Der Streit um die SRG wird immer hitziger. Nachdem NZZ-Chefredaktor Eric Gujer eine Art Abrechnung mit den «Staatsmedien» verfasst hat, schlagen SRG-Befürworter umso heftiger zurück.
NZZ-Chefredaktor Eric Gujer: «Die Schweiz braucht keine Staatsmedien.» Key/Montage: edi
Gewichtiger kann man einen Leitartikel in der «Neuen Zürcher Zeitung» nicht platzieren: Auf der Frontseite zuoberst in der Samstagsausgabe sprang den Leserinnen und Lesern die Schlagzeile entgegen: «Die Schweiz braucht keine Staatsmedien». Geschrieben hatte ihn der Chef persönlich: NZZ-Chefredaktor Eric Gujer. Der Artikel löste umgehend eine Lawine von empörten Reaktionen von anderen Medienleuten und Medienexperten in den Sozialen Medien aus.
Gujers Artikel wird zwar heftig debattiert, aber vorwiegend im Zirkel von Experten auf Twitter und auf Branchen-Plattformen. Wir haben hier deshalb die wichtigsten Aussagen und Gegenreaktionen zusammengestellt und zu den entsprechenden Beiträgen verlinkt.
Die Reaktionen im Netz liessen nicht lange auf sich warten.
«Infosperber», eine medienkritische Plattform von altgedienten Journalisten, schreibt in einem eigenen Artikel: «Der NZZ-Chefredaktor entblösst sich selbst – Eric Gujer schiesst im Samstag-Frontseiten-Aufmacher gegen die SRG und empfiehlt verschlüsselt ein Ja zur No-Billag-Initiative.»
Viktor Giacobbo (ehemals «Viktors Spätprogramm» auf SRF) wirft dem NZZ-Chef auf Twitter vor, er sei feige, weil er nicht gleich eine «eindeutige Parole» für die «No Billag»-Initiative fasse.
Der Publizist und ehemalige «bz Basel»-Chefredaktor Matthias Zehnder hat ebenfalls in die Tasten gegriffen und stellt den Vorwürfen des NZZ-Chefs zehn Gegenthesen entgegen. Zu Gujers Aussage, die SRG sei ein aussterbender Dinosaurier etwa meint Zehnder: «Die Zeitungs-Dinosaurier sterben aus. Die grossen TV-Netzwerke sind weiterhin gross und sie werden eher noch grösser.» Die SRG habe in der Deutschschweiz insgesamt einen Marktanteil der Programmnutzung von 31% und in der Romandie von 28%.
Oder zum Vorwurf, Leuthard wolle die privaten Medien kontrollieren, meint Zehnder: «Das ist rechtsliberale Propaganda und schlicht Humbug.»
Politikberater Mark Balsiger wiederum bezeichnet NZZ-Chef Gujer als «Pistolero»: »Wir sollten uns nicht wundern, wenn eine Wild-West-Medienlandschaft entsteht.»
In einem Artikel auf dem Branchenportal «persönlich» schreibt Balsiger: «Gujer übernimmt in seinem Text weitgehend Rhetorik und Logik der No-Billag-Initianten. Aus staatspolitischer und publizistischer Sicht ist das bedenklich. Er suggeriert, das Volk könne am 4. März nächsten Jahres Ja stimmen, das Parlament fände hernach einen kreativen Weg, die Initiative umzusetzen. Entweder hat Gujer den Initiativtext nicht gelesen oder er pokert.»
Flammende «No Billag»-Unterstützer wie «Weltwoche«-Autor Florian Schwab dagegen frohlocken. Er bezeichnet den NZZ-Text schlich als »Kunstwerk».
Kurt W. Zimmermann, Verleger und Chefredaktor des Branchenmagazins «Schweizer Journalist», warnt davor, «jeden SRG-Kritiker als niveaulosen Dummkopf» zu diffamieren. Man werde sich dann noch wundern am 4. März.
Am Sonntag, 4. März, entscheidet das Schweizer Stimmvolk über die «No Billag»-Initiative und damit über die Zukunft der SRG. (roc)
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