Just an dem Tag, an dem die SRF-«Arena» die Abstimmungsvorlage zum neuen Waffengesetz auf dem Programm hatte, wurden die ersten Umfrageresultate dazu publik.
Wäre die Abstimmung heute, würde es wohl für ein Ja reichen. Aber nur für ein knappes: Lediglich 53 Prozent der in der Tamedia-Erhebung Befragten unterstützen die Änderung des Waffengesetzes.
Das neue Gesetz will eigentlich niemand. Die Schengen-Mitgliedschaft ist der entscheidende Grund, weshalb die Verschärfung des Waffenrechts nötig ist.
Das knappe Umfrageergebnis ist trotzdem überraschend. Denn die einzige Partei, die sich gegen die Vorlage ausspricht, ist die SVP. Die anderen Parteien sind der Meinung, dass es nicht wert ist, sich über die Anpassungen mit der EU zu verwerfen. Genauso wie der Bundesrat, dessen Meinung am Freitag Justizministerin Karin Keller-Sutter vertrat.
Das war die gesamte Gästerunde im Leutschenbach:
Die Diskussion am Freitagabend lässt sich inhaltlich schnell resümieren. Es wurde weniger über die Folgen der Änderung des Waffengesetztes selbst diskutiert als darüber, ob ein Nein den Austritt aus dem Schengen-Abkommen bedeuten würde.
Denn im Schengen-Vertrag steht: Übernimmt die Schweiz neues Recht nicht, wird das Abkommen als beendet angesehen. Laut den Gegnern ist das Risiko, dass die anderen Schengen-Staaten die Schweiz aus dem Abkommen werfen, aber schwindend klein.
Werner Salzmann, SVP-Nationalrat und Präsident des Berner Schiesssportverbands: «Niemand muss Angst vor einem Rauswurf von Schengen haben, das ist reine Angstmacherei.» Der Datenaustausch sei für beide Seiten extrem wichtig. Frankreich und Deutschland hätten zudem kein Interesse, ihren zahlreichen Grenzgängern Steine in den Weg zu legen. Die EU würde deshalb mit der Schweiz verhandeln und weitere Zugeständnisse eingehen, ist sich Salzmann sicher.
Von diesem Standpunkt aus führt jede Diskussion ins Leere: Sobald die Unterstützer der Vorlage im Studio auf die Wichtigkeit des Schengen-Abkommens pochen, entgegnet das Kontra-Lager, dass es gar nie zu einem Ausschluss kommen werde.
Fakt ist: Übernimmt die Schweiz den neuen Rechtsakt nicht, würden wir nicht sofort aus dem Schengen-Bereich ausgeschlossen werden. Die Regierung hätte neunzig Tage Zeit, um sich mit der Kommission und den Mitgliedstaaten auf eine Fortführung des Abkommens zu einigen.
Kein automatischer Rauswurf also, aber eine sehr knappe Deadline. Einige Male kommt in diesem Zusammenhang am Freitagabend auch das Brexit-Debakel auf. «Die Engländer hatten drei Jahre Zeit. Wir hätten nur drei Monate», gibt Moderator Jonas Projer zu bedenken.
Weiterer Knackpunkt: Die Schweizer Regierung hat bereits verhandelt – und Sonderregelungen erzielen können. Weitere Extrawünsche sind gemäss den Befürwortern der Vorlage nun sehr unwahrscheinlich. Bundesrätin Karin Keller-Sutter: «Wir konnten schon sehr viel erwirken. Wenn das Volk jetzt Nein sagt, müssten wir natürlich nochmals verhandeln. Aber der Spielraum wird klein sein.»
In der Diskussion wird aber auch spürbar, es geht hier um neue Regeln, die in der Schweiz eigentlich niemand will. Keller-Sutter: «Wir sind Teil von Schengen und somit verpflichtet, diese Änderungen zu übernehmen, wir haben diese Spielregeln akzeptiert. Ich hätte das aber nicht vorgeschlagen, das wissen Sie.» Jetzt müsse eine Güterabwägung gemacht werden darüber, was insgesamt im Interesse der Schweiz sei.
Laut der Justizministerin sind die Änderungen, welche die EU von der Schweiz im Waffenrecht fordert, auch für die Schützen «zumutbar». Keller-Sutter: «Die Schiesstradition liegt mir sehr am Herzen. Genauso wie die Vorteile, die uns Schengen bringt, unter anderem die Sicherheit durch die internationale Polizeiarbeit. Mit der Gesetzesanpassung könnte die Schweiz beides bewahren.» Das Recht auf eine Waffe bleibe bestehen. Es gebe lediglich neue, erweiterte Bedingungen.
