Dank atemberaubendem Panorama von Eiger, Mönch und Jungfrau ist Grindelwald-Wengen eines der meistbesuchten Skigebiete der Schweiz. Damit nicht genug: Mit Inbetriebnahme der Hochleistungs-Gondelbahn auf den Männlichen am 14. Dezember und dem Eiger-Express (Dezember 2020) steigt die Kapazität weiter an.
Die Kehrseite der Medaille: An Spitzentagen drängen sich dermassen viele Wintersportler auf den Pisten, dass entspanntes Skifahren nur schwer möglich ist.
Nun weist sich das Wintersport-Mekka im Berner Oberland selbst in die Schranken. Auf den Pisten oberhalb von Wengen und Grindelwald sollen ab 2021 maximal 17'000 Menschen pro Tag herumfahren, wie der «Sonntagsblick» zuerst berichtete. Übersteigt der Ansturm diese Zahl, werden keine Skipässe mehr verkauft.
Auf watson-Anfrage erklärt Kathrin Nägeli von den Jungfraubahnen, dass an absoluten Spitzentagen selbst mit den bereits vorhandenen Bergbahnen über 20'000 Leute ins Skigebiet transportiert wurden. «Das ist zu viel, die Leute sollen das Erlebnis geniessen können und ausreichend Platz finden.»
Die Jungfrau-Verantwortlichen geben unumwunden zu, dass die angekündigte Besucherlimite ebenso eine Marketing-Aktion ist. «Je knapper ein Gut, desto wertvoller ist es», so Direktor Urs Kessler. Dementsprechend wäre es denkbar, dass die Preise an Spitzentagen steigen. Die Jungfraubahnen winken ab. «Wir haben uns gegen dynamische Preise entscheiden, prüfen aber laufend weitere Tarifmodelle», so Nägeli.
Besucherlimiten gegen Wintersport-Overtourism: Das Beispiel Grindelwald ist nur eine Möglichkeit für die Winterdestinationen, die Skifahrermassen zu steuern. Davos Klosters setzt auf die unterschiedliche Positionierung der einzelnen Skigebiete. Während die Region Rinerhorn etwa besonders für Familien ausgelegt ist, ziehe es Après-Ski-Liebhaber eher aufs Jakobshorn.
«Eine Limitierung kommt für uns nicht in Frage. Spezifische Angebote für verschiedene Gäste auf den Bergen ist für uns wichtiger», sagt Martina Walsoe, Leiterin Marketing & Kommunikation der Davos Klosters Bergbahnen.
Nichtsdestotrotz macht das Zauberwort Kontingentierung in Zeiten von Instagram-Overtourism auch in der Schweiz vermehrt die Runde. «Man muss in den touristischen Hotspots eine Regulation herbeiführen, die allen etwas bringt», sagte Globetrotter-Chef André Lüthi jüngst in der Hotelrevue.
Gerade in der Schweiz gebe es immer noch zu viele Touristiker, die denken, Overtourism sei in der Schweiz noch kein Thema. Es werde zu oft verdrängt und schöngeredet. «Ja, wir haben in Luzern bislang noch keine Zustände wie in Dubrovnik. Aber das rollt auf uns zu.»
Bei Schweiz Tourismus zeigt man sich punkto Overtourism gelassen. «Wir kennen lediglich einige zeitliche und lokale Engpässe», sagt Sprecher Andé Aschwanden zu watson. Zu den Besucherlimiten in der Jungfrau-Region sagt er, dass eine Kapazitätsbegrenzung in anderen Skigebieten wie den Flumserbergen oder Laax üblich sei.
Es gibt noch eine andere Kehrseite: die Natur. Der andauernde Ausbau der Bergwelt zur Sport- und Fun-Arena setzt der Tierwelt zu und macht die Schönheit und Anmut der Berge kaputt. Es wäre an der Zeit zu sagen: Es ist genug, wir wollen nicht noch mehr Gondelbahnen und Pisten.
Es gibt mehr Menschen, die Skifahren können.
Es gibt mehr Menschen, die sich das leisten können.
Der Wintersport wird entsprechend beworben.
Skigebiete wurden entsprechend ausgebaut und in ihrer Attraktivität gesteigert.
Ich verstehe, dass entsprechend Überlegungen betreffend Spitzentagen und Hochkonjunktur angestellt werden.