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Grüner Nationalrat verteidigt Apéro-Merkblatt – SVP-Zanetti beklagt sich

Claudio Zanetti, Nationalrat SVP, an der Podiumsdiskussion zur "No Billag" zwischen den Gruenen und der SVP, fotografiert am Donnerstag, 18. Januar 2018, in Zuerich. (KEYSTONE/Melanie Duchen ...
Wirft den Grünen eine «ausgeprägte Lustfeindlichkeit» vor: SVP-Nationalrat Claudio Zanetti.Bild: KEYSTONE

Grüner Nationalrat verteidigt Apéro-Merkblatt – SVP-Zanetti beklagt «Lustfeindlichkeit»

Der umstrittene Apéro-Leitfaden aus dem Bundesamt für Umwelt erzürnt weiter die Gemüter. Der grüne Nationalrat Michael Töngi ermuntert den Bund, ähnliche Tipps für den Verkehr auszuarbeiten. SVP-Nationalrat Claudio Zanetti ärgert das gewaltig.
13.06.2019, 22:46
Roger Braun / ch media
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Für staatskritische Geister war es ein gefundenes Fressen. In einem Merkblatt gibt das Bundesamt für Umwelt dem aufklärungsbedürftigen Bürger Tipps für einen umweltgerechten Apéro. «Mindestens zwei Drittel des Buffets setzt sich aus vegetarischen Produkten zusammen», heisst es da. Und: «Das Vegetarische ist an erster Stelle platziert.»

Des weiteren seien die Resten für spätere Pausen bereitzustellen, und Säckchen zum Mitnehmen aus nachhaltigem Material zur Verfügung zu stellen. Die Kritik folgte auf dem Fuss: Bevormundend und anmassend seien die Tipps, ein Bürokratiewahnsinn sondergleichen, hallte es aus den Kommentarspalten.

Der Walliser CVP-Nationalrat Philipp Matthias Bregy fühlte sich am Mittwoch gar bemüssigt, in der Fragestunde Bundesrätin Simonetta Sommaruga damit zu konfrontieren.

Töngi fordert weitergehende Verhaltenstipps

Nun stellt sich in dieser Frage erstmals ein Nationalrat hinter das Bundesamt für Umwelt: der Grüne Michael Töngi aus dem Kanton Luzern.

Für Töngi kommt der Bund mit seiner Aufklärungsarbeit schlicht dem gesetzlichen Auftrag nach. Schliesslich gebe es im Umweltschutzgesetz eine klare Grundlage dafür. Töngi sagt gar: «Der Bund nimmt seinen Informationsauftrag bisher zu zurückhaltend wahr.»

Kritik am Apéro-Leitfaden hält er für unangebracht - gerade aus bürgerlicher Perspektive. Er sagt:

«Der Informationsauftrag ist wichtig, insbesondere für Kreise, die stets auf Freiwilligkeit und privates Engagement pochen.»
Michael Toengi, GP-LU, stellt eine Frage, an der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 10. September 2018 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Michael Töngi.Bild: KEYSTONE

In einem neuen Vorstoss (noch nicht aufgeschaltet) verlangt Töngi, dass der Bund seine Informationsanstrengungen intensiviert, um die Bürger zu einem klimaschonenden Verhalten anzuhalten. Insbesondere bei der Mobilität sieht er grossen Handlungsbedarf.

So fordert er den Bundesrat auf, vom Einsatz fossiler Treibstoffe und dem Verbrennungsmotor abzuraten. Auch soll der Bundesrat den Bürgern empfehlen, weniger zu fliegen. Zudem möchte er wissen, in welchen «umweltrelevanten Lebensbereichen» der Bundesrat weiteren Handlungsbedarf für Empfehlungen sieht.

Zanetti fürchtet um Wahlfreiheit des Bürgers

Dem Zürcher SVP-Nationalrat Claudio Zanetti gehen die staatlichen Informationskampagnen kräftig auf den Nerv. Er sagt:

«Die Grünen können meinetwegen bei Kerzenlicht ihre Körner picken. Aber sie sollen endlich aufhören den anderen vorzuschreiben, wie sie zu leben haben.»

Zanetti ortet eine gefährliche Entwicklung. Mithilfe von Stupsern (Nudging) erzwinge der Staat zunehmend das gewünschte Verhalten der Bürger, sagt er. Dabei sei die Wahlfreiheit eine der grundlegendsten Pfeiler einer liberalen Gesellschaft. «Niemand soll ein schlechtes Gewissen haben müssen, nur weil er Auto fährt oder ein Steak isst.»

Den Grünen wirft er eine «ausgeprägte Lustfeindlichkeit» vor. Dies habe sich zuletzt am Mittwoch beim Fraktionsausflug gezeigt. Es sei anmassend, andere Leute zum gleichen Lebensstil erziehen zu wollen.

Was Grüne und SVP auf ihrem Fraktionsausflug erlebten.Video: YouTube/Keystone-SDA-ATS

Kritisch geht Zanetti auch mit der Verwaltung ins Gericht. Diese verhalte sich «zunehmend totalitär», indem sie sich in sämtliche Lebensbereiche einmische, sagt der SVP-Nationalrat:

«Eigentliche Aufgabe der Verwaltung wäre es, dass Leben der Bürger angenehmer zu machen. Doch stattdessen gebärdet sich der Bund immer mehr als Erziehungsinstanz.»

Eigentliche Aufgabe der Verwaltung wäre es, dass Leben der Bürger angenehmer zu machen. Doch stattdessen gebärdet sich der Bund immer mehr als Erziehungsinstanz.

Die Bundesverwaltung müsse sich um die Kernaufgabe des Staates kümmern, anstatt sich selbst zu beschäftigen, fordert Zanetti. Der Weg dorthin ist für ihn klar: Er führt über eine Halbierung des Stellenetats.

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40 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Mafi
13.06.2019 23:21registriert Januar 2015
"Bevormundend und anmassend seien die Tipps"

Wie kann ein Tipp bevormundend sein... Es ist ja ein Tipp. Mit Gründen. Ich lach mich schlapp. Psuedo-Empört spielen und lieber die Augen vor der Realität zumachen, das ist es was Sie machen, Herr Zanetti.
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Kola
14.06.2019 02:08registriert Mai 2016
Sind wir nicht langsam an einem Punkt wo wir uns solche Politiker nicht mehr leisten können?
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Rafael Wyder
14.06.2019 06:37registriert Mai 2016
Ein Apèro Merkblatt?? Sorry, aber wer liest so etwas? Ich bin normalerweise auch sehr für grüne Anliegen zu begeistern, aber das ist schlicht Verschwendung von Zeit und Geld.
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