Die Prüfungsphase an der Universität St.Gallen geht in der kommenden Woche zu Ende. Für die meisten Studenten bedeutet das: Zurücklehnen, sich von der stressigen Klausurzeit erholen, den Kopf auslüften. Nicht so für die 185 Studenten des Moduls Familien- und Erbrecht. Am Mittwoch erhielten sie eine Mail, in der ihnen mitgeteilt wurde, dass die im Januar abgelegte Prüfung wiederholt werden müsse.
Es habe sich leider herausgestellt, dass ein Teil der Prüfung identisch mit einer Prüfung aus dem Jahr 2011 war, schreibt die HSG in der Mail, die watson vorliegt. Da es sich um eine Open-Book-Prüfung handelte, hätten einige Studenten die online ersichtlichen Lösungen an der Klausur verwenden können. «Um eine Gleichbehandlung der geprüften Studierenden gewährleisten zu können, haben die Prüfungsverantwortlichen gemeinsam mit dem Dekan der Law School und dem Prorektor Lehre entschieden, die Prüfung zu wiederholen.» Man bedauere den Fehler und entschuldige sich für die Mehrbelastung der Studenten.
Alle Studenten, die die ursprüngliche Prüfung abgelegt hatten, werden automatisch zum neuen Termin aufgeboten, wer verhindert ist, hat die Möglichkeit, die Prüfung im Sommer abzulegen. Die Resultate der ursprünglichen Prüfung werden nicht gewertet.
Bei den Studenten herrscht Unmut über die Entscheidung der Prüfungsverantwortlichen. Das Vorgehen sei nicht mit der Prüfungsverordnung vereinbar, schreibt einer auf Facebook. Der Vorstand der Studentenschaft der HSG (SHSG) sagte den Studenten Unterstützung zu: Man werde «die Angelegenheit schnellstmöglich» prüfen.
Einer der betroffenen Studenten, C.P., sagt auf Anfrage von watson, er könne den Entscheid nicht nachvollziehen. Die Studenten seien nicht verantwortlich für die Fehler und die Bequemlichkeit der Dozenten und Prüfungsverantwortlichen. «Die Sache ist ja, dass es sich hierbei nicht einmal um einen Fehler handelt oder die Prüfung aus Versehen kopiert wurde. Der Fehler bestand lediglich darin, dass die Prüfung auch bei den offiziellen Prüfungsvorbereitungen der Universität verfügbar war.»
Ohnehin sei es bei einer Open-Book-Prüfung zu erwarten, dass einige der Studierenden «aufgrund ihrer Unterlagen / Vorbereitung einen Vorteil und andere einen Nachteil haben», schreibt er in einer Mail an die Prüfungsleitung. C.P. schlägt als Alternative zu einer obligatorischen Wiederholungsprüfung eine optionale Nachklausur vor.
Die Prüfungsleitung spricht in der Mail von einem «gravierenden Fehler bei der Prüfungsgestaltung». Annkathrin Heidenreich von der HSG bestätigt den Vorfall gegenüber watson. Die Prüfung werde in der zweiten Semesterwoche des Frühjahressemesters wiederholt. Studierende, die an der Wiederholungsprüfung nicht teilnehmen könnten, hätten die Möglichkeit, die Prüfungen am regulären Nachholtermin im Sommer zu schreiben. «Die Verantwortlichen bedauern den Vorfall und den für die Beteiligten erheblichen Mehraufwand», sagt sie.
2014 war es an der ETH Zürich zu einem ähnlichen Fall gekommen. Der zuständige Professor des Studiengangs Gesundheitswissenschaften und Technologie hatte Fragen aus einer früheren Prüfung übernommen. 180 Studenten mussten die Prüfung wiederholen, wie die NZZ berichtete. (wst/feb)