Herr Haefeli, der Bund will, dass Pendler in verstopften Zügen mehr für ihr Ticket bezahlen als die anderen. Wie soll einem das in den Kopf gehen?
Ueli Haefeli: Die Frage trifft den Nerv. Genau deswegen findet Mobility Pricing zurzeit wenig Akzeptanz. Pendler, die ohnehin fast keinen Sitzplatz finden, empfinden es als ungerecht, mehr für ihr Zugticket bezahlen zu müssen als die anderen.
Sie bezahlen ja auch mehr für eine schlechtere Leistung.
Fakt ist, sie verursachen in diesem Moment ungleich mehr Verkehr als die anderen, und dies müssen sie bezahlen. Knappes Gut wird teurer, das ist marktwirtschaftlich ganz normal.
Die Leute müssen zur Arbeit. Wer kann schon um 11 Uhr bei der Arbeit eintrudeln, um die Spitzenzeiten im Zug zu umgehen? Man müsste die Arbeitgeber zwingen, auch mitzuspielen.
Warum? Es zwingt Sie auch niemand, auf dem Land oder weit entfernt von ihrem Arbeitsplatz zu wohnen. Die Verkehrsinfrastruktur hat ihre Kapazitätsgrenzen bald erreicht. Aber wenn Sie schon Arbeitgeber ansprechen: Mobility Pricing könnte zum Lohnelement werden: Einem unverzichtbaren Mitarbeiter bezahlt ein Unternehmer vielleicht den Aufschlag. Wenn nicht, verlegt der Mitarbeiter seinen Wohnort vielleicht näher zum Arbeitgeber.
Das klingt etwas gar einfach. Warum stösst Mobility Pricing dann hier auf so grosse Ablehnung?
Einen der Gründe haben wir schon angesprochen. Ein weiterer liegt im alten Stadt-Land-Konflikt. Das Land befürchtet, stärker zur Kasse gebeten zu werden als die Stadt, weil die Leute mehr Kilometer mit dem Auto zurücklegen. Es gibt aber Pricing-Modelle, die solche Unterschiede ausgleichen. Der Bund ist aber noch wenig konkret in diesen Fragen.
Führt kein Weg an Mobility Pricing vorbei?
Nicht, wenn wir weniger Stau und ein so komfortables Zugreisen wollen. Irgendwann müssen wir in den sauren Apfel beissen. Die Alternativen wären, die Abgaben auf dem Benzin nochmals zu erhöhen, oder noch mehr Steuermittel in den öffentlichen Verkehr zu stecken. Mobility Pricing ist fair: Jeder bezahlt den Verkehr, den er verursacht, und das Verkehrswachstum wird nicht zusätzlich durch Subventionen angeheizt.
Bei den Flugtickets regt sich keiner auf, wenn sie in der Hochsaison teurer verkauft werden. Warum?
Weil das Modell so gewachsen ist. Und natürlich auch, weil der Durchschnittsschweizer vielleicht einmal im Jahr fliegt.
In London kennt man das Road Pricing auf dicht befahrenen Strecken in der Innenstadt bereits. Warum hat es da funktioniert?
Weil es nicht per Volksabstimmung durchgesetzt werden musste und weil der Problemdruck grösser war. An der Urne haben es solche Anliegen sehr schwer, denn sie sind sehr emotional aufgeladen.