Schweiz
Wahlen 2019

Wahlen 2019: Wie sich die Swisscom in den Wahlkampf einmischte

ARCHIVBILD - ZU DEN ZAHLEN DES 1. QUARTALS VON SWISSCOM, AM DONNERSTAG, 2. MAI 2019 - Swisscom Shop von aussen, fotografiert am Freitag, 19. Januar 2018, in Zuerich Oerlikon. Die Swisscom kaempft seit ...
Der Platzhirsch auf dem Schweizer Telekommarkt hat sich politisch neutral zu verhalten.Bild: KEYSTONE

Digitale Panne? Wie sich die Swisscom in den Wahlkampf einmischte

Die mehrheitlichem dem Bund gehörende Swisscom setzte einen Werbe-Tweet für eine Auswahl von vorwiegend freisinnigen Politikern ab. Ein Versehen, heisst es.
11.10.2019, 08:17
Henry Habegger / ch media
Mehr «Schweiz»

Da gab die Swisscom Vollgas. Schub für eine ausgewählte Gruppe von Politikern. Der Tweet war, ganz global und digital, auf Englisch formuliert. Der Inhalt, übersetzt: «Keine Ausrede mehr. In Bezug auf die kommenden Nationalratswahlen versprechen diese Schweizer Politiker, #startups zu unterstützen».

Es folgte in diesem Werbe-Tweet, den die Swisscom-Abteilung StartUp am Mittwoch absetzte, eine Galerie von zwei Frauen und sechs Männern schwergewichtig aus der Informatik-Szene, die für National- oder Ständerat kandidieren.

Der Swisscom-Tweet des Anstosses.
Der Swisscom-Tweet des Anstosses.Screenshot: CH Media

Politikerinnen und Politiker, die sich dafür im Gegenzug von die von Swisscom beworbene Start-up-Offensive einsetzen.

Viel FDP auf dem Werbe-Tweet

Die Sache war dabei recht einseitig. Fünf der Leute gehören der FDP oder den Jungliberalen an: Ständerat Ruedi Noser (ZH), Nationalrat Marcel Dobler (SG) sowie die neu kandidierenden Sébastien Kulling (VD), Patrick Mollet (ZG) und Andri Silberschmidt (ZH).

Dazu kamen zwei Grünliberale, Nicola Forster (ZH) und Judith Bellaiche (ZH). Sowie von der SP die Zürcher Nationalrätin Jacqueline Badran.

«Andere staatsnahe Unternehmen, wie SBB, SRF und Post machen ja auch keine Werbung für bestimmte Politiker.»
CVP-Präsident Gerhard Pfister

Die Swisscom ist nicht irgendein Unternehmen. Der Platzhirsch auf dem Schweizer Telekommarkt gehört zu 51 Prozent dem Bund. Er hat sich politisch neutral zu verhalten.

Angefragt, was er von diesem Wahlwerbe-Tweet der Swisscom halte, sagte CVP-Präsident Gerhard Pfister, dessen Partei bei der Swisscom-Kandidatenförderung leer ausging: «Sehe ich kritisch. Andere staatsnahe Unternehmen, wie SBB, SRF und Post machen ja auch keine Werbung für bestimmte Politiker.»

Swisscom StartUp, der Absender der Twitter-Werbung, ist laut Selbstdeklaration «die Plattform für Jungunternehmer/innen und Gründer/innen». Diese werden von Swisscom «mit Beratung, Vergünstigungen bei IT und Cloud Diensten, Experten Know-how, Coaching-Programmen, Finanzierung und Community Events» unterstützt.

Swisscom-Sprecher wiegelt ab

Der Wahlwerbe-Spuk für einige Auserwählte aus der Welt des Digitalen und der Innovation dauerte allerdings nur kurz. Etwa eine halbe Stunde nach einer Anfrage von CH Media bei Swisscom verschwand der Tweet plötzlich vom Netz. CH Media hatte nachgefragt, was die Auflistung solle und ob die Swisscom die Wahlwerbung für korrekt und zulässig halte.

Swisscom-Sprecher Sepp Huber hielt später fest: «Swisscom gibt keine Wahlempfehlungen für Politikerinnen und Politiker ab. Entsprechend gibt es auch keine Auflistung.» Es habe sich «nicht um eine Swisscom-Liste, sondern um eine Übersicht von Venturelab gehandelt, einem breit abgestützten Förderprogramm für Start-ups, die vom Swisscom StartUp-Team übernommen wurde». Und: «Der Textvorschlag, die Auswahl der Politiker wie auch das Bild stammen somit nicht von Swisscom, sondern von Venturelab.»

Sommaruga: «Einmischen verboten»

Swisscom hatte demnach bloss bei Venturelab abgekupfert, einer privaten Initiative, die Jungunternehmen fördert und von Swisscom, Post und BKW unterstützt wird. Ein Twitter-Unfall also, eine digitale Panne?

Swisscom hatte jedenfalls allen Grund, die Werbung schnell verschwinden zu lassen. «Der Eigner erwartet von den bundesnahen Unternehmen, dass sie sich nicht in den Wahlkampf einmischen», hält das Departement der für die Swisscom zuständigen Bundesrätin Simonetta Sommaruga (SP) fest. Und: «Die Swisscom gibt denn auch keine Wahlempfehlungen ab. Gemäss Swisscom wurde der Tweet versehentlich übernommen. Die Swisscom hat den Tweet inzwischen gelöscht.»

Beworbene fanden den Tweet weniger schlimm. Ruedi Noser (FDP) hatte ihn bereits weiterverbreitet, SP-Unternehmerin Jacqueline Badran mit «Gefällt mir» ausgezeichnet.

Für Insider kam die FDP-Lastigkeit des Support-Tweets nicht ganz überraschend. Bei der Swisscom sitzen FDP-Leute an wichtigen Hebeln: Stefan Nünlist, Leiter Unternehmenskommunikation etwa. Er kandidiert für die FDP in Solothurn für National- und Ständerat. Auch Swisscom-Cheflobbyist Stefan Kilchenmann gehört der FDP an.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
#GoWote! Darum machen wir bei den Wahlen mit!
1 / 49
#GoWote! Darum machen wir bei den Wahlen mit!
Ricky Casablanca und Takeshi Röthlisberger aka Eskimo, Musiker
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Kanada vs. Schweiz: Wer hat die nervigste Polit-Werbung?
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
3 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
MarGo
11.10.2019 08:29registriert Juni 2015
oh... wie bin ich den auf den Knopf gekommen... und den, und dann auf den... alle in der richtigen Reihenfolge auch noch, damit es zu diesem "Missgeschick" kam... tschuligom ganz vielmol......... come on...
Wann wird Wahlkampf mal wieder seriös....??
584
Melden
Zum Kommentar
3
4-Tage-Woche: Erstes grosses Pilotprojekt in der Schweiz
Immer mehr Länder und Unternehmen testen die 4-Tage-Woche. Nun soll bald auch in der Schweiz ein gross angelegtes Pilotprojekt beginnen. Das Wichtigste zu den bisherigen Erkenntnissen, zur 4-Tage-Woche weltweit und in der Schweiz.

Vier Tage in der Woche arbeiten, drei Tage pausieren – und trotzdem 100 Prozent des Lohnes erhalten: Für viele klingt das zu gut, um wahr zu sein. Und trotzdem ist die 4-Tage-Woche seit einiger Zeit auf dem Vormarsch.

Zur Story