Schweiz
SVP

SVP-Wahlkampf mit EU-Vertrag: Maurer und Parmelin grätschen dazwischen

Die Party ist im vollem Gange mit Musik von den Partyhelden beim mittschaukeln anlaesslich des Parteifests und Wahlauftakts der SVP Schweiz vom Samstag, 31. August 2019 in Sattel. (KEYSTONE/Urs Flueel ...
Hochstimmung am SVP-Parteifest am Samstag in Sattel.Bild: KEYSTONE

Die SVP macht EU-Wahlkampf und wird von den eigenen Bundesräten sabotiert

Widerstand bis zum Äussersten, vor allem gegen die EU: Mit dieser Botschaft zieht die SVP in die heisse Phase des Wahlkampfs. Ihre eigenen Bundesräte sind dabei gar keine Hilfe.
02.09.2019, 16:5212.09.2019, 14:31
Mehr «Schweiz»

Wer das Parteifest der SVP am Samstag in Sattel (SZ) suchte, musste nur seinen Ohren folgen. Auf die inbrünstig gesungene Nationalhymne folgte der dröhnende Sound von Treicheln, mit denen die Volkspartei die heisse Phase des Wahlkampfs im wahrsten Sinne einläutete. An der Spitze marschierte Partei-Übervater Christoph Blocher, mit Brissago im Mundwinkel.

Es war eine Szene mit Symbolwert. Im EWR-Abstimmungskampf 1992 hatte Blocher einen praktisch identischen Auftritt, der fotografisch dokumentiert ist und noch heute häufig gezeigt wird. Die Botschaft war eindeutig: Der damalige Feind ist auch der heutige. Es ist die Europäische Union, nur dass nicht mehr der EWR bekämpft wird, sondern das institutionelle Abkommen.

first image
second image
twister icon
Blocher mit Treicheln damals und heute.bilder: Keystone

Der «Unterwerfungsvertrag» bildete so etwas wie den roten Faden der Reden und Einspielungen im prallvollen Festzelt. Die Laune bei den rund 800 Parteimitgliedern war gut, teilweise ausgelassen. Es herrschte eine Art trotzige «Jetzt erst recht!»-Stimmung, denn die Umfragen verheissen der SVP für die Wahlen am 20. Oktober kein schönes Ergebnis. Sie muss mit Verlusten rechnen.

Treffer mit der Wurm-Kampagne

Der Einsatz der Basis beim Motivieren und Mobilisieren sei deshalb besonders wichtig, mahnte Parteipräsident Albert Rösti: «Es geht uns allen sehr gut, das macht träge!» Einen ersten Treffer hat die SVP mit ihrer umstrittenen Wurm-Kampagne bereits gelandet. Es gelang ihr, verschüttet geglaubte Empörungs-Reflexe wiederzubeleben. Sogar aus den eigenen Reihen gab es Kritik.

Genüsslich zählte Rösti auf, was aus seiner Sicht wirklich unanständig und respektlos sei: Eine neue Überbrückungsrente, um die Begrenzungsinitiative zu bodigen. Der Bau von E-Tankstellen ohne Ausbau des Autobahnnetzes. Und natürlich die angeblichen Bemühungen, die Entscheide über Rahmenvertrag und Kohäsionsmilliarde bis nach den Wahlen zu verschieben.

Die SVP braucht eine knallige Botschaft, denn der Zeitgeist meint es nicht gut mit ihr. Ihren Kernthemen Asyl und Zuwanderung fehlt die Zugkraft ausserhalb des «harten Kerns» ihrer Wählerschaft. Mit anderen Themen tut sie sich schwer. Das SVP-Schiff befindet sich nicht in einem perfekten Sturm, sondern in einer totalen Flaute. Ihm fehlt der Rückenwind für die Wahlen.

