Lieber Herr Parmelin
Ich hoffe, Sie hatten einen ebenso guten Start ins neue Jahr wie das englische Mutanten-Virus!
Das B.1.1.7 aus England ist ja gerade dabei, alle anderen Versionen des Coronavirus zu verdrängen. Es ist der Ferrari unter den Sars-CoV-2-Viren und es überrollt ganze Länder und Regionen in geradezu flamboyanter Manier.
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Die Fallzahlen zu senken, scheint derweil mit den verschiedenen Lockdown-Varianten europäischer Prägung schon bei den herkömmlichen Virus-Varianten nicht mehr richtig zu funktionieren. Und beim B.1.1.7 schon gar nicht.
Deswegen haben Sie heute, zusammen mit Gesundheitsminister Berset, richtigerweise eindringlich vor Aufkommen und Verbreitung des Mutanten in der Schweiz gewarnt. Der Dringlichkeit der Botschaft haben Sie formal mit einem Auftritt in Maske und Plexiglas Nachdruck verschafft.
Inhaltlich jedoch hat sich nichts Entscheidendes geändert. Im Gegenteil.
Wenn die Historiker die Mühen der Schweiz in der Bekämpfung dieser Pandemie dereinst zusammenfassen müssen, werden sie sagen:
«Die haben versucht, einer monumentalen Krise mit herkömmlichen Methoden beizukommen. Statt Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, alles Verfügbare an Infrastruktur, Geld und die Bevölkerung zu mobilisieren, haben sie wie gewohnt konferiert, föderiert und evaluiert. Und waren stets einen Tick zu spät.»
So läuft es nun seit Monaten, mit den bekannten Folgen.
Nun steht innerhalb dieser bereits monumentalen Krise eine weitere Eskalation in den Startlöchern, die das Potential hat, alles bisher Erlebte in den Schatten zu stellen. Und was passiert?
Statt angesichts der Bedrohung wenigstens mit geeinter Stimme die Bevölkerung zu mobilisieren, setzen sich Ihre Parteikollegen, der Finanzminister und der Zürcher Finanzdirektor, aufs Podium, machen vor der versammelten Nation Chropfleerete und verbitten sich Kritik an ebendiesen, bisher unzureichenden Gewohnheitsmethoden der Krisenbewältigung?
Da schweigt des Sängers Höflichkeit, und als Bundespräsident sollten Sie solch emotionale Auftritte nicht mit Ihrer Anwesenheit adeln, Parteifreunde hin oder her.
Immerhin hat mindestens jemand aus der bürgerlichen Mehrheit im Bundesrat angesichts von Wengen und dem B.1.1.7-Mutanten den SP-Gesundheitsminister diese Woche darin unterstützt, die Corona-Massnahmen auf Vorrat zu verschärfen und zu verlängern.
Ich rege an, Sie drängen darauf, deren Wirkung auf die Verbreitung des Mutanten lieber zu kurz als zu lange zu evaluieren und lieber zu früh als zu spät nachzulegen.
Auf dass Sie Ihr Jahr erfolgreich abschliessen können.
Und B.1.1.7 seins nicht.
Viel Erfolg!
Hochachtungsvoll
Maurice Thiriet