999 Franken für ein nigelnagelneues Elektro-Mountainbike der Marke Santa Cruz, angeboten auf einer Facebookgruppe für Biker: Andrea M. (Name geändert) wollte sich das Schnäppchen sichern. Der Anbieter schickte per Whatsapp Bilder und eine Verkaufsquittung von einem Sportgeschäft mit dem angeblichen Originalpreis von 4999 Franken.
Dann drängte der Mann plötzlich auf eine unverzügliche Geldüberweisung. Das verstärkte das Misstrauen der Interessentin. Kann es wirklich sein, dass jemand ein so gutes Gefährt zu einem Spotpreis verscherbelt? Und warum diese Eile?
Andrea M. fand mit wenig Rechercheaufwand heraus: Die Verkaufsquittung war gefälscht, und das E-Moutainbike kostet im Geschäft mehr als 8000 Franken. Kurzum: Es ist gut möglich, dass hier jemand ein gestohlenes E-Bike anpries.
Überraschend sind solche Angebote nicht. Denn E-Bike-Diebe haben Hochkonjunktur. Gemäss der kürzlich veröffentlichten Kriminalitätsstatistik entwendeten sie im vergangenen Jahr schweizweit 6082 E-Bikes –38 Prozent mehr als gegenüber dem Vorjahr. Im Vergleich zu 2016 wurden 2020 sogar mehr als viermal so viele Elektrovelos gestohlen. Das hängt zum Teil mit dem Boom zusammen; 2020 wurden 171132 E-Bikes verkauft, so viele wie noch nie. Die Zahl der Diebstähle wuchs aber im Verhältnis stärker.
Denn: Elektrovelos sind attraktives Diebesgut. Der Durchschnittspreis für ein Gefährt, das bis zu 25 km/h fahren kann, beträgt 3700 Franken. Bei den schnelleren Modellen (bis 45 km/h) liegt er bei 5200 Franken. Teure Exemplare, etwa E-Rennvelos, können bis zu 15000 Franken kosten. Dass tendenziell wertvollere Velos gestohlen werden, bemerken auch die Versicherungen. So bezahlte zum Beispiel die Helvetia letztes Jahr 1326 Franken pro geklautes Fahrrad knapp 340 Franken mehr als 2010. Dies korreliere mit dem E-Bike-Boom, sagt ein Sprecher.
Zu befürchten haben die Täter wenig. Bloss jeder 20. Diebstahl wird aufgeklärt. Meldungen wie jene der Kantonspolizei St. Gallen, die im vergangenen Mai einen Spanier und dessen deutschen Komplizen stoppte, sind rar. Die Diebe hatten in einer Tiefgarage ein E-Bike in den Kofferraum gepackt. Ein aufmerksamer Bürger schöpfte Verdacht und alarmierte die Polizei.
Doch über welche Kanäle verticken die Diebe die heisse Ware? Eine Umfrage bei mehreren Polizeikorps zeigt folgende Muster: Ein Teil davon wird auf sozialen Medien wie Facebook und anderen Internetplattformen verhökert. Häufig landen die Elektrovelos aber im Ausland. «Nach unseren derzeitigen Erkenntnissen geht ein grosser Teil dieser Fahrräder in Richtung Balkan (Serbien, Albanien, Rumänien)», sagt Christian Bertschi, Sprecher der Luzerner Polizei. Die meisten Diebstähle seien gut vorbereitet, allein der Abtransport erfordere eine Organisation.
Am Werk sind sowohl Einzeltäter als auch Banden, oft handelt es sich um Kriminaltouristen. Entwendet werden die E-Bikes aus Tiefgaragen, Kellern und Veloräumen in Wohnsiedlungen, aber auch auf offener Strasse. Vergleichsweise selten brechen die Diebe in Velogeschäfte ein.
Der Fahrradklau bleibt ein Dauerärgernis. «Die Velobranche unternimmt aber viel, um den Diebstahlschutz zu verstärken», sagt Martin Platter, Geschäftsführer von Velosuisse. Auch die Versicherung Helvetia sagt, dass bei E-Bikes, die «unter Strom» seien, immer mehr Sicherheitsmechanismen wie Ortung oder Alarmanlage integriert würden.
Die Polizei rät derweil unter anderem, die Velos wenn immer möglich in einem abschliessbaren oder überwachten Raum einzustellen – und diese auch im eigenen Keller abzuschliessen. Wenn möglich soll man die Velos an eine Stange zu ketten, damit sie nicht einfach davongetragen werden können.