Die Wasserkraft braucht Hilfe. Nicht zuletzt, weil sie Teil der Schweizer Identität ist, ist der politische Konsens breit, dass das «blaue Gold» auch eine besondere Unterstützung bekommen soll.
Denn die Wasserkraft ist derzeit ein Verlustgeschäft für die Stromkonzerne: Die tiefen Marktpreise decken die Produktionskosten nicht mehr. Über Fördermodelle wird schon länger diskutiert, nun prescht die Stromlobby vor. Der «Tages-Anzeiger» machte gestern ein Positionspapier mit brisanten Forderungen publik. Sechs Stromkonzerne fordern eine zusätzliche Abgabe von 1,6 bis 1,8 Rappen pro Kilowattstunde, um die Investitionen für den Erhalt der Wasserkraftwerke zu finanzieren.
Die Abgabe müssten nur die privaten Haushalte und die KMU bezahlen, die Grosskunden wären befreit. Der Grund dafür: Der Schweizer Strommarkt ist nur teilweise liberalisiert. Die Belastung durch diese «Grundversorgungsprämie» würde für einen Durchschnittshaushalt rund 60 Franken betragen, für ein KMU deutlich mehr.
Das tönt nach wenig, doch in der Summe macht die Abgabe viel aus. 500 Millionen Franken würden zusätzlich in die Kassen der Stromkonzerne fliessen. Die Soforthilfe soll in einer zweiten Phase abgelöst werden durch ein Versorgungs- und Klimamarktmodell. Umgangssprachlich geht es um eine C02-Abgabe auf Dreckstrom. Dafür würde nebst der Wasserkraft auch die Atomenergie profitieren.
Hinter dem Papier, das nächste Woche in der zuständigen Nationalratskommission diskutiert wird, stehen Axpo, Alpiq, Repower, CKW, FMV und AET. Ein grosser Konzern schert aus: die Berner BKW. Verwaltungspräsident Urs Gasche kritisiert die Forderungen ungewohnt deutlich.
«Mit der Grundversorgungsprämie gewinnt weder die Wasserkraft, noch wird die Versorgungssicherheit gestärkt», sagt der Berner BDP-Nationalrat. Das Geld ginge ohne Zweckbindung an die Unternehmen. «Es sollte nicht sein, dass die gebundenen Kunden – also Privathaushalte und KMU – die Elektrizitätsversorgungsunternehmen sanieren müssen.» Gasche wirft den Stromkonzernen Etikettenschwindel vor: «Wenn ein Unternehmen Hilfe braucht, soll es auch so benannt und nicht von Wasserkraftförderung geredet werden.»
Ähnlich äussert sich auch die Stiftung für Konsumentenschutz. Raffael Wüthrich nennt die Grundversorgungsprämie eine «Frechheit», die Stromkonzerne hätten ihre finanziellen Probleme selbst verschuldet: «Das Problem von Alpiq und Axpo ist nicht nur die Wasserkraft. Sie verlieren Hunderte Millionen wegen der defizitären Kernkraftwerke. Doch dafür können sie keine Hilfe erwarten. Deshalb verlangen sie Subventionen für die Wasserkraft, wo wir nicht wissen, wie diese Gelder dann im Konzern versickern.» Auch der Gewerbeverband wehrt sich dagegen, dass «die KMU mit einer neuen zusätzlichen Prämie Defizite der Energiekonzerne decken sollen».
Die sechs Stromkonzerne haben allerdings einen starken Verbündeten: die Kantone. «Die Wasserkraft braucht zeitnah Stützungsmassnahmen», sagt Mario Cavigelli, Präsident der Energiedirektorenkonferenz. Die Wasserkraft sei der wichtigste Energieträger für die Versorgungssicherheit und die Bedeutung nehme mit dem absehbaren Ende der Atomenergie zu, sagt der Bündner Regierungsrat. Nur in einem Punkt weichen die Kantone ab: «Wir sind offen dafür, dass auch die Grossunternehmen eine Prämie bezahlen. Denn sie profitieren ebenfalls von der Versorgungssicherheit», sagt Cavigelli.
Sagt das Volk Ja zur Energiestrategie, wird auch die Wasserkraft mit 120 Millionen jährlich subventioniert. Wüthrich von der Stiftung Konsumentenschutz plädiert dafür, erstmals deren Wirkung abzuwarten, anstatt im Schnellverfahren Nothilfen durch das Parlament zu peitschen.
Doch die Chancen dafür stehen gut. Derzeit ist das Stromversorgungsgesetz in der parlamentarischen Beratung – hier wollen die Stromkonzerne ihre Forderung einbringen. Der Ständerat hat bereits einen wichtigen Entscheid zugunsten der Stromfirmen und zulasten der kleinen Verbraucher gefällt.
Trotz einem Urteil des Bundesgerichts sollen die Firmen ihre Preisvorteile nicht an die privaten Haushalte und KMU weitergeben müssen. Diese «gebundenen Kunden» dürfen ihre Anbieter nicht frei wählen. Ihnen verkaufen die Stromkonzerne den teuren, selbst produzierten Strom zu den Gestehungskosten, während die Grossverbraucher mit günstig eingekauftem Strom versorgt werden. Diese Praxis soll beibehalten werden.
«Betrachtet man die Mehrheitsverhältnisse im Parlament, dürfte die Richtung absehbar sein: Die Stromkonzerne werden nicht stärker belastet, sie müssen also ihre Preisvorteile nicht weitergeben», sagt Nationalrat Stefan Müller-Altermatt. Die Frage sei, für was die Konsumenten bereit sind, mehr zu bezahlen: «Das ist wohl die Wasserkraft.»