Thomas Aeschi und Toni Brunner: Weniger als die Hälfte der SVP-Fraktion war bei der Debatte um die Selbstbestimmungsinitiative im Saal anwesend. Bild: KEYSTONE
Thomas Aeschi wollte seiner Partei am Montagabend mit einem ungewöhnlichen Manöver helfen. Doch der SVP-Fraktionschef schoss ein Eigentor.
Besonders gross war das Interesse am Montagabend nicht, als in Bern die Monsterdebatte über die SVP-Selbstbestimmungsinitiative zum dritten und letzten Mal in dieser Session auf dem Programm stand.
Als der Lega-Nationalrat Lorenzo Quadri die Debatte um 20 Uhr eröffnete, waren nur etwas mehr als ein Dutzend Volksvertreter im Saal anwesend.
SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi ergriff in der Folge das Mikrofon und verlangte eine Prüfung des Quorums. Für eine gültige Debatte müssen 101 Ratsmitglieder anwesend sein. Dies besagt das Ratsreglement.
Für viele Anwesende war Aeschis Forderung nach einem Quorum ein Novum. Normalerweise wird dies nicht gefordert. SVP-Politikerin Yvette Estermann, seit elf Jahren Ratsmitglied, erlebte dies zum ersten Mal.
Doch Aeschis Worte blieben nicht ungehört, plötzlich strömten die Parlamentarier aus der Wandelhalle herbei, bis sich 125 Personen im Saal befanden.
Ein Blick auf die Anwesenheitsliste zeigte schnell: Ausgerechnet Aeschis Partei, die SVP, war von den grossen Parteien am schlechtesten vertreten.
Und von der SVP: Lediglich 30 von 67 Mitgliedern anwesend.
Als «lächerlich» bezeichnete FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen das Manöver von Aeschi.
Das «SVP-Kasperli-Theater» geht weiter, kommentierte der Grüne Bastien Girod.
Ein misslungener «Spitzbubentrick» war es für SP-Fraktionschef Roger Nordmann.
Derweil konnte Grüne-Nationalrätin Sibel Arslan ob des Eigentors der SVP ihre Freude nicht ganz verbergen.
Um 23.37 Uhr war Debatte um die Selbstbestimmungsinitiative zu Ende. Der Nationalrat lehnte das Begehren mit 127 zu 67 Stimmen ab.
Ihre politischen Gegner hatten der SVP vorgeworfen, die Partei wolle die Diskussion künstlich in die Länge ziehen, damit die Schlussabstimmung zu diesem Geschäft erst in der Herbstsession hätte stattfinden können. Damit hätte sich auch der Termin für eine Volksabstimmung nach hinten verschoben.
Die SVP hoffte auf einen Urnengang zur Selbstbestimmungsinitiative möglichst kurz vor eidgenössischen Wahlen 2019. Die erhöhte Aufmerksamkeit für ihr Kernthema sollte ihr zusätzliche Wählerstimmen verschaffen, so das Kalkül.
38 Abgeordnete standen für Montag auf der Rednerliste. Jeder darf maximal fünf Minuten sprechen. Das ergab nochmals über drei Stunden Debatte, nachdem das Geschäft bereits vorletzte Woche zwei Stunden und vergangenen Mittwoch dreieinhalb Stunden in Anspruch nahm.
Video: srf