Grosse Übernahmedeals im Schweizer Detailhandel sind selten geworden - mal abgesehen des Globus-Verkaufs der Migros im vergangenen Jahr. Doch nun hat Coop die Branche überrascht: Die Genossenschaft mit Sitz in Basel schnappt sich die Jumbo-Baumarktgeschäfte mit 40 Filialen und 1500 Angestellten von der Maus-Frères-Holding aus Genf. Ihr gehören auch das Warenhaus Manor sowie diverse Modemarken wie «Lacoste» und «Gant».
Für die Angestellten von Jumbo ist die Nachricht kurz vor dem Osterwochenende eine Hiobsbotschaft. Zwar beteuert Coop, dass Schliessungen derzeit nicht geplant sind. Ohnehin muss der Handelsriese noch auf die Freigabe der Eidgenössischen Wettbewerbskommission (Weko) warten.
Doch klar ist, dass Coop bei der «Due Dilligence», also der vertieften Prüfung des möglichen Kaufobjekts, nach Synergien Ausschau gehalten hat - aber auch nach Doppelspurigkeiten. Und die gibt es. Gemäss CH-Media-Informationen stehen rund 15 Jumbo-Filialen in der Nähe von «Bau & Hobby»-Geschäften von Coop. Insgesamt bringt es Coop auf 73 eigene Standorte mit einem Umsatz von knapp 700 Millionen Franken.
Das Worst-Case-Szenario aus Sicht der Angestellten wäre die Schliessung dieser 15 Standorte. Was hiesse das fürs Personal? Insgesamt zählt Jumbo 1500 Angestellte gemäss eigenen Angaben. Grosszügig geschätzt dürften 200 bis 300 Mitarbeitende in der Zentrale in Dietlikon ZH arbeiten, im Einkauf, im Marketing und in der Administration. Bleiben 1200 im Verkauf. Vereinfacht hochgerechnet würden die 15 Standorte somit bis zu 450 Stellen bedeuten. Und da es wohl auch in der Zentrale Synergien gibt, dürften im schlimmsten Fall 500 Stellen wackeln.
Coop will die Hochrechnung nicht bestätigen. Eine Sprecherin sagt: «Das Filialnetz von Jumbo ergänzt die Standorte der Coop-Gruppe ideal.» Zur Frage, ob der Name Jumbo beibehalten werde, könne man aufgrund des ausstehenden Weko-Entscheids ebenfalls noch keine konkreten Aussagen tätigen.
Jumbo-Sprecher Daniel Hofmann sagt: «Kein Kommentar, denn momentan ist alles reine Spekulation.» Tatsächlich ist die Zahl der Angestellten je nach Filialgrösse unterschiedlich. Kommt hinzu, dass die Weko selbst bei einer Absegnung des Deals Auflagen machen könnte, die auch einen drohenden Abbau zumindest temporär eingrenzen würden. Ebenfalls beruhigend aus Personalsicht: Coop ist nicht als brutaler Jobkiller bekannt und bemüht sich jeweils um sozialverträgliche Lösungen.
Fragt sich, weshalb Maus Frères die Baumarkkette Jumbo verkaufen will. Verwaltungsratspräsident Didier Maus lässt sich im Communiqué wie folgt zitieren: «Es war für uns sehr wichtig, für die Mitarbeitenden von Jumbo eine neue, starke Arbeitgeberin mit einer langfristigen Vision zu finden, was bei Coop der Fall ist.»
Maus Frères wolle sich auf das Kerngeschäft und die DNA der Holding konzentrieren, namentlich die Manor-Warenhauskette, die sich mitten in einem Turnaround-Prozess befindet, sowie die Modemarken unter dem Dach der MF Brand Group. Dazu gehören unter anderem «Gant» und «Lacoste». In den vergangenen Jahren hatte sich die Maus-Frères-Holding auch schon vom Sportartikelhändler «Athleticum», den Möbelgeschäften von «Fly» und den Musik-Filialen von «Citydisc» getrennt.
Diese Geschäftsformate hatten mit einem starken Konkurrenzumfeld zu kämpfen. Jumbo - wie die gesamte Bau- und Wohnmarktbranche - floriert derzeit hingegen. Im Lockdown hatte die Hobby-Gärtnerei Hochkonjunktur. Und mit der Etablierung des Home-Office-Regimes dürfte sich daran nicht allzu rasch etwas ändern. Auch Coop konnte den Umsatz von «Bau & Hobby» im Corona-Jahr 2020 um 10 Prozent steigern. Das Geschäft mit Rasenmähern, Topfpflanzen und Kettensägen hat sich als krisenresistent erwiesen. Der Onlinetrend ist hier schwächer. Denn für die schweren Geräte bevorzugen viele Kundinnen und Kunden nach wie vor den Gang ins Geschäft vor Ort mit einer persönlichen Beratung.
CH Media weiss: Jumbo hat vor und während der Coronakrise einen sehr guten Gewinn erzielt. Und die Aussichten bleiben gut. «Coop dürfte einen Preis geboten haben, den Maus Frères nicht ablehnen konnte», sagt ein Insider. Schliesslich habe Coop die nötige Finanzkraft, auch dank des hohen Gewinns von 539 Millionen Franken im vergangenen Jahr. Und Coop musste sich gegen andere Interessenten durchsetzen, was den Kaufpreis weiter nach oben gedrückt haben dürfte. Dennoch mache der Deal aus Coop-Sicht Sinn, so der Insider. Denn in der Schweiz sei es schwierig geworden, neue Baumärkte zu eröffnen, da sie viel Land und Parkplätze benötigen.
Also schnappte Coop zu. (bzbasel.ch)