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Bauernchef fürchtet wegen argentinischer Steaks um Existenz

Bauernchef Markus Ritter befürchtet in der Arena nichts weniger als das Ende der Schweizer Bauern.
Bauernchef Markus Ritter befürchtet in der Arena nichts weniger als das Ende der Schweizer Bauern.Bild: Screenshot srf

«Dann sind wir tot!» – Bauernchef fürchtet wegen argentinischer Steaks um Existenz

Welche Lebensmittel sollen auf unseren Tellern landen? Darüber haben die «Arena»-Gäste hitzig gestritten. Markus Ritter befürchtet nichts Geringeres als die Ausrottung der Schweizer Bauern, sollte Südamerika künftig zollfrei in die Schweiz liefern dürfen.
03.03.2018, 06:4903.03.2018, 19:18
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Bauer Beat Flubacher ist stolzer Besitzer von hundert Säuen. Doch er hat ein Problem: «Selbst wenn ich ein Schwein gratis in den Schlachthof gebe, ist das Fleisch am Ende teurer als jenes aus dem EU-Raum.» Die Schweizer Metzger verdienten so viel mehr als ihre Kollegen im Ausland, dass sich das zwangsläufig im Preis niederschlage.

Falls Flubacher auf Mitleid hoffte, war er bei Jean-Philippe Kohl vom Industrieverband Swissmem an den Falschen geraten. «Das ist vielleicht ein Anhaltspunkt, zu überlegen, ob Sie etwas anderes machen sollten», riet dieser dem Landwirten. Ein Menschenrecht, eine Schweinezucht zu betreiben, existiere nicht.

Video: streamable
«Der Bundesrat will auf Vorrat die Schweizer Landwirtschaft eliminieren!»
Markus Ritter (CVP), Präsident des Bauernverbands

«Bauern auf die Schlachtbank?», lautete der Titel der gestrigen Sendung. Wer dahinter eine boulevardeske Zuspitzung der SRF-Redaktion vermutete, hatte die Panik in Markus Ritters Augen noch nicht gesehen. «Der Bundesrat will auf Vorrat die Schweizer Landwirtschaft eliminieren!», rief der verzweifelte Bauernpräsident in die Kamera, wobei sich seine knarzige Stimme in immer höhere Tonlagen schraubte.

Der Vergleich mit einem Tier, das auf der Schlachtbank um sein Leben schreit, wäre nicht so weit hergeholt. (Geziemt sich bei einem gewählten Volksvertreter aber möglicherweise nicht.)

Video: streamable

Anlass für die Aufregung im Bauernstand ist das sogenannte Mercosur-Abkommen, über das die Schweiz derzeit mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay verhandelt. Ein Freihandelsabkommen würde es der Schweiz erlauben, Maschinen, Uhren oder Medikamente günstiger in die südamerikanischen Länder zu exportieren. Bei 260 Millionen Einwohnern ein lukratives Geschäft für die Schweizer Industrie.

Im Gegenzug wollen aber auch Brasilien und Co. ihre Produkte zollfrei in die Schweiz bringen. Im Angebot haben die Agrargrossmächte vor allem Rindfleisch, Geflügel, Zucker und andere landwirtschaftliche Produkte. Die einheimischen Bauern befürchten, dass dadurch die Preise für Schweizer Produkte unter Druck geraten. Der Bundesrat rechne beim Rindfleisch mit Einbussen von 32 Prozent, zitierte Ritter aus einem Bericht. «Da sind wir tot!»

«Es gibt in der Schweiz nicht nur Bauernfamilien, sondern auch Konsumentenfamilien.»
Patrick Dümmler, Avenir Suisse

Für das Freihandelsabkommen weibelten in der «Arena» FDP-Nationalrätin Christa Markwalder sowie Patrick Dümmler von der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse. «Es gibt in der Schweiz nicht nur Bauernfamilien, sondern auch Konsumentenfamilien», gab Dümmler zu bedenken. Alleinerziehende seien unter Umständen froh, wenn sie im Supermarkt auch günstigere Produkte aus dem Ausland zur Auswahl hätten.

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Markwalder pries den Welthandel als Weg aus der Armut: In den letzten dreissig Jahren sei über eine Milliarde Menschen der bitteren Not entkommen, weil die Globalisierung ihnen die Chance eröffnet habe, ihre Produkte im Ausland abzusetzen. Am Ende profitierten alle davon, zeigte sich die Bernerin überzeugt. Wenn die hiesigen Bauern innovativ seien und sich nach den Bedürfnissen der Konsumenten ausrichteten, stehe auch ihnen eine rosige Zukunft bevor, lautete der Tenor auf der rechten Studioseite.

