66,7 Prozent der Stimmbürger im Kanton St.Gallen stimmten am 23. September 2018 für ein Verhüllungsverbot – als zweiter Kanton nach dem Tessin.
Seit dem 1. Januar 2019 ist das neue Gesetz in Kraft. Seither ist es verboten, «sich im öffentlichen Raum und an öffentlich zugänglichen Orten durch Verhüllung des Gesichts unkenntlich zu machen». Das Verbot greift allerdings nur, wenn «dadurch die öffentliche Sicherheit oder der religiöse oder gesellschaftliche Frieden bedroht oder gefährdet» wird.
Auf Anfrage von watson heisst es bei der Kantonspolizei St.Gallen, dass man noch keine Burkaträgerin gesichtet hat: «Seit dem Inkrafttreten gab es keinerlei Verzeigungen», sagt Kapo-Sprecher Florian Schneider. Weil die Mitarbeitenden der Kantonspolizei niemandem begegnet sind, der das Gesetz übertreten hätte, seien keine Erfahrungen im Umgang mit dem neuen Paragraphen gesammelt worden.
Doch für den Ernstfall sind die Mitarbeitenden vorbereitet. Die Polizistinnen und Polizisten seien instruiert worden, Verstösse gegen das Gesichtsverhüllungsverbot gleich wie andere Verstösse gegen das Übertretungsstrafgesetz zu behandeln, erläutert Schneider: «Sollten wir einer Person mit verhülltem Gesicht begegnen, nehmen wir die Beweissicherung vor, indem wir die Personalien feststellen, die betroffene Person befragen und den Sachverhalt dokumentieren».
Danach sei es Sache der Staatsanwaltschaft zu ermitteln, ob eine Bedrohung oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder des religiösen oder gesellschaftlichen Friedens vorliege, wie es im entsprechenden Paragraphen heisst.
Damit ist bisher eingetroffen, was der St.Galler Sicherheitsdirektor Fredy Fässler (SP) am Abend der Abstimmung gegenüber dem «St.Galler Tagblatt» (kostenpflichtiger Artikel) gesagt hatte: «Ich gehe davon aus, dass das neue Gesetz kaum eine Anwendung haben wird. Es gibt im Kanton St.Gallen praktisch keine Burkaträgerinnen.» Die Regierung des Kantons St.Gallen hatte für ein Nein zum neuen Gesetz geworben.
Im Tessin ist das Verhüllungsverbot seit Juli 2015 in Kraft. Im vergangenen Sommer veröffentlichte die Tessiner Justizdirektion Zahlen zum Gesetz. Demnach trifft das Verhüllungsverbot vor allem vermummte Fussballfans. Burka-Trägerinnen wurden hingegen bisher kaum gebüsst. Zwischen Juli 2016 und Juni 2018 gab es 37 Verfahren, dazu kommen einige Verwarnungen ohne Polizeibericht. Im ersten Halbjahr 2018 wurden etwa 10 verhüllte Gesichter registriert. Fälle von verschleierten Frauen sind in den ersten zwei Jahren an einer Hand abzuzählen.