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«Auch die Dänen schützen ihren Immobilienmarkt vor Ausländern»

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Interview mit Jacqueline Badran zur Lex Koller

«Auch die Dänen schützen ihren Immobilienmarkt vor Ausländern»

Die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran kämpft dafür, dass das internationale Finanzkapital vom Schweizer Immobilienmarkt ferngehalten wird. 
05.05.2014, 07:5323.06.2014, 14:30
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Die Lex Koller dient grundsätzlich dazu, den Verkauf von Schweizer Immobilien an ausländische Spekulanten zu verhindern. In den 1990er Jahren wurde dieses Gesetz jedoch aufgeweicht, später wurde sogar über eine Abschaffung diskutiert. In den letzten Jahren sind die Immobilienpreise landesweit explodiert. Deshalb kämpft die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran dafür, dass die Schleusen für das internationale Finanzkapital wieder geschlossen werden. In der Sondersession beschäftigt sich der Nationalrat mit der Lex Koller.

Frau Badran, sind Sie eine Populistin?
Jacqueline Badran: Nein, wieso? Ich bin Ökonomin. 

Sie fordern, dass die geöffneten Schleusen der Lex Koller wieder geschlossen werden. Segeln Sie nicht im Schlepptau der ausländerfeindlichen SVP?
Das ist Quatsch. Ich beschäftige mich mit der Lex Koller seit Ende 2006. Damals ging es darum, ob das Gesetz abgeschafft werden soll.

Warum wäre das so schlimm?
Immobilien kann man nicht mit Gütern wie Turnschuhen oder Hörnli vergleichen. Es handelt sich um ein Zwangsgut. Man kann nicht nicht wohnen. Daher gelten für Immobilien andere Gesetzmässigkeiten als für gewöhnliche Güter des Alltags.

Zürich West verzeichnete in den letzten Jahren eine rege Bautätigkeit.
Zürich West verzeichnete in den letzten Jahren eine rege Bautätigkeit.Bild: KEYSTONE

Man kann doch mit der Raumplanung die Rahmenbedingungen für einen funktionierenden Immobilienmarkt festlegen.
Eben nicht. Raumplanung regelt das Angebot, die Lex Koller die Nachfrage. Wenn man mit der Raumplanung das Bauland tendenziell verknappt und gleichzeitig mit einer Lockerung der Lex Koller die Nachfrage erhöht, dann explodieren gemäss der Logik des Marktes die Preise. Genau das ist in der Schweiz passiert. 

«Wohnungen werden nicht billiger, wenn kapitalkräftige Investoren auf den Plan treten, sondern teurer.»

Wenn mehr Kapital vorhanden ist, wird mehr gebaut, und dann werden doch die Wohnungen billiger.
Leider nicht. Im Immobilienmarkt funktionieren die Gesetze von Angebot und Nachfrage nicht so, wie es der Erstsemesterstudent im Lehrbuch lernt. Im Schweizer Immobilienmarkt hat es derzeit zu viel, nicht zu wenig Kapital. Es herrscht ein Anlagenotstand.

Was sind die Konsequenzen?
Der Anbieter ist zunächst einmal auch ein Nachfrager. Er muss nämlich zuerst Land erwerben. Deswegen buhlen alle um Bauland. Bauland ist knapp, und das bedeutet, dass der Preis von Bauland in die Höhe schiesst. Davon haben weder Mieter noch Pensionskassen etwas. Sie sind am Nutzwert der Liegenschaften interessiert, genau wie der Eigentümer, der seine Wohnung oder sein Haus für den Eigengebrauch erwirbt. Von einer Preisexplosion profitieren nur die börsenkotierten Immobilienfirmen. Sie sind scharf auf eine möglichst rasche und kräftige Wertsteigerung der Liegenschaften.

Warum gibt es in der Schweiz so wenig leere Wohnungen?
Der Immobilienmarkt ist sehr kapitalintensiv, deshalb wird nicht auf Halde gebaut. Dazu kommt der Engpass beim Boden. Wir haben nun mal bloss rund 18'000 Quadratkilometer Nutzfläche zu Verfügung. Daher werden die Wohnungen nicht billiger, wenn noch mehr kapitalkräftige Investoren auf den Plan treten, sondern sie werden teurer. Das können oder wollen alle, die nicht begreifen, die nach mehr Markt im Immobilienbereich schreien. Es geht im Schweizer Immobilienmarkt primär um die Frage: Wem gehört der Boden? Es findet ein Krieg um die Bodenrente statt.

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Bild: KEYSTONE

Was heisst das für Mieter und potenzielle Käufer von Wohneigentum?
Dass der Anbieter und nicht der Markt den Preis diktiert. Alle anderen müssen sich anpassen. Nehmen Sie das Beispiel von Zürich West. Da wurde in den letzten Jahren gebaut wie verrückt. Hat das günstige Mieten gebracht? Für eine Vierzimmerwohnung bezahlen Sie zwischen 5'000 und 7'000 Franken Miete an einer doppelspurigen Strasse im zweiten Stock. Bei Attikawohnungen sind es bald 10'000 Franken und mehr. Dabei hat die Stadt alle Wünsche der Investoren erfüllt und ihnen die höchste Ausnützung gewährt. Wie kann man da noch behaupten, dass die Wohnungen günstiger werden, wenn mehr gebaut wird?

«7000 Franken Miete an einer doppelspurigen Strasse im zweiten Stock: Wie kann man da behaupten, dass Wohnungen billiger werden?»

Ist das nicht ein Luxusproblem von ein paar wenigen Doppelverdienern?
Nein, es ist ein volkswirtschaftliches Problem von uns allen. Wenn Mieten oder Hypozinsen steigen, dann geht man nicht mehr in die Ferien, kauft kein neues Auto und isst nicht mehr im Restaurant. Man schränkt sich anderswo ein, um die gestiegenen Wohnkosten zu bezahlen. Die Folgen für die Volkswirtschaft sind fatal.

Das heisst?
Je mehr die Konsumenten für Wohnkosten ausgeben müssen, desto weniger Geld haben sie zur Verfügung, um andere Dinge zu konsumieren. Mit anderen Worten: Die hohen Wohnkosten würgen die Binnennachfrage ab. Deshalb müsste auch der Gewerbeverband für eine Verschärfung der Lex Koller eintreten.

Machen Sie jetzt nicht auf Panik?
Überhaupt nicht. Wir reden von Milliarden Franken, die den Menschen wegen der steigenden Wohnkosten in der Tasche fehlen. Diese Milliarden landen via Bodenrente in den Taschen der globalen Finanzkapitalisten. Diese können gar nicht verlieren, weil das Angebot an Bauland knapp bleibt – ausser vielleicht im hintersten Winkel des Kanton Jura.

Trotzdem: Die Lex Koller diskriminiert Ausländer.
Im Gesetz steht nirgends das Wort «Ausländer». Es geht um «Personen im Ausland».

Schön. Und was ist der Unterschied?
Die Lex Koller bindet