Doch nicht nur das Mercosur-Abkommen könnte die Spielregeln für die Schweizer Landwirtschaft grundlegend ändern. Dieses Potenzial haben auch zwei linke Volksinitiativen, über die das Stimmvolk in nicht allzu ferner Zukunft abstimmen wird. Die Fair-Food-Initiative der Grünen sieht vor, dass nur noch Produkte importiert werden dürfen, die punkto Tierschutz, Ökologie und Arbeitsbedingungen hohe Standards erfüllen.

Eine ähnliche Stossrichtung verfolgt die Volksinitiative «Für Ernährungssouveränität», die aus der Feder der Bauerngewerkschaft Uniterre stammt. Sie will, dass sich die Schweizer Bevölkerung «überwiegend» mit einheimischen Lebensmitteln ernähren kann. Zu diesem Zweck sieht sie Zölle auf ausländische Lebensmittel vor – insbesondere, wenn diese nicht nach Schweizer Normen produziert wurden.

«Heute herrscht ein Wettbewerb um den billigsten Preis. Wir aber wollen einen Wettbewerb um Qualität.»
Maja Graf, Nationalrätin Grüne

Sie wolle kein Fleisch aus Massentierhaltung mehr in der Schweiz, und keine Früchte, die von Arbeitern unter miserablen Bedingungen gepflückt wurden, sagte Nationalrätin und Biobäuerin Maya Graf (Grüne). «Heute herrscht ein Wettbewerb um den billigsten Preis. Wir aber wollen einen Wettbewerb um Qualität.»

Wenn das unter schlechten Bedingungen produzierte argentinische Rindssteak günstiger sei als das fair produzierte aus der Schweiz, dann laufe etwas schief, meinte auch Fabian Molina, Ex-Juso-Präsident und Bald-Nationalrat. Für ihn entspricht es dem «gesunden Menschenverstand», dass Produkte «nicht um die ganze Welt gekarrt», sondern primär für die Leute vor Ort produziert werden.

Für ihre Ausführungen handelten sich die beiden den Vorwurf ein, eine «kolonialistische Haltung» zu vertreten. Es gehe nicht an, den Handelspartnern zu diktieren, welches die «richtigen» ökologischen Standards seien, betonten Markwalder und Dümmler. Dies zu entscheiden, liege in der Eigenverantwortung des Konsumenten.

Beim Versuch, diesen Punkt zu verdeutlichen, schoss Dümmler allerdings ein Eigentor: Der aufgeklärte Konsument kaufe schon heute kaum Billig-Eier aus Käfighaltung, sondern vorwiegend Schweizer Freiland-Bio-Eier. «Das ist doch ein wunderbares Beispiel», schloss er triumphierend. Worauf ihn Maya Graf genüsslich darüber aufklärte, dass die Käfighaltung in der Schweiz bereits seit Jahrzehnten verboten ist. Und bei importierten Eiern ein Deklarationszwang herrscht. «Das, was Sie da gerade anpreisen, ist eine staatliche Regulierung.»

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Schweizer Milchbauern kämpfen um ihre Existenz

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Wenn Bauernregeln ehrlich wären

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Wenn Bauernregeln ehrlich wären
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203 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Gummibär
03.03.2018 08:54registriert Dezember 2016
"Es gibt in der Schweiz nicht nur Bauernfamilien, sondern auch Konsumentenfamilien" Dieser eine Satz trifft ins Schwarze.
Man darf auch fragen warum nur der Beruf des Bauern seit Jahrzehnten geschützt und massiv subventioniert wird. Warum nicht auch die Lithografen, Drucker und Setzer, Wagner, Küfer und Schmiede, Sattler, Sticker, Hafner, Giesser, Schuster, Schreiner und Gärtner, Kutscher und Bäcker, Färber, Weber ,Töpfer, Müller und Gastwirte...... Hat schon jemand untersucht wieviele der ursprünglich subventionierten Bauern heute noch bauern. Oder sind Milliarden nutzlos verpufft ?
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Töfflifahrer
03.03.2018 09:03registriert August 2015
Ich habe das Problem für mich so gelöst, ich esse nicht mehr viel Fleisch und wenn, kaufe ich Fleisch beim Metzger ein der mir auch sagt woher das Fleisch stammt. Ich kenn den Betrieb und und manchmal sogar den Bauern.
Seit ich weniger Fleisch esse geht es mir auch gesundheitlich besser.
Das hat primär nichts mit den Preisen zu tun aber die vielen Berichte um das Leid und das Quälen der Tiere, letztmalig die berichte aus Südamerika betreffend Pferden, war und ist mir zu viel gewesen.
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destin
03.03.2018 10:14registriert Dezember 2016
Wenn's um die Landwirtschaft geht, argumentieren stramm Rechte plötzlich sozialistisch und grün und schreien nach dem Schutz des Staates. Wenn's um den Schutz von Lohnabhängigen und Umweltschutz geht, sind soziale Massnahmen des Teufels und der Staat soll sich raushalten. Soll da noch wer drauskommen.
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