Liebe Frau Sommaruga
Diese Woche hatten Sie gleich zwei denkwürdige Auftritte. Den ersten am Dienstagabend, als Sie die Kantone überfuhren, die kurz zuvor je einzeln irgendwelche Massnahme-Verschärfungen verkündet hatten.
Ich schreibe bewusst «irgendwelche Massnahmen», denn ich habe den Überblick verloren, wer jeweils wann wo welche Massnahmen auf welchen Zeitpunkt hin in Kraft setzt. Diesen Überblick zu behalten, ist mittlerweile fast ein Vollzeit-Job. Ich muss im konkreten Fall jeweils unser Datenjournalismus-Team fragen.
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Den zweiten denkwürdigen Auftritt hatten Sie heute. Man hatte nach der dienstäglichen Ansage gehofft, der Bundesrat würde endlich wieder einheitliche und langanhaltende Corona-Massnahmen und deren finanzielle Abfederung implementieren, auf die sich Bevölkerung und Wirtschaft für den Rest des Winters einrichten können.
Man hatte vergeblich gehofft.
Stattdessen mussten wir gleich wieder unsere Datenjournalisten bitten, auszurechnen, in welchen Kantonen denn jetzt die verschärften bundesrätlichen Massnahmen gelten und in welchen nicht. Denn das hängt neu von kantonalen R-Werten und 7-Tages-Inzidenzen verglichen mit dem gesamtschweizerischen Durchschnitt in bestimmten Zeiträumen ab.
Ein Ampelsystem, basierend auf relativen Werten? Wirklich?
Mag ja sein, dass dieses Beharren auf föderalem Verantwortungssplitting zwischen Bund und Kantonen die Corona-Kurve vor Weihnachten noch einmal so drückt, dass die schon jetzt gut gefüllten Spitäler nicht überlasten. Ich glaube es zwar nicht. Aber selbst wenn: Was dann?
Wie Gesundheitsminister Alain Berset wiederholt hat, ist die Bevölkerung müde, der Coronavirus-Winter noch lang und es ist auch unsicher, wann die Impfkampagne begonnen werden kann.
Sicher ist hingegen, dass die Bekämpfung des Virus auf dem föderal-konkordanten Vernehmlassungsweg nicht funktioniert. Und dass das Vertrauen der Leute in die 27 verschiedenen, untereinander in unterschiedlichem Grad zerstrittenen Regierungen in den letzten zwei Monaten sehr gelitten hat.
Dass man die Bevölkerung abholt, indem man landesweit geltende Massnahmen kommuniziert, für diese Verständnis schafft und die Finanzierung zusichert, ist indes entscheidend, um das Virus einzudämmen. Nur so kann man verhindern, dass die Coronawellen einfach weiter zwischen der Romandie, der Deutschschweiz und dem Tessin hin und her wogen.
Die heute erlassenen Bestimmungen werden dazu nicht lange taugen, wie die bisherigen Erfahrungen zeigen.
Es ist bekannt, dass Sie und Ihr SP-Kollege Berset im Bundesrat bisher mit dem Anliegen aufgelaufen sind, schweizweite und weitreichendere Anti-Corona-Massnahmen durchzusetzen.
Ich schlage vor, Sie versuchen es nächsten Freitag einfach noch einmal.
Viel Erfolg!
Hochachtungsvoll
Ihr Maurice Thiriet
Es bestimmt ja das Kollektiv oder willst Du die
Leute die gegen jegliche Massnahmen oder den komplizierten schädlichen Kantönligeist sind, zum Lesen Deines Artikels verführen?