Publikumsdebatte in der Arena: Für Peter Salvisberg, Chef der «Pro Service public»-Initiative, dürfte es eigentlich kein willkommeneres Schlachtfeld geben. Salvisberg inszenierte sich in der letzten «Arena» gelungen als Konsumentenschützer, Volksversteher und Auflehner gegen das politische Establishment, der die Argumente seiner Gegner seelenruhig an sich abprallen lässt.
Doch dieses Mal kommt es anders. Salvisberg wird von den drei jungen Männern, die auf der Contra-Seite mitdebattieren, so erbarmungslos zerlegt, dass er mindestens zehn Zentimeter kleiner ist, als er nach einer guten Stunde das «Arena»-Studio in Zürich verlässt.
Auch Salvisbergs Gegnerin auf dem Podium, die Grünen-Präsidentin Regula Rytz, macht ihren Job einwandfrei. Dutzendfach wiederholt sie ihre Kernbotschaft – die Initiative ist schädlich für den Service public –, lässt Salvisberg kein einziges Argument durchgehen und wird einmal sogar ein bisschen lustig.
Eigentlich beginnt die Sendung ganz im Sinne Salvisbergs. René Sigrist, besorgter Pensionär, darf als erster der geladenen Publikumsgäste sein Votum vorbringen. Doch Sigrists Schicksalsgeschichte von verschollenen Paketen, die er wenig überzeugend mit «Es ist eigentlich nur eine Kleinigkeit» einleitet, löst nicht viel Betroffenheit aus.
Ausserdem will Moderator Jonas Projer («Ich versuche, das Ganze hier ein bisschen zu strukturieren») zuerst über die SBB reden.
Bei diesem Thema überzeugt der «Pro-Service-Public»-Gegner und Tourismusschüler Stefan Müller. Der 23-Jährige verkündet so ungebremst seine Begeisterung für die SBB, dass man meinen könnte, er wäre von Andreas Meyer dafür gebrieft worden. Er macht das aber gleichzeitig so sympathisch und souverän, dass sogar die Gegner abseits der Kamera entzückt sind.
Projer, man sieht ihm die Freude darüber an, kanzelt die Argumente Salvisbergs daraufhin uncharmant als «Jammereien» ab. Dieser, sonst mit einem Händchen für plastische Beispiele, wehrt sich mit einer unverständlichen Käse-Metapher und schwenkt dann rasch auf das Preisproblem der SBB um. Ein GA für 2500 Franken, das sei einfach zu teuer.
Auch damit kommt er nicht durch. Rytz wendet das Totschlagargument gekonnt ab («Ja, man muss die Teuerung verhindern») und platziert ihre Kernbotschaft («Aber die Initiative erreicht das nicht»). Und dann debattiert auch der nächste Contra-Gast im Team Rytz den Initianten Salvisberg in Grund und Boden.
«Nehmen wir Thun als Beispiel!», entgegnet Salvisberg. Thun habe Anbindungen nach Italien und ins Emmental, aber bereits um 18 Uhr schliesse der Schalter.
Noels Antwort darauf ist grosse Klasse:
Rytz ergänzt: «Wenn wir nicht mehr Geld in den Service stecken können, wird das auch nicht besser.»
Doch Salvisberg wäre kein guter Populist, wenn er kleinlaut darauf eingehen würde. Also packt er sein Lieblingsargument auf den Tisch: Zugtoiletten! Dreckig seien sie, ständig geschlossen oder ausser Betrieb. «Die Initiative hat jetzt also gar nichts mit Toiletten zu tun», entgegnet Rytz, und erntet Lacher aus dem Publikum. «Es wird keine Toilette besser geputzt und keine neue Poststelle eröffnet», sagt sie.
Salvisberg lässt sich nicht beirren – er schiesst einfach weiter. Drei Mal habe ihn Moderator Projer anrufen müssen, als er mit dem Zug auf dem Weg nach Zürich gewesen sei. Weil die Verbindung abgebrochen sei. Und kürzlich habe ein amerikanischer Tourist eine Busse bekommen im Zug, weil er nicht wusste, wie er ein Billet lösen soll. «Ist das unser Tourismusland?», fragt Salvisberg. Und sagt praktisch im gleichen Atemzug: «Und das Miniwägeli, das wollen sie auch abschaffen.»
Bevor es komplett absurd wird, erlöst Projer Salvisberg und lenkt das Thema auf die Poststellen. Der Initiant bräuchte jetzt dringend ein unterstützendes Publikumsvotum, doch Büroleiter Bon, der sich über die geschlossenen Poststellen in der Stadt beklagt, bestätigt alle Klischees vom nicht vorhandenen Charme der Zürcher – und das mit einer «Zürischnure», auf die sogar Schawinski neidisch wäre. Wieder keine Punkte für Team Salvisberg.
Stattdessen antwortet Tourismusschüler Stefan Müller hervorragend auf Projers Frage, ob es denn nun schlimm sei mit der Post und den gestressten Pöstlern:
Rytz platziert daraufhin noch ihre obligate Botschaft: Auch sie wolle, dass ein Pöstler noch Zeit für eine Plauderei habe, doch weil das Poststellennetz defizitär sei, nütze die Initiative auch hier rein gar nichts.
Bei den Themen Post und SBB kann Salvisberg keine Punkte mehr holen, fehlt noch die Swisscom. Projer will zeigen, dass die Grundversorgung, zu der die Swisscom verpflichtet ist, nicht ausreicht: Der Moderator demonstriert, wie langsam die Internet-Mindestgeschwindigkeit ist, Salvisberg steht zufrieden daneben.
Doch Rytz lässt ihn auch damit nicht durch: Klar müsse man das ändern. Es gebe Vorstösse im Parlament, diese Geschwindigkeit raufzusetzen. Rytz: «Das können wir beschliessen und das werden wir machen. Dafür brauchen wir die Initiative nicht.»
Schlechter könnte es gar nicht aussehen für Salvisberg, da spielt Team Rytz auch noch den Trumpf zum Thema Swisscom: Elöd Mata, Swisscom-Angestellter:
Salvisberg steckt nun endgültig in der Defensive («Ich bin kein Politiker, die Grundversorgung müsst ihr dann definieren») und die Sendung neigt sich langsam dem Finale zu. Zum Abschluss wendet sich Rytz noch an den Zürcher Büroleiter Bon und fasst die ganze Debatte in einem kurzen Satz zusammen:
Zum Thema: Wichtig scheint mir, dass überhaupt darüber geredet wird. Wir vergessen zu oft die ältere Generation, welche mit dem ganzen technischen Schnick-Schnack (Billetautomaten, Online Banking) vielleicht so gar nichts anfangen kann. Oder den Dingen schlichtweg nicht traut. Die Debatte zeigt doch vor allem die Nöte in der Gesellschaft.
Bei diesen Initiativtexten die vorgelegt werden, da drückt es mir Tränen aus den Augen.