagen würde ich gerne hören was die Wissenschaft dazu meint. Das Ziel solcher Initiativen (Kriegsgeschäfte, Konzernverantwortung) ist ja immer ein gutes.
Ist aber die Initiative jeweils das richtige Mittel um dieses Ziel zu erreichen?
Die Meinung der Politiker dazu ist immer ideologisch gefärbt und wenn das Ziel das richtige ist, dann ist ihre Lösung ja automatisch die richtige. Deshalb fände ich es gut, wenn sich die Wissenschafter regelmässig zu sämtlichen Vorlagen sachlich äussern würden. Auch bei uns wäre etwas mehr Fakten und weniger Meinung hilfreich.
1858
Melden
Zum Kommentar
avatar
Spüdlifalt
10.11.2020 08:12registriert September 2019
Das Argument mit der Unabhängigkeit der SNB finde ich spannend. Es zeigt den Hauptkonflikt dieser Abstimmung auf. Möchten wir Wohlstand – koste es, was es wolle und ohne Rücksicht auf gar nichts. Oder wollen wir Wohlstand (vielleicht etwas weniger), der ethisch vertretbar ist?
Ich bin eindeutig für Letzteres. Und dass damit einige Rahmenbedingungen für die SNB gesetzt werden, finde ich persönlich ganz okay. Die SNB gehört zur Schweiz und ist nicht frei von Verantwortung!
13339
Melden
Zum Kommentar
avatar
Schneider Alex
10.11.2020 05:41registriert Februar 2014
Der Ruf nach Frieden hallt durch alle Jahrhunderte. Mit Kriegsmaterial Geld zu verdienen, ist ein mieses Echo.
16370
Melden
Zum Kommentar
34
Stadt Zürich senkt Gebühren im Einbürgerungsverfahren

Einbürgerungswillige sollen in der Stadt Zürich für ihr Gesuch weniger bezahlen müssen: Der Gemeinderat will die Gebühr auf 500 Franken festsetzen – und zudem die Ausnahmeregeln erweitern.

Zur Story