Ein lückenloses Verbot für Tabakwerbung hält eine bürgerliche Mehrheit im Nationalrat für übertrieben. Trotzdem dürften einige Anliegen der Tabakwerbeverbotsinitiative umgesetzt werden - auf Gesetzesweg. Ob das Volksbegehren später zurückgezogen wird, ist offen.
Das Parlament will den Umgang mit Tabakprodukten strenger regeln. Die vom Bundesrat erarbeitete Revision des Tabakproduktegesetzes befindet sich im Differenzbereinigungsverfahren zwischen den beiden Räten. Umstritten ist insbesondere noch, wie weit die Werbe-, Verkaufsförderungs- und Sponsoringverbote gehen sollen.
Druck machen die Urheber der Tabakwerbeverbotsinitiative. Das im Jahr 2019 von mehreren Gesundheitsorganisationen eingereichte Volksbegehren «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung (Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung)» fordert ein lückenloses Verbot für Tabakwerbung, die Kinder oder Jugendliche erreicht. Faktisch würde damit Zigarettenwerbung auf Plakaten im öffentlichen Raum verboten. Aber auch Kinowerbung, Inserate, Festivalsponsoring und Onlinewerbung für Tabak würden in Zukunft nicht mehr erlaubt sein.
Das geht der Mehrheit der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats (SGK-N) zu weit, wie deren Sprecher Lorenz Hess (BDP/BE) am Mittwoch im Rat sagte. Die meisten wollten «pragmatische, verhältnismässige Massnahmen im Bereich des Jugendschutzes» und «kein Totalverbot».
Mehrere Sprecher der bürgerlichen Fraktionen betonten, dass ein generelles Verbot ein «unverhältnismässiger Eingriff in die Markt- und Handelsfreiheit» darstellen würde. Zudem seien viele Veranstaltungen auf Werbung und Sponsoring von Tabakfirmen angewiesen.
Doch auch die Gegner der Initiative wollen deren Hauptanliegen ernst nehmen. «Niemand von uns will, dass Kinder und Jugendliche rauchen oder dazu verführt werden», sagte Andreas Glarner (AG) im Namen der SVP-Fraktion. FDP-Sprecherin Regine Sauter (ZH) sprach von einem «gewissen Handlungsbedarf». Das Ziel solle aber mit dem revidierten Tabakproduktegesetz erreicht werden. Dieses sehe «zielgerichtete Bestimmungen» vor.
Ein generelles Werbeverbot, so befürchten die meisten Vertreterinnen und Vertreter von SVP und FDP, würde dagegen tausende Arbeitsplätze in der Tabakindustrie und im Detailhandel gefährden. SVP-Sprecher Glarner warnte zudem davor, dass bei einem Ja als nächstes Werbeverbote für SUVs, Alkohol, Fleisch, Chips, Schokolade und Gummibären kommen könnten. Er appellierte an die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger.
Für einen wirksamen Jugendschutz sei es «nicht zwingend, sämtliche Prinzipien einer liberalen Wirtschaftsordnung über Bord zu werfen», sagte Sauter. Der Schutz der Jugendlichen dürfe nicht als Vorwand dienen, eine ganze Branche verschwinden zu lassen.
Mitte-Sprecher Christian Lohr (CVP/TG) zollte den Initianten für ihr «berechtigtes Schutzanliegen» zwar den vollen Respekt. Das Parlament habe aber die Mittel in der Hand, die Initianten mit einer guten Gesetzgebung zum Rückzug des Volkbegehrens zu bewegen. Anders als vor vier Jahren, als die erste Tabakprodukte-Vorlage an den Bundesrat zurückgewiesen wurde, hätten die Räte den Handlungsbedarf erkannt.
Verschiedene Vertreterinnen und Vertretern von SP, Grünen und GLP sehen dies anders. Zwar gingen die Schritte in die richtige Richtung, sagte Yvonne Feri (SP/AG), sie genügten aber nicht. Es sei Zeit für ein generelles Werbeverbot. Laut Feri wäre das «die grösste jemals getroffene Sparmassnahme für das Gesundheitswesen».
Der Grund: Das Rauchen von Zigaretten bleibt die häufigste Ursache von vermeidbaren Todesfällen und Behinderungen. 9500 Menschen in der Schweiz sterben jedes Jahr an den Folgen des Tabakkonsums. Das verursacht der Volkswirtschaft Kosten in Milliardenhöhe. Weil Dreiviertel der Rauchenden als Minderjährige damit beginnen, sollen Kinder und Jugendliche vor Werbung geschützt werden.
«Wollen wir eine gesunde Bevölkerung oder eine gesunde Werbebranche?», fragte Feri rhetorisch. Wem der Schutz der jungen Generation ein Anliegen sei, könne ein Werbeverbot nicht ablehnen, doppelte Manuela Weichelt-Picard (Grüne/ZG) nach. Verschiedene Kantone sähen bereits heute weitgehende Werbeverbote vor.
Zwischen den beiden Blöcken positioniert sich die GLP. Zwar werde die wirtschaftliche Freiheit mit einem Werbeverbot tatsächlich eingeschränkt, sagte der Zürcher Grünliberale Jörg Mäder. Seine Fraktion nehme das aber in Kauf. Tabakwerbung sei «kein Geschäftsmodell, das Schutz finden soll».
Die Urheber der Tabakwerbeverbotsinitiative werden die Debatte zum Tabakproduktegesetz weiterhin gespannt verfolgen. Wenn das Parlament einen Kompromiss in ihrem Sinne findet, ist es durchaus möglich, dass das Volksbegehren zurückgezogen würde.
Diese Vorlage kommt demnächst erneut in den Ständerat. Dessen Gesundheitskommission will an den für den Jugendschutz zentralen Elementen festhalten und ein Werbeverbot in Gratiszeitungen und im Internet verankern. Die Initianten sprechen von einem «Mittelweg, der auch die Mindestanforderungen des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs erfüllen würde». (aeg/sda)
Also wollen sie gar nicht, dass weniger geraucht wird... weil Wirtschaft! Aus welcher Ecke das wieder kommt, liegt auf der Hand... nicht wählbar!
Öhm... von mir aus?
- 3 Mrd. medizinische Kosten durch Tabak
- 2 Mrd. Kosten durch Produktionsverlust
- 14% aller Todesfälle durch Tabak (9'500)
Aber eben: Die Rechtspopulisten von SVP stellen einmal mehr Geld und Gier vor Mensch und Gesundheit. Und es sind dann genau auch die selben SVPler, die beim Gesundheitspersonal sparen wollen um die Kosten zu senken.
Quelle: https://blog.zhaw.ch/gesundheitsoekonomie/2019/09/10/neue-wig-studie-zeigt-die-enorme-krankheitslast-des-rauchens/