Aepfel und Suesssauerwuermer liegen fuer die SVP Delegierten bereit anlaesslich des Parteifests und Wahlauftakts der SVP Schweiz vom Samstag, 31. August 2019 in Sattel. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
Fürs Parteivolk gab es Äpfel mit Gummiwürmern.Bild: KEYSTONE

Also beschwört man den Zusammenhalt. Und trifft sich in Sattel, das Christoph Blocher als «Kraftort» bezeichnete. In keinem Kanton ist die SVP mächtiger als in Schwyz, und unterhalb von Sattel befindet sich jener Ort, an dem 1315 die Schlacht am Morgarten gegen die Habsburger stattgefunden haben soll. Blocher stellte sie ins Zentrum seiner Rede.

«Wurmstichiges Manöver»

Was damals die Habsburger waren, seien heute die Eurokraten in Brüssel. Und die «Linken und Netten» im Land, die es letztlich auf den EU-Beitritt abgesehen hätten. Sein «Ziehsohn» Roger Köppel attackierte die Parteispitzen von FDP, CVP und SP, die sich in einem «wurmstichigen Manöver» darauf geeinigt hätten, «das wichtigste Geschäft hinter die Wahlen zu verschieben».

Der bald 80-jährige, aber nicht nur beim Treicheln bemerkenswert fitte Blocher wurde mit einer Standing Ovation gefeiert, und auch Köppel erhielt viel Applaus, etwa als er die SVP als «letzte politische Verteidigungslinie in Bern» bezeichnete. Tags darauf aber könnte dem einen oder anderen SVP-Politiker beim Zmorge das Gipfeli im Hals stecken geblieben sein.

Maurer erklärt Rahmenvertrag für tot

Ausgerechnet die beiden Bundesräte der Partei schossen via Sonntagspresse einige kräftige Breschen in den Verteidigungswall. Wirtschaftsminister Guy Parmelin, der das Parteivolk in Sattel mit seiner auf Französisch gehaltenen Rede gelangweilt hatte, ging im Interview mit der «SonntagsZeitung» von einem Abschluss des Rahmenvertrags «frühestens im nächsten Jahr» aus.

Der neu gewaehlte SVP Bundesrat Guy Parmelin, links, unterhaelt sich mit SVP Bundesrat Ueli Maurer am Freitag, 11. Dezember 2015, vor einer Medienkonferenz in Bern. Parmelin wird Verteidigungsminister ...
Guy Parmelin und Ueli Maurer fuhren ihrer Partei in die Parade.Bild: KEYSTONE

Damit stellte sich der Waadtländer hinter das «wurmstichige Manöver» von FDP, CVP und SP. Noch weiter ging Bundespräsident Ueli Maurer. An der jährlichen Botschafter-Konferenz soll er das Rahmenabkommen letzte Woche gemäss Sonntagsblick und NZZ am Sonntag für gescheitert erklärt haben. Der Vertrag werde ohnehin nicht unterzeichnet, es müssten Alternativen gesucht werden.

Nekrophiler Wahlkampf

Mag sein, dass der Finanzminister damit in erster Linie die Diplomaten provozieren und seinem Bundesratskollegen Ignazio Cassis eins auswischen wollte. Die via Sonntagsmedien verbreitete Botschaft könnte für seine Partei aber zu keinem dümmeren Zeitpunkt kommen. Wie soll man den SVP-Wahlkampf bezeichnen, wenn der Rahmenvertrag angeblich tot ist? Als Nekrophilie?

Oder anders gesagt: Wozu braucht man «linke und nette» Feinde, wenn man solche Bundesräte hat?

Der SVP steht ein schwieriger Herbst bevor. Mit Altersvorsorge und Krankenkassenprämien tut sie sich traditionell schwer. Ausgerechnet bei diesen wichtigen «Sorgenthemen» ist die Partei, die gerne gegen die Classe politique polemisiert, mit einem (h)ausgemachten Elite-Basis-Konflikt konfrontiert. Hier die neoliberalen Taktgeber, dort eine tendenziell staatsgläubige Wählerschaft.

