Merkel, Conte, Macron - alle drei Regierungschefs fordern, dass die Skigebiete über die Festtage geschlossen bleiben. Von der Offensive der Nachbarstaaten gibt sich der Schweizer Wintertourismus tief entspannt. Der Präsident von Seilbahnen Schweiz, FDP-Ständerat Hans Wicki, sagte es undiplomatisch: «Wir müssen nicht jede Dummheit mitmachen.»
Doch der Bundesrat reagiert. An der Pressekonferenz diese Woche sagte Bundesrat Alain Berset schon: «Es muss klar sein, was passiert, wenn die Schutzkonzepte nicht funktionieren. Es ist dem Bundesrat ein Anliegen, mit den betroffenen Kantonen darüber zu sprechen.» Wie die «Schweiz am Wochenende» erfahren hat, haben erste Gespräche bereits stattgefunden. In Bern glaubt man: die Skigebiete müssen ihre Schutzkonzepte nochmals verschärfen.
Noch immer ist das Ziel, die Skigebiete offen zu halten. Das Gremium findet, dass es möglich ist. Skifahren gelte epidemiologisch als weniger gefährlich als andere Massenanlässe. Zugleich gibt es diese neuralgischen Punkte in den Winterferien, wo es zu Gedränge kommt: Anfahrt, Anstehen, Shuttlebusse oder Gondeln, und die Gastronomie. Es darf kein Risiko eingegangen werden, findet man im Gesundheitsdepartement. Dafür haben schon Gespräche stattgefunden mit den betroffenen Kantonen. Auch Verbände waren mit dabei. Aus diesen Gesprächen sollen Anträge entstehen, die in den Bundesrat gebracht werden. Das ist das Vorgehen, die Zeit drängt und vieles ist noch im Fluss.
Unter anderem stellt sich die Frage, ob die Kapazitäten zu beschränken sind. Dann könnten die Skigebiete nur eine limitierte Gästezahl auf den Berg lassen. Dies hatten die Seilbahnen bisher kategorisch abgelehnt. Wie im sonstigen öffentlichen Verkehr würden für sie keine Kapazitätsbeschränkungen gelten, sie würden sich an die Maskenpflicht halten. Es soll zudem diskutiert werden, wie genau die Regeleinhaltung zu kontrollieren ist. Und falls es Verstösse gibt - welche Sanktionen es geben könnte. Eine denkbare Variante: die zeitweise Schliessung von Skigebieten.
In den Gesprächen soll Berset dem Vernehmen nach darauf hingewiesen haben, was auf dem Spiel steht. Die Kantone tragen grosse Verantwortung, das Risiko für die schweizerische Reputation ist riesig, so die Einschätzung in Bundesbern. Der Rufschaden wäre immens, wenn es ein neues «Ischgl» gäbe; die Schweiz zum Superspreader von Europa würde, so wie es der österreichische Winterort in der ersten Welle wurde.
Im Departement von Berset will man die Gespräche als Hilfe verstanden wissen, damit die Saison gelingt. Dem Bundesrat ist es wichtig, dass schweizweit dieselben Spielregeln gelten. Auch die epidemiologische Situation muss berücksichtigt werden. Damit nimmt der Bund eine aktivere Rolle ein im Zusammenspiel mit Kantonen und den Tourismusbranchen.
Viel Zeit bleibt nicht. Die Änderungen an den Schutzkonzepten werden aus dem Boden gestampft. Man sucht die Absprache mit den Nachbarländern. Eigentlich hätte Berset dies im Sommer tun wollen. Er wurde abgeblockt. Das sei überbordender Zentralismus. Die Fallzahlen waren tief, die Zuversicht gross. Es war Sommer. Danach schnellten die Fallzahlen im Oktober hoch, sanken wieder, aber in den internationalen Vergleichen steht die Schweiz noch hoch oben. Und vor allem fordern drei Nachbarstaaten die Schliessung von Skigebieten. Die Einschätzung in Bern: Das Reputationsrisiko ist gross.
Steigen die Fallzahlen, wenn die Massen in die Skigebiete drängen? Oder ist es aus wissenschaftlicher Sicht vertretbar, dass die Skigebiete offen bleiben, so lange die Schutzkonzepte rigoros umgesetzt werden? Zu dieser Frage hat sich Taskforce-Chef Martin Ackermann gegenüber CH Media geäussert. Die Schweiz sei aktuell in einer epidemiologischen Situation mit tendenziell sinkenden, aber immer noch hohen Fallzahlen, warnt Ackermann. «Um ein erneutes Ansteigen der Fallzahlen und damit gesundheitliche und wirtschaftliche Folgen zu vermeiden, ist bis im Frühjahr ein besonders umsichtiges Handeln notwendig.»
Denn in den kommenden Wintermonaten steigt die Ansteckungsgefahr. Es gibt eine Häufung saisonaler Ereignisse mit erhöhter Mobilität und zunehmendem Austausch zwischen den Menschen: Die Zeit rund um die Feiertage, Winterferien und der Wintersport. Dazu kommt die nasskalte Jahreszeit den Aufenthalt in Innenräumen, was im Gegensatz zu den Sommermonaten das Ansteckungsrisiko begünstigt. Diese Anhäufung von Risiken bedeuten dann, wie Ackermann sagt: «Wissenschaftliche Daten würden klar belegen, dass Schutzkonzepte sehr diszipliniert und streng umgesetzt werden müssten, um Übertragungen bestmöglich zu verhindern.»
Das Contact-Tracing wird gefordert sein: «Da das Einzugsgebiet im Wintersport national bis international ist, muss das Contact Tracing für das Brechen von Infektionsketten sehr effektiv umgesetzt werden.» Auch bei der Anfahrt müssten die Schutzmassnahmen gut umgesetzt werden. (aargauerzeitung.ch)