Salzmann wiedersprich: «Wird die Anpassung übernommen, verlieren wir einen Teil unserer Waffentradition.» Luca Filippini, Präsident Interessengemeinschaft Schiessen Schweiz, schliesst sich ihm an: «Man kann es drehen wie man will: Bis jetzt hatte jeder das Recht, eine Waffe zu kaufen. In Zukunft wird das nicht mehr der Fall sein.» Es handle sich auch eine Prinzip-Frage. Schütze Joel Häfeli befürchtet seinerseits bereits weitere Einschränkungen: «Wer weiss, wie lange ich diese Ausnahmebewilligung dann hätte. 2020 könnte es bereits weitere Verschärfungen geben.»
Filippini weist darauf hin, es sei bereits 2005 bei der Unterschrift zum Abkommen versichert worden, am Schweizer Waffenrecht werde nicht gerüttelt. Nun wolle die EU der Schweiz ihre Regeln aufschwätzen. Keller-Suter widerspricht. Es handle sich keinesfalls um ein Diktat der EU. Die Schweiz hat sich verpflichtet, die Schengen-Abkommen zu übernehmen. Das Volk sei nun aber frei zu entscheiden, was es will. «Es muss einfach wissen, dass bei einem Nein Schengen gefährdet ist.»
SP-Ständerat Daniel Jositsch weist indes auf die 200 Schusswaffentote pro Jahr hin, die es in der Schweiz gibt. Die EU wolle ja «nicht aus Spass» halbautomatische Waffen einschränken. «Es geht hier um den Schutz vor Waffen.» Schlussendlich sagt der SPler eiskalt zu Salzmann und Co: «Das alles nur, weil Sie finden, es wird ein bisschen aufwändiger, eine Waffe zu bekommen.»
Salzmann hingegen schätzt den effektiven Sicherheitsgewinn anders ein: «Mit diesem Gesetz verhindert man kein Terroranschlag». Dieselbe Meinung vertritt Filippini. «Diese Verschärfung trifft einfach die falschen Menschen.»
Die Justizministerin weist aber auf zwei sicherheitsrelevante Punkte hin. Erstens erlaube die neu vorgeschriebene Markierung der wichtigen Waffenbestandteile eher, dass die Herkunft einer Waffe nach einer Straftat zurückverfolgt werden könne. Weiter erfährt die Schweiz dank der neuen EU-Waffenrichtlinie künftig davon, wenn eine Person in einem anderen Schengen-Land keine Waffe erwerben darf.
Stefan Blättler, Präsident Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten, merkt an, dass mit der Umsetzung der Gesetzesänderung ein grosser Mehraufwand für die Polizei anstünde. «Aber: Für uns ist Schengen-Abkommen zentral. Wir hätten grösste Probleme ohne die internationale Zusammenarbeit.»
Fokuswechsel zu Ende der Sendung: Es geht um Tourismus. Denn auch Hotelleriesuisse hat die Ja-Parole gefasst. Präsident Andreas Züllig warnt vor enormen Verlusten. Bei einem Nein an der Urne droht der Ausschluss dem europäischen Visaverbund. Das sei besonders gefährlich für Fernmärkte, die oft europaweite Reisen buchen. Ein extra Visum für die Schweiz zu besorgen wäre dann vielen zu teuer und zu aufwändig.
Dann – die «Arena» schreibt bereits Überzeit – moderiert Projer das letzte Gesprächsthema der Sendung an: das Dublin- Abkommen. Das Abkommen enthält eine Klausel, dass es nur angewendet wird, wenn die Schweiz auch Teil von Schengen ist. Die Dublin-Mitgliedschaft, also die Zusammenarbeit im Asylbereich, würde somit gleichzeitig mit jener in Schengen beendet.
Zur Folge würde die Schweiz besonders attraktiv für Asylsuchende. Denn das Land müsste Asylgesuche von Personen prüfen, die bereits in einem anderen europäischen Land einen Antrag gestellt hätten. Diese Befürchtung bringt die Justizministerin zur Sprache, nicht etwa die SVP.
Werner Salzmann lässt das kalt. «An das Dublin-Abkommen hält sich momentan sowieso niemand», sagt er. «Frankreich hat seine Grenzen geschlossen, genauso wie Ungarn. Auch Deutschland kontrolliert seine Grenzen wieder.» Im Fall der Fälle müssten wir unsere Grenzen halt wieder schliessen. Aber – und so schliesst sich der Kreis – dazu werde es ohnehin nicht kommen, da die Schweiz einen Kompromiss mit der EU finden werde.
Klar ist: Bei der Abstimmung zum neuen Waffengesetz geht es um das Abwägen von Risiken. Wie hoch sind wir bereit, für unsere Waffentradition zu pokern?