Schweiz
Umwelt

PET-Flaschen: Nationalrat will Pfand einführen – Coop und Migros dagegen

Abfall am Zueri Faescht, aufgenommen am Samstag, 6. Juli 2019, in Zuerich. An diesem Wochenende werden ueber 2 Millionen Besucherinnen und Besucher in der Limmatstadt erwartet. (KEYSTONE/Ennio Leanza)
Am Züri Fäscht türmt sich der Abfall. Ganze 290 Tonnen wurden während und nach dem Anlass eingesammeltBild: KEYSTONE

Zu viel Plastikmüll: Kommt jetzt ein PET-Pfand?

Mehrere Politiker wollen das heutige Recyclingsystem grundlegend ändern. Migros und Coop wehren sich gegen ein Depot auf Cola- und Rivella-Flaschen – aus mehreren Gründen.
12.07.2019, 05:25
Benjamin Weinmann / ch media
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Die Schweiz gilt als Weltmeisterin im Recycling. Ganz ohne Gesetz. Wer seine Flaschen und Dosen in die Container zur Wiederverwertung wirft, tut dies aus Freiwilligkeit.

Laut dem Bundesamt für Umwelt beträgt die Recycling-Quote bei PET-Flaschen 83 Prozent, bei Alu-Dosen 92 Prozent und bei Glasflaschen 94 Prozent.

Doch ginge es noch besser? 32 Parlamentarier meinen: ja. Namhafte Politiker von links bis rechts wie Bastien Girod (Grüne), Andreas Aebi (SVP), Petra Gössi (FDP), Martin Landolt (BDP) und Kathy Riklin (CVP) haben eine parlamentarische Initiative von Alois Gmür (CVP) mitunterzeichnet.

Sie fordern eine Einführung eines Pflichtpfands für Getränkeflaschen und –dosen. In der Begründung schreibt Gmür:

«In der Schweiz werden auf Plätzen, Strassen und an Strassenrändern Getränkedosen und Getränkeflaschen liegengelassen.»

Ein Pfand gäbe diesen einen Wert, sodass es sich lohnt die Flaschen und Dosen zu sammeln und an die Verkaufsstelle zurückzubringen.

So könnten das umweltschädliche Wegwerfen und die Abfallmengen reduziert werden, glaubt Gmür. Ein Pflichtpfand käme auch Tieren zugute, da diese nicht zwischen Gras und herumliegenden PET-Flaschen und Dosen unterscheiden könnten.

«Sie erkranken daran und können sogar verenden.» Gmür, der in Einsiedeln SZ eine eigene Brauerei betreibt, verweist auf das Ausland, wo vielerorts das Pflichtpfand erfolgreich eingeführt worden sei.

Tönt vernünftig? Nicht in den Ohren der Detailhändler. Die Interessensgemeinschaft Detailhandel Schweiz, zu der Migros, Coop, Denner und Manor gehören, lehnt ein Pflichtpfand in aller Form vehement ab. Das heutige Recycling-System funktioniere seit 30 Jahren mit geringen Kosten sehr gut, sagt ein Sprecher.

Eine Pet Flasche wird am Freitag, 8. Juli 2004, an einer Sammelstelle in Zuerich in einen Container geworfen. Im Rahmen eines Pet-Forums in Zuerich wurde heute ueber die Moeglichkeit der Einfuehrung e ...
Eine PET-Sammelstelle.Bild: KEYSTONE

Hierzulande gibt es rund 100'000 Sammelstellen, die Hälfte allein für PET-Flaschen. Ein Pflichtpfand könnte dieses System laut den Händlern gefährden: «Es hätte den Aufbau eines komplett neuen Recycling-Systems mit sehr viel weniger Rückgabestellen zur Folge.

Dann würde nicht mehr, sondern weniger zurückgebracht werden und das Littering eher gefördert», sagt der Sprecher. Ein Pflichtpfand sei weder ökologisch noch ökonomisch sinnvoll.

Heute nehme jede Verkaufsstelle von Migros, Coop, Denner und Manor PET-Flaschen zurück, sagt der Sprecher. Pro Jahr sammle der hiesige Handel 20'000 Tonnen. Bei Alu-Dosen und Glas-Flaschen sei die Recyclingquote sogar noch höher als beim PET, so der Sprecher der Händler. Deshalb lehne man auch bei diesen ein Pfand ab.

Auch die Supermarktkette Volg der Bauern-Genossenschaft Fenaco wehrt sich gegen eine neue Regelung: «Es wäre unsinnig, an einer solchen Erfolgsstory etwas zu ändern», sagt eine Sprecherin. Die Sammelpunkte würden drastisch sinken.

«Auf Bahnhöfen gäbe es keine Sammelbehälter mehr. Auch in Büros, Schulen, Freizeitanlagen und an der Gemeindesammelstelle könnte man kein PET mehr zurückgeben.» Von heute 50'000 PET-Sammelstellen würden bloss rund 7000 Geschäfte der Detailhändler übrig blieben.

Fändest du die Einführung eines PET-Pfands gut?

