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Hoffnung für deutschen Strassenrowdy: Definitiv abgeben müssen Raser ihre Autos in der Schweiz nur selten

Blitzkasten auf der Autobahn A9 zwischen Aigle und Bex (27.05.2011).
Blitzkasten auf der Autobahn A9 zwischen Aigle und Bex (27.05.2011).Bild: KEYSTONE
Nach Raserfall im Aargau

Hoffnung für deutschen Strassenrowdy: Definitiv abgeben müssen Raser ihre Autos in der Schweiz nur selten

08.08.2014, 12:0008.08.2014, 13:06
Kian Ramezani
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Der Fall eines deutschen Rasers, den die Aargauer Polizei am vergangenen Wochenende mit 215 km/h auf der A1 erwischt hat, schlägt in Deutschland hohe Wellen: Der 59-Jährige muss seinen Mercedes abgeben, der Kanton Aargau will ihn verkaufen, der Erlös wandert in die Staatskasse.

Tatsächlich gelten seit 2013 die strengen Bestimmungen von Via sicura, wonach Strassenrowdys ihr Liebstes weggenommen wird. «Die Polizei stellte das Fahrzeug sicher», heisst es jeweils in den Kurzmeldungen.

Zur Begriffsklärung: Erwischt die Polizei einen Raser (siehe Infobox), muss sie das Fahrzeug sicherstellen. Die Staatsanwaltschaft kann es im Anschluss für die Dauer des Verfahrens beschlagnahmen. Der Richter entscheidet schliesslich, ob es defintiv eingezogen wird. Wenn ja, wird es verwertet, also verkauft. Zu diesem letzten Schritt kommt es allerdings nur selten. Wo liegt das Problem?

Was ist ein Raser?
30er-Zone: mind. 40 km/h zu schnell
Innerorts: mind. 50 km/h zu schnell
Ausserorts: mind. 60 km/h zu schnell
Autobahn: mind. 80 km/h zu schnell

Wer bei den Kantonen nachfragt, bekommt überall Ähnliches zu hören: Führt die massiv überhöhte Geschwindigkeit zu Unfällen, resultiert daraus oft ein Totalschaden. Das Fahrzeug ist dann nichts mehr wert, entsprechend aussichtslos wäre eine Verwertung. Die Verschrottung würde dem Staat sogar noch Kosten verursachen.

Unfall mit einem gemieteten Lamborghini in Bubendorf BL (21.07.2011).
Unfall mit einem gemieteten Lamborghini in Bubendorf BL (21.07.2011).Bild: POLIZEI BASEL-LANDSCHAFT

Wird der Raser lediglich geblitzt, stellt sich offenbar in vielen Fällen heraus, dass ihm das Fahrzeug gar nicht gehört. Es wurde von einem Bekannten ausgeliehen, von einer Garage gemietet oder es ist geleast, dann gehört es der Bank. Unter diesen Umständen wird das Fahrzeug in der Regel nicht eingezogen.

In Zahlen ausgedrückt: Die Zürcher Justiz hat seit Inkrafttreten von Via sicura kein einziges Fahrzeug eingezogen. Nach Abzug aller Totalschäden und Fremdfahrzeuge bleiben noch die Ersttäter: «Einem Ersttäter das Fahrzeug wegzunehmen, ist aus unserer Sicht nicht möglich, weil der neue Artikel 90a im Strassenverkehrsgesetz  verlangt, dass die Einziehung nötig ist, um den Täter von weiteren groben Verkehrsregelverletzungen abzuhalten», erklärt der Zürcher Staatsanwalt und Leiter des Fachbereichs Verkehr, Jürg Boll. Bei einem Ersttäter sei die Gefährdungsprognose in der Regel günstig, sofern keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorhanden sind.

«Einem Ersttäter das Fahrzeug wegzunehmen, ist aus unserer Sicht nicht möglich»
Jürg Boll, Staatsanwalt Zürich

Ist der Fahrzeugverlust, angedacht als scharfe Waffe gegen Raser, in Wirklichkeit ein Papiertiger? «Die Einziehungsfälle werden kommen», prophezeit der Zürcher Staatsanwalt .

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Etwas strenger verfährt offenbar der Kanton Aargau. Dort kamen laut Angaben der Staatsanwaltschaft seit 2013 insgesamt 44 Raserfälle vor Gericht. Daraus resultierten fünf eingezogene Fahrzeuge, die vom Verwertungsbüro Basel-Land im Auftrag des Kantons Aargau verkauft wurden.

«Generell lässt sich sagen, dass die Aargauer Gerichte bis jetzt nur selten eine Einziehung / Verwertung von Fahrzeugen angeordnet haben», bestätigt Nicole Payllier, Leiterin Kommunikation der Gerichte Kanton Aargau. Eine Praxis hinsichtlich Ersttäter bestehe aufgrund der wenigen Fälle noch nicht.

Immerhin hat das Bundesgericht den kantonalen Behörden kürzlich ein zusätzliches Instrument gegen Raser in die Hand gegeben. Es bestätigte im Juni ein Urteil der St. Galler Justiz, die ein geleastes Motorrad eines Rasers eingezogen hatte. Fremdbesitz verhindert den Einzug demnach nicht automatisch. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob von dem Lenker ein Risiko ausgeht und ihm weiterhin ein Fahrzeug zur Verfügung steht, um erneut grobe Straftaten zu begehen.

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