Laut Bundesamt für Statistik verdienen Frauen im Durchschnitt rund 600 Franken weniger pro Monat als Männer. Und dieser Unterschied lässt sich nicht erklären. Weder durch Faktoren wie Berufserfahrung noch Ausbildung.
Ist dieser Unterschied nur auf die Unternehmen zurückzuführen? Oder liegt es auch am Verhandlungs(un)geschick der Frauen? Wir haben bei einer Headhunterin nachgefragt. Und diese hat mit uns Tacheles geredet.
Frau Barnickel, wann haben Sie das letzte Mal eine Lohnerhöhung erhalten?
Ute Barnickel: Ehrlich gesagt musste ich
mir im letzten Jahr erst einmal den Lohn kürzen, als ich mich selbständig
gemacht habe (schmunzelt).
Sie rekrutieren Executive Assistants für CEOs. Sind Assistenzstellen noch immer eine Frauendomäne?
Ja, das ist tatsächlich so
– bei jeder neuen Ausschreibung sind maximal drei bis vier männliche Bewerber
dabei. Wobei das ja nicht immer so war. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Beruf Sekretär fast
ausschliesslich durch Männer wahrgenommen. Ungefähr in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts und in 50ern kam das Bild der typischen Vorzimmerdame auf,
‹die tippt und den Kaffee serviert›.
Und heute? Vermitteln Sie auch Männer?
Ja, und die Zahl dürfte von mir aus gerne noch
zunehmen. Aber dennoch überwiegt der Anteil der Frauen, die ich rekrutiere, bei
weitem. Unsere Klienten sagen das zwar nicht ganz offen, aber ich kann
bestätigen, dass primär Frauen eingestellt
werden. Doch mit dem Wandel des Berufsbilds stelle ich durchaus eine Veränderung
fest. Innerhalb der letzten 12 Monate haben wir drei männliche Assistenten
vermitteln können.
Und wie viele Ihrer Kunden sind weibliche CEOs?
Hmm
(denkt nach). Das waren zwei innerhalb der letzten 5 Jahre.
Würden Frauenquoten in Firmen dieses Problem lösen?
Da bin ich zwiegespalten. Die
Wirtschaft kann es sich nicht leisten, auf das Potenzial gut ausgebildeter
Frauen zu verzichten. Eine befristete Quote wäre vielleicht ein Weg. Auf der
anderen Seite bin ich aber auch der Meinung, dass die Person mit den
entsprechenden Leistungsnachweisen und Qualifikationen eingestellt werden soll.
Die Diskussion um die Frauenquote hat bereits einige Fortschritte gebracht.
Klienten verlangen heute vom Headhunter mindestens so viele Männer wie Frauen
zur Auswahl. Das war vor zehn Jahren noch ganz anders.
Das löst aber das Problem des unerklärten Lohnunterschieds zwischen Mann und Frau nicht.
Nein, das tut es nicht. Und
jetzt spreche ich für das von mir betreute Segment der Executive Assistants. Es
ist tatsächlich so, dass Frauen noch immer weniger verdienen. Das liegt aber
auch daran, dass der Lohn zum Teil willkürlich bestimmt wird und nicht immer
klaren Richtlinien folgt. Nicht zu vergessen die Tatsache, dass es nicht selten
zur Vergabe von «Sympathie-Boni» kommt. Wer besser verhandelt und sich besser
verkauft, erhält mehr Lohn. Ich bin der festen Überzeugung, dass es generell
mehr Lohntransparenz braucht. Diese ganze Geheimniskrämerei um das Gehalt muss
verschwinden. Firmen sollen offener kommunizieren, was sie für welche
Leistungen und Qualifikationen anbieten können.
Verhandeln Frauen schlechter als Männer?
Sagen wir es so: Sie begeben
sich häufiger in die Rolle des Bittstellers und lassen die Emotionalität nicht
aussen vor. Was ich zu hören bekomme ist: ‹Ach, heute kann ich nicht mit meinem
Chef reden, ich warte lieber, bis er wieder besser gelaunt ist.› Das darf man
nie denken, damit hat man bereits verloren.
Warum?
Weil man so die ganze Verhandlung ins Emotionale zieht. Und das ist in der Tendenz schon eher bei Frauen der Fall. Natürlich gibt es solche, die können das hervorragend. Aber Vielen steht der emotionale Aspekt im Weg. Frauen machen sich viel mehr Gedanken darüber, wie der oder die Vorgesetzte auf die Forderungen reagiert oder ob man ihn mit seinen Forderungen womöglich vor den Kopf stösst. Das schwächt die Verhandlung.
Was müssen denn Frauen konkret tun, um eine erfolgreiche Lohnverhandlung zu haben?
Perfekte Vorbereitung ist
das A und O. Niemals mit blankem Papier in ein Verhandlungsgespräch gehen. Man muss
sich im Vorfeld genaue Gedanken darüber machen, was man geleistet hat. Und stets
mit Hard Facts verhandeln. Dinge wie ‹ich schlichte immer die Streits im Büro›
oder ‹ich bin erste Anlaufstelle für Probleme› würde ich nicht ins Feld führen. Damit begibt man sich
gleich wieder auf eine emotionale Schiene.
Das klingt vielleicht einfach in der Theorie ...
Natürlich ist das nicht
immer einfach. Aber von nichts kommt nichts. Oder wie man in Deutschland sagt:
‹Klappern gehört zum Handwerk!› Viele – und das ist wiederum eher ein
Frauending – warten darauf, dass die eigenen Leistungen anerkannt werden. Sie
sitzen im stillen Kämmerlein und harren aus mit der Hoffnung, dass der Chef
endlich die verdienten Lorbeeren verteilt. Doch das passiert selten. Man muss
einfach selber aktiv werden. Immer im Hinterkopf behalten: Fragen ist keine
Zumutung für den Chef!
Glauben Sie, dass das Verhandlungsgeschick, vor allem bei Frauen, auch eine Generationenfrage ist?
Dem stimme ich zu. Ich
erlebe viele junge Frauen, die mutiger sind als die ältere Generation. Sie sind
weniger scheu, Dinge einzufordern. Sie agieren angstfreier, sind globaler
vernetzt und selbstbewusster. Eine positive Entwicklung.
Was kann man sonst noch tun, um als Frau dem Lohnunterschied aktiv entgegen zu wirken?
Immer wieder mal den
eigenen Marktwert testen. Heisst konkret: Den Arbeitsmarkt beobachten und sich
ruhig auch mal auf eine Stelle bewerben, um zu schauen, was andere bieten und
wie ‹begehrt› man auf dem Markt eigentlich ist. Ganz wichtig ist: Ehrlich mit
sich selbst sein. Man muss sich über seine Stärken und Schwächen stets bewusst
sein. Man muss wissen, was man kann und ob man auch bereit ist, das zu leisten,
was gefordert wird.