Die recycelte Initiative

Der Umweltschutz-Organisation Greenpeace sind die PET- und Alu-Behälter ein Dorn im Auge. Man fordere generell eine Reduktion von Einwegverpackungen. Ein Pfand solle aber nur eingeführt werden, sofern damit eine höhere Recyclingquote erreicht werden kann.

Jean-Claude Würmli, Geschäftsführer vom Verein PET Recycling Schweiz, weist auf dieselben negativen Folgen eines Pfands hin wie die Detailhändler. Zudem zeigt er sich überrascht ob dem Vorstoss von Alois Gmür.

Dabei handle es sich um die identische parlamentarische Initiative wie sie Gmür bereits einmal vor sieben Jahren eingereicht habe. Diese wurde vom Nationalrat damals klar abgelehnt.

Es brauche keine Systemänderung, sagt Würmli. Der Blick ins Ausland zeigt laut Würmli, dass auch Länder mit Pfandsystemen Probleme mit dem Littering haben.

«Littering ist kein systembedingtes Problem, sondern eine Frage der Einstellung.»

Deshalb sei es wichtig, die Bevölkerung weiterhin auf die Vorteile des Recyclings hinzuweisen. Komme hinzu, dass PET-Flaschen nicht das eigentliche Problem seien. Tatsächlich machen laut dem Bundesamt für Umwelt Take-away-Verpackungen, Zigaretten-Stummel, Plastiksäcke und Zeitungen 83 Prozent des Litterings aus.

Und laut der ETH Zürich sind die Littering-Zahlen trotz einer wachsenden Bevölkerung und mehr Unterwegsverpflegung stabil bis rückläufig.

Laut Würmli betragen die Kosten für das heutige Sammelsystem rund 90 Millionen Franken pro Jahr. Mit einem Pfandsystem würden die Kosten auf 290 Millionen steigen. Zu diesem Schluss sei das Bundesamt für Umwelt bereits beim ersten Vorstoss von Alois Gmür gekommen.

In Deutschland gibt es das Pfandsystem. Bei Einwegflaschen und -Dosen beträgt das Depot 25 Cent. Laut offiziellen Angaben beträgt die Sammelquote in Deutschland 98 Prozent bei PET-Flaschen – ein Wert, den Würmli anzweifelt.

Die Salat- und Fruechtetheke fuer den Take-Away im COOP Pronto Tankstellenshop in Zuerich-Seebach, aufgenommen am 12. Oktober 2007. Eine Angestellte nimmt aus einer Kiste Flaschen und fuellt die Regal ...
Viele PET-Flaschen: die Regale eines Coop-Pronto-Shops in Zürich.Bild: KEYSTONE

Einerseits handle es sich dabei um eine Hochrechnung und keine genaue Messung. Andererseits bezieht sich die Zahl auf die gesamte, gesammelte Menge. In der Schweiz beziehen sich die 83 Prozent hingegen auf das tatsächlich wiederverwertete Plastik.

Ein Pfand auf Plastikflaschen – damals noch vielfach bestehend aus dem Polymer PVC – gab es in der Schweiz bereits einmal. Das Mindestpfand betrug 30 Rappen, bei grossen Flaschen waren es 50. Anfang der 2000er-Jahre hoben es die Händler aber auf. Die Ironie: In der Mitteilung von damals schrieb die Migros 2002, dass die Rücklaufquote mit der Aufhebung des Depots sinken dürfte. Das Gegenteil war der Fall.

Um einen Lenkungseffekt zu erzielen würden 30 Rappen heute aber nicht mehr ausreichen, sagt Würmli. «Auch 50 Rappen würden kaum etwas bewirken wenn abends die Geschäfte schon zu sind. Kaum jemand würde seine Cola-Flasche vom Ausgang nach Hause nehmen, um sie am nächsten Tag ins Geschäft zu retournieren. Da wäre wohl mindestens ein Franken nötig.» (aargauerzeitung.ch)

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108 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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arpa
12.07.2019 06:56registriert März 2015
Ich bin für mehr recycling-tonnen. Überall wo ein Mülleimer steht einfach noch eines für glas, pet, alu, papier, karton, pla
stik aufstellen..oder einfach dort wo es geht.. in parks, an schulen, an openairs, an festen.. wie an den bahnhöfen.. denn wo die tonnen bereitstehen werden sie ,meiner erfahrung nach, auch genutzt..
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miarkei
12.07.2019 06:23registriert März 2017
Depot, nein -> never touch a running system.

Höhere Bussen für Littering wäre was, aber da muss man den Litter erst mal erwischen.
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Jemand_1
12.07.2019 06:50registriert März 2015
Ein viel grösseres Problem sehe ich in den Zigarettenstummel.
Die Verrottung dauert 10-15 Jahre und belasten durch die gesammelten Giftstoffe aus dem Tabak die Umwelt zusätzlich.

Täglich kann ich beobachten wie Zigarettenstummel ohne schlechtes Gewissen am Boden landen. Hier bräuchte es mal ein Umdenken. Der soziale Druck ist hier viel kleiner als bei PET.

Eine Minderheit ("Etwa 18% der Bevölkerung rauchen täglich und 7% gelegentlich." gemäss Suchtmonitoring.ch, wobei ich natürlich nicht alle Raucher in den gleichen Topf werfen will) ist für diese enorme Verschmutzung verantwortlich.
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