Maya Graf hatte schon bessere Auftritte. So eindringlich die Grünen-Nationalrätin ihre Argumente am Freitagabend in der Abstimmungs-«Arena» auch wiederholte, so sehr sie immer wieder auf dieselben Punkte aufmerksam machte; zuletzt vermochte sie nicht richtig zu überzeugen.
Auch Hans-Ulrich Huber war ihr keine grosse Hilfe. Der Geschäftsführer von Tierschutz Schweiz schaffte es kaum, seine Stimme zu erheben, sich etwas Platz zu verschaffen und seinen Kontrahenten die Leviten zu lesen. Die wenigen Male, in denen er zu Wort kam, äusserte er sich zögerlich und wenig angriffig.
Schade, böte doch die Fair-Food-Initiative dem Pro-Lager genügend Stoff für eine leidenschaftliche Argumentation. Immerhin geht es um ein Thema, das uns alle betrifft: Was landet in der Zukunft auf dem Teller von Herr und Frau Schweizer? Pouletbrust aus einer ungarischen Massenzucht? Oder nur noch Lebensmittel auf fairen und nachhaltigen Produktionen, egal ob sie aus dem In- oder Ausland stammen?
Während es Graf und Huber versäumten, kurz vor der Abstimmung am 23. September noch die letzten Unschlüssigen auf ihre Seite zu ziehen, konnte das Contra-Lager umso mehr punkten. Dies sogar, obwohl der SP-Bundesrat Alain Berset nicht die Argumente seiner eigenen Partei, sondern jene des Bundesrates vertreten musste. Dieser hatte, im Gegensatz zur SP, die «Nein»-Parole beschlossen.
Doch Berset schien diese Rolle keine Mühe zu machen. Taktisch klug machte er einen Schritt auf die Initianten zu und gestand ein, dass ihre Fragestellungen grundsätzlich richtig seien. «Natürlich ist es nicht egal, wie produziert wird.» Doch für wichtige Verbesserungen müsse die Verfassung nicht geändert werden. Mit der Initiative der Ernährungssicherheit, die das Volk vor einem Jahr angenommen hatte, habe man bereits genug Möglichkeiten, wichtige Verbesserungen anzupacken.
Auch FDP-Nationalrätin Regine Sauter profitierte von der Argumentationsmüdigkeit ihrer Kontrahenten. Man solle die Konsumenten nicht unterschätzen, entgegnete sie auf die Wortmeldung von Graf, dass sich viele nicht bewusst seien, dass ihr Fleisch auf dem Teller aus einer tierquälerischen Haltung stamme.
«Die Konsumenten haben es in der Hand, ob sie in der Migros oder im Coop einkaufen.» Sie hätten es in der Hand, welches Label sie unterstützen, ob sie saisonal und biologisch einkaufen wollen. Und genau das sei doch wichtig: Dass es eine grosse Auswahl gebe und man zuletzt selbst entscheiden könne, ohne bevormundet zu werden. Und wer wolle, der könne sich auch heute schon, ohne die Fair-Food-Initiative von nachhaltigen und fair produzierten Lebensmitteln ernähren.
Doch dem Tierschützer Huber genügte das nicht. Das Problem sei, dass oftmals nicht genügend ausgewiesen werde, woher ein Lebensmittel stamme. Und damit sprach er einen Punkt an, bei dem ihm auch die Gegenseite Recht gab. Zwar weiss man beim Kauf einer Packung Eier, dass sie von Schweizer Hühnern mit Freilauf stammen. Wer aber Eier-Spätzli kauft, hat keine Ahnung woher die darin verarbeiteten Eier sind.
Zumindest bei diesem Punkt waren sich alle vier Studiogäste einig: Es braucht bessere Deklarationen bei den Lebensmitteln. Es muss klar sein, woher sie stammen und unter welchen Bedingungen sie produziert wurden. Und hier hakte Berset nochmals ein. «Dafür braucht es aber keine neue Verfassungsgrundlage.»
Und schon gar nicht eine, die danach nicht eingehalten werden könne, doppelte Sauter nach. Denn wie wolle man ausländische Betriebe dazu zwingen, nach Schweizer Standards zu produzieren? Wenn in Italien Menschen zu unwürdigen Bedingungen schwarz auf Tomatenplantagen arbeiten, sei es doch nicht die Aufgabe der Schweiz, dort Polizei zu spielen.
Indem Sauter den Initiativtext zitierte, machte sie auf ein grosses Problem des Pro-Lagers aufmerksam: Das Anliegen der Initianten wird offenbar unterschiedlich interpretiert. Im Abstimmungsbüchlein steht, dass bei einem «Ja» zur Initiative der Bundesrat Anforderungen für die Produktion von Lebensmitteln festlegen soll. Die Anforderungen gelten dann auch für Produkte, die aus dem Ausland in die Schweiz importiert werden. Nun sagen die Gegner der Initiative, dass man wolle, dass für ausländische Produktionen dieselben Standards gelten, wie in der Schweiz. Die Befürworter widersprechen und sagen, die Anforderungen an die Produktionen können für Schweizerische und ausländische Betriebe unterschiedlich sein.
Was gilt nun? Das fragte sich auch Berset. «Es ist das erste Mal, dass ich in einer Debatte bin, wo die Initianten verlangen, dass man die Initiative nicht ganz nach ihrem Sinn umsetzt.»
Damit nahm der Bundesrat den Initianten den Wind aus den Segeln. «Was bedeutet die Fair-Food-Initiative? Und was bedeutet sie für die heutigen Verträge mit ausländischen Handelspartnern?», fragte er in die Runde. Die Antworten auf solche Fragen konnten die Befürworter in der «Arena»-Runde nicht geben. Zuletzt verpassten sie die Chance, für Klarheit zu sorgen und mit einem konkreten Plan Unsicherheiten aus dem Weg zu schaffen.