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Wirtschaft

Total 38'000 Jobs: Jede fünfte Stelle in der Gastronomie ist weg

Total 38'000 Jobs: Jede fünfte Stelle in der Gastronomie ist weg

In den ersten drei Monate des laufenden Jahres sind nochmals Tausende von Jobs verloren gegangen, wie neue Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen. Bringt die Wiedereröffnung die erhoffte Erholung?
27.05.2021, 10:00
Niklaus Vontobel / ch media
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Es war ihr zweiter Lockdown und er hat die Gastronomie nochmals Tausende von Arbeitsplätzen gekostet. Gemäss dem neuen Beschäftigungsbarometer des Bundesamts für Statistik musste die Branche im ersten Quartal 2021 nochmals 4769 Stellen streichen. Damit steigt die Zahl der verlorenen Stellen auf nunmehr 37'791. Gegenüber dem Vorkrisenniveau sind damit rund 20 Prozent aller Stellen weggefallen.

Une serveuse range les chaises dans le Restaurant Le Maitre Jaques avant sa fermeture, lors de la crise du Coronavirus (Covid-19), ce mercredi 4 novembre 2020 a Nyon. Le canton de Vaud durcit a son to ...
Ausmass und Geschwindigkeit des Jobbabbaus in der Gastro sind einzigartig.Bild: KEYSTONE

Damit hat die Gastronomie den eigenen Negativrekord überboten. Und dieser Rekord war schon historisch. Ende 2020 hatte die Branche bereits einen Abbau von 33'000 Arbeitsplätzen erlitten – ein Verlust von vollen 17 Prozent innerhalb eines einzigen Jahres. Die Statistiken reichen zurück bis ins Jahr 1991, doch ein solcher Jobeinbruch findet sich dort kein zweites Mal. Ausmass und Geschwindigkeit sind einzigartig.

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Hart getroffen hat es auch die Hotellerie. Die Branche beschäftigt weniger als halb so viele Menschen als die Gastronomie. Darum ist der Jobeinbruch in absoluten Zahlen etwas geringer. Aber wenn man wie in der Gastronomie die saisonbereinigte Jobzahl im 1. Quartal 2021 vergleicht mit dem Vorkrisenniveau vom 4. Quartal 2019 dann sind auch in der Hotellerie mittlerweile 10'800 Jobs gestrichen worden. Das ist ein Minus von 14 Prozent.

Einheimische Gäste werden die Restaurants nicht fluten

Der neue Beschäftigungsbarometer gibt einen Eindruck von den Schäden, die bis Ende März dieses Jahres entstanden sind. Die Gastronomie musste im ersten Quartal ihren zweiten Lockdown überstehen. Doch Mitte April durfte sie ihre Terrassen wieder öffnen. Und nun steht die vollständige Wiedereröffnung bevor – jedoch gelten neue Schutzmassnahmen. In der Gastronomie fängt also eine neue Normalität an, wieder einmal. Kommen die verlorenen Jobs nun bald zurück?

An eine schnelle Jobwende glaubt Peter Herzog nicht. Der Gastro-Experte erhält ein anderes Bild aus den Geschäftszahlen, die er bei seinen Beratungsmandaten sieht: die Branche erholt sich zwar, aber es gehe nur langsam vorwärts. Die Umsätze nehmen nur allmählich wieder zu, entsprechend langsam werden Jobs geschaffen. Herzog sagt:

«Bis die Umsätze wie vor der Krise wieder erreicht werden, dauert es wohl noch drei Jahre.»

Die Krise hat ihre dauerhaften Hinterlassenschaften. So glaubt Herzog, dass sich die Gewohnheiten gewandelt haben. Es wird öfter als früher zuhause gearbeitet, über Mittag isst man öfter daheim, seltener im Restaurant. Auch sonst würden sich die Gäste noch eine Weile zurückhalten, auch nach der Wiedereröffnung. Herzog sagt: «Eine Flutwelle von einheimischen Gästen wird es nach der Wiedereröffnung nicht geben.»

Bis zu 3000 Schliessungen sind zu erwarten

Und über over-tourism wird die Schweiz so bald nicht debattieren müssen. Chinesische oder indische Gäste werden noch lange nicht wieder in Scharen da sein. In Luzern zum Beispiel sind am Schwanenplatz so bald keine grossen Ansammlungen chinesischer Gäste zu erwarten. Auch das kostet die Gastronomie viele Gäste.

Dann sind da die Sicherheitsvorschriften. Allein schon deshalb wird die neue Normalität umsatzmässig zurückbleiben hinter den Vorcorona-Zeiten. Bis zu 40 Prozent weniger Gäste liessen sich deswegen unterbringen, schätzt Herzog. «Ein solches Minus wäre normalerweise Grund genug für Panik.»

All das könne für die Branche nur eines bedeuten, so Herzog. Wenn erst viele Mitarbeiter die maximale Bezugsdauer von Kurzarbeitsentschädigung erreicht hätten, müssten noch einige Betriebe schliessen. Ungefähr 10 Prozent aller Gastrobetriebe hätten schon aufgeben müssen, was 2500 Betrieben entspricht. Herzog schätzt, dass es am Ende etwa 3000 Betriebe sein werden. Davon werde in den grösseren Städten an guten Lagen wenig zu sehen sein, sagt Herzog. «Schliessungen wird es eher in kleinen Orten geben, irgendwo zwischen Genf und Romanshorn.»

Der Vergleich mit früheren Krisen fällt deutlich aus

Schon vor dem ersten Quartal 2021 war der aktuelle Jobabbau in der Gastronomie historisch. Wie die untenstehende Grafik zeigt, traf es die Branche in der Coronakrise ungleich härter als in früheren Krisen. Und in der aktuellen Krise leidet die Gastronomie auch deutlich stärker als die Banken in der Finanzkrise. Der Jobabbau in der Bankbranche zog sich über viele Quartale hin. In der Gastronomie hingegen ist der Stellenabbau in der Coronakrise grösser und vollzieht sich in viel kürzerer Zeit. Die Hoffnung ist, dass es auch bald wieder zu einem Stellenaufbau kommt.

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18 Kommentare
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Hobbaarau
27.05.2021 10:23registriert Mai 2020
Ich freue mich, jedenfalls ab Montag wieder halbwegs normal arbeiten zu dürfen.. ;) Freue mich darauf unsere Gäste verwöhnen zu dürfen. Gruss ein Koch
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Kommissar Rizzo
27.05.2021 10:25registriert Mai 2021
Extrem tragisch für die Eigentümer und Angestellten. Ich werde mich gleich ab Montag wieder regelmässig dafür einsetzen, dass es aufwärts geht. Saltimbocca, ich komme 🤤!
2014
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Sandlerkönig Eberhard
27.05.2021 12:18registriert Juli 2020
Ich bin jetzt gespannt auf die „die meisten Betriebe haben sowieso schon vor Corona vor sich hin geserbelt und wären pleite gegangen“-Gastroprofi-Kommentare hier.
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