Er gehört zu den grössten Hoffnungen im Schweizer Fussball. Kenner bezeichnen den albanisch-schweizerischen Doppelbürger Albian Ajeti als grösstes Talent neben Breel Embolo. Mit Embolo verbinden Ajeti das Alter (20), die Position (Stürmer), der Name seines Beraters (Erdin Shaqiri) – und der frühe Transfer ins Ausland.
Mit 18 verliess er im Januar 2016 den FC Basel und schloss sich für eine kolportierte Ablösesumme von einer Million Euro dem Bundesligisten Augsburg an. Ajetis Traum vom schnellen Durchbruch dauerte 40 Minuten. So lange spielte er in der Bundesliga – bevor er sich im vergangenen Sommer leihweise dem FC St. Gallen anschloss.
Vor wenigen Tagen übernahmen die Ostschweizer den jungen Stürmer definitiv. Der «Blick» schrieb von einem «Transfer-Coup». Wieder floss eine Million – diesmal von St. Gallen nach Augsburg.
Ajeti liefert ein Fallbeispiel für die Zustände auf dem Fussball-Basar. Die Verlockung auf das schnelle Geld zählt oft mehr als die vernünftige Karriereplanung.
Dabei gäbe es genügend junge Fussballer, die sich mit einem verfrühten Auslandtransfer in die Sackgasse manövrierten – und letztlich froh sein mussten, zu Hause oder in einer unteren ausländischen Liga nochmals einen neuen Anlauf nehmen zu können: Johan Vonlanthen, Davide Chiumiento, Sandro Burki, Jonas Elmer, Martin Angha, Benjamin Siegrist.
Die Liste liesse sich fast beliebig verlängern. Gerade bei Talenten mit Migrationshintergrund sind oft die Eltern der Auslöser: Sie sehen die Aussichten auf einen grossen Lohn und hoffen, dass der Sohn die Familie ernähren kann. Als «Brandbeschleuniger» treten dann die Spielvermittler auf den Plan.
Erkundigt man sich nach ihren Geschäftspraktiken, dämpfen selbst sonst mitteilsame Sportfreunde die Stimme, werden wortkarg und legen Wert darauf, nicht mit Namen zitiert zu werden.
«Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell man im Fussball mit kleinem IQ sehr viel Geld verdienen kann», sagt ein erfahrener Trainer und Manager aus Zürich. Oft genüge es, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein – und mit der nötigen Forschheit aufzutreten.
Denn im Beratermilieu braucht es weder einen Grundschulabschluss noch einen Leistungsausweis, um mitzumischen. Und es gibt auch keine Zugangskriterien. Es ist, als hätte das Strassenverkehrsamt die Fahrprüfung abgeschafft und würde jedem Neulenker den Ausweis mit einem Kanister Benzin als Motivationsspritze und der Aufforderung «gib Vollgas» überreichen.
Die Fifa hat die Bemühungen um eine Regulierung und Reglementierung des Agentengeschäfts aufgegeben. Auch die Fachprüfung des Schweizerischen Fussballverbands für Vermittler wurde 2015 abgeschafft. «Das war ein Fehler. Es unterwandert die Glaubwürdigkeit der ganzen Szene», sagt der Zürcher Christoph Graf, Inhaber der Beraterfirma Graf Sports International.
Die vom früheren Profi und heutigen Vermittler Wolfgang Vöge präsidierte Swiss Football Agents Association will das Vakuum überbrücken. Doch letztlich steht auch sie im rechtlich luftleeren Raum. «Die Mitgliedschaft bei uns ist keine Bedingung, um als Agent tätig zu sein», so Graf.
Wie Vöge gilt der frühere Sportjournalist Graf als seriöser Vertreter der Branche. Selbst wenn es auch ihnen letztlich um die Gewinn- und Gehaltssteigerung ihrer Klientel geht, treten sie zurückhaltend und diskret auf. Der ehemalige FCZ-Sportchef Marco Bernet spricht von «menschlich orientierten Beratern».
Doch im kaum überschaubaren Geschäft ist die Durchlauffrequenz grösser als an der Zürcher Bahnhofstrasse während der Adventszeit. Selbst als die Fifa und die nationalen Verbände das Geschäft mit einem Lizenzierungsverfahren zu regulieren versuchten, genügte die Blutsverwandtschaft mit einem Spieler, um auf dem Transfermarkt mitzudribbeln.
So wird der begabteste Schweizer Fussballer – der Basler Xherdan Shaqiri (25) – (wie Embolo und Ajeti) von seinem älteren Bruder Erdin betreut. Letzterer sortierte früher bei einem Grossverteiler die Regale und scheiterte beim Versuch, selbst Fussballprofi zu werden.
Im Windschatten von Xherdan trat er doch noch auf die grosse Bühne – mit beschränkter sportlicher Gewinnoptimierung. Bayern München, Inter Mailand, Stoke City: Die Stationen von Xherdan Shaqiris Auslandlaufbahn lassen erahnen, dass ein «Berater» selbst das grösste Talent in die falsche Richtung lenken kann.
Das sei das typische Muster, sagt ein Insider: erfolgreicher Bruder, erfolgloser Bruder – die Mischung führe langfristig fast immer ins Abseits. Doch das Geschäft lohnt sich trotzdem. «Eine externe Person kann bei Lohnverhandlungen und bei der Marktsondierung viel offensiver auftreten als der Direktbeteiligte – das ist aber nicht nur im Sport so», erklärt Christoph Graf.
Dabei gibt es zwei Finanzierungsmodelle. Der Agent lässt sich seine Dienste bei Vertragsabschluss entweder durch eine Beteiligung am Spielerlohn (rund drei bis fünf Prozent) oder eine einmalige Bonuszahlung vom Klub honorieren. Bei einem (Schweizer) Nationalspieler bewegt sich diese im sechsstelligen Bereich.
Marco Bernet bezeichnet den Schweizer Spitzenfussball als «Geldvernichtungsmaschine» und die Vermittler als «Preistreiber». Allein im August 2016 deklarierten die europäischen Vereine gegenüber der Fifa Zahlungen von 130 Millionen Franken an Agenten. Im Fall von Ajeti wurde gleich zweimal bezahlt – von Augsburg und St. Gallen. Die Rechnung hat der Spieler zu begleichen – vor allem sportlich.
Shaqiri hätte bei Bayern nur Geduld gebraucht. Kurz nach seinem Abgang haben den Bayern die Offensivspieler verletzungsbedingt gefehlt. Da wäre sie gewesen, die grosse Chance sich in Bundesliga und Championsleague zu beweisen.
Aber Inter und Stoke City sind ja auch tolle Vereine. Da kann man Dienstag und Mittwoch immer gemütlich vom Sofa aus die Champions League schauen.