Alle kennen die Geschichte von Goethes übermütigem Zauberlehrling, der selber ein bisschen wie sein Meister zaubern will und dabei fast die ganz grosse Katastrophe anrichtet.
Nun findet sich die SVP in einem ähnlichen goetheschen Drama wieder.
20 Minuten meldet, dass 53 Prozent von rund 13’000 befragten Lesern die Ecopop-Initiative im Zweifelsfall annehmen würden. Gewiss, man kann einwenden, dies sei nur eine unrepräsentative Umfrage eines Onlineportals mit SVP-lastiger Leserschaft.
Aber dasselbe Onlineportal hatte das Ergebnis der mindestens so unsinnigen Minarett-Initiative mit einer ähnlichen Umfrage richtig vorhergesagt, während die etablierten Demoskopen mit ihren Prognosen um bis zu 20 Prozent daneben lagen und am Abstimmungssonntag fassungslos in ihre Mikrophone stotterten.
Auch die ersten Parolenfassungen in der SVP unter Einbezug der Basis lassen aufhorchen. Der Hardliner-Kern in der Auns hat die Ja-Parole zu Ecopop beschlossen und die Zürcher SVP nur sehr knapp nicht.
Dies, obwohl von Bundesrat über Parlament und sämtlichen grossen Parteien die gesamte institutionelle Schweiz eine klare Nein-Parole ausgegeben hat.
Es sieht so aus, als ob die Lehrlinge des grossen politischen Zaubermeisters der SVP übermütig werden. Was nicht verwunderlich ist.
Statt sich klar gegen Ecopop zu positionieren, lanciert die SVP den Wahlkampf 2015 mit einer «Sozialhilfe-Wahnsinn»-Kampagne, die naturgemäss Assoziationen mit den fremdenfeindlich gefärbten Schlagworten «Asylbewerber» und «Einwanderung in die Sozialhilfe» weckt. Und das just in der heissen Phase des Ecopop-Abstimmungskampfes.
Gleichzeitig können es die üblichen Verdächtigen unter den SVP-Exponenten nicht lassen, dem Bundesrat in Sachen MEI-Umsetzung permanent auf allen Kanälen Untätigkeit vorzuwerfen, und so die Angst zu schüren, das Volks-Ja zur MEI werde schnöde ignoriert. Die alte Gewohnheit des Bundesrats-Bashings abzulegen, ist offenbar auch im Angesicht einer möglichen Katastrophe nicht denkbar.
Und diese ganz auszuschliessen, ist nicht gescheit. Denn ein beträchtlicher Teil der Stimmbürger will jetzt haben, was die SVP ihnen über Jahre und Jahre in sämtlichen Wahl- und Abstimmungskämpfen versprochen hat: Die unmittelbare Möglichkeit, an der Urne eine sichere und freie Schweiz zu schaffen. Eine ohne Messerstecher, Passräuber, Scheinasylanten, linke Ratten oder schwarze Schafe.
Dass es keine SVP-Initiative ist, die das jetzt endlich möglich macht, sondern die von ein paar Einzelmasken gestartete Ecopop, mögen die eingefleischten SVP-Gegner komisch finden.
Aber das ist es nicht.
Denn mit einem einfachen «In die Ecke! Besen, Besen, seid's gewesen!» liesse sich Ecopop nicht wieder wegzaubern.
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Hinzu kommt, dass Blocher seine Aufwiegelungstour skrupellos fortsetzt - schon sein Rücktritt aus dem "unnützen" Parlament war Programm - und Brand die Stimmenden direkt auffordert, "ein Zeichen zu setzen" (gestern auf Watson), was ein happiger Missbrauch des Stimmrechts ist.
SVPler sind schlicht keine Demokraten mehr.
Bedauerlicherweise sind aber an dieser schädlichen Entwicklung auch die Politiker nicht ganz unschuldig, indem sie Volksentscheide immer weniger als bindend anerkennen und somit diese dumme "Zeichensetzen-Entwicklung" noch fördern!