Beim Klimathema von der Rolle

Und beim Topthema Klimawandel wirkt die SVP wie von der Rolle. Einerseits versucht sie, jenen Teil der Bevölkerung anzusprechen, der sich seinen hedonistischen Lebensstil nicht durch rotgrüne «Miesmacherei» verderben lassen will. Gleichzeitig muss sie Rücksicht auf ihre bäuerliche Basis nehmen, die den Klimawandel wesentlich direkter erfährt als die Anzugträger an der Spitze.

SVP Parteipraesiedent Albert Roesti bei seiner Rede anlaesslich des Parteifests und Wahlauftakts der SVP Schweiz vom Samstag, 31. August 2019 in Sattel. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
Parteichef Albert Rösti rief zum Motivieren und Mobilisieren auf.Bild: KEYSTONE

Die Zeiten sind vorbei, in denen die SVP als disruptive Kraft die Schweizer Politlandschaft umgepflügt hat. In den letzten Jahren war sie primär eine Stimmungspartei. Vor vier Jahren profitierte sie von der Flüchtlingskrise, seither aber läuft es nicht mehr rund. Und wenig deutet darauf hin, dass sich dies bis zum 20. Oktober ändern wird, trotz flotter Stimmung in Sattel.

In den letzten Wochen sei ein Ruck durch die SVP gegangen, meinte Christoph Blocher im Gespräch mit Journalisten. Gleichzeitig räumte er ein, dass die Partei eine Niederlage einkalkulieren müsse. Entscheidend sei, dass man glaubwürdig bleibe. Was nicht ganz einfach ist, wenn man aus den eigenen Reihen sabotiert wird.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
SVP-Abstimmungsplakate
1 / 14
SVP-Abstimmungsplakate
Mit Zangen-Plakaten gelang es Christoph Blocher und der SVP, am 6. Dezember 1992 den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zu bodigen.
quelle: keystone / str
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Blocher: «Wir haben der Klima-Walze nichts entgegenzusetzen»
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
85 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
FITO
03.09.2019 07:36registriert April 2019
Der einstige Einpeitscher der rechtsverdrehten ist alterszahm geworden und wirft heute höchstens noch mit verbalen Wattebäuschchen um sich.
Einer mehr von dieser Sekte der den rechtzeitigen Abgang verpasst hat bevor es peinlich für ihn wurde.
Die SVP macht EU-Wahlkampf und wird von den eigenen Bundesräten sabotiert
Der einstige Einpeitscher der rechtsverdrehten ist alterszahm geworden und wirft heute höchstens noch mit verbalen Wattebäu ...
33810
Melden
Zum Kommentar
avatar
Berner_in
02.09.2019 18:14registriert September 2018
Was ist von einem zu erwarten, der nur noch auf eine Schlacht anno 1315 verweisen kann...
28250
Melden
Zum Kommentar
avatar
Triple A
02.09.2019 17:15registriert November 2018
Die SVP ist tot - es lebe ähhh. Das ist doch das Problem, niemand will heute mehr Parteien wählen. Dashalb haben Gruppierungen wie die Aktion Libero Erfolg: Ein Thema wählen, sich engagieren.
26160
Melden
Zum Kommentar
85
Gesundheitskosten 2022 erneut stark gestiegen – das sind die 9 wichtigsten Grafiken
Im Jahr 2022 nahmen die Gesundheitskosten gegenüber dem Vorjahr um 2,5 Prozent zu. Dieser Anstieg fällt weniger stark aus als in den letzten fünf Jahren, dennoch betragen die Ausgaben erstmals über 90 Milliarden Franken.

2022 stiegen die Kosten des Gesundheitswesens im Vergleich zum Vorjahr um 2,2 Milliarden auf 91,5 Milliarden Franken an. Der Anteil der Gesundheitskosten am Bruttoinlandprodukt (BIP) zu laufenden Preisen verringerte sich gegenüber 2021 leicht von 12,0 Prozent auf 11,7 Prozent im Jahr 2022. Dies geht aus den neusten Zahlen der Statistik «Kosten und Finanzierung des Gesundheitswesens» des Bundesamtes für Statistik (BFS) hervor.

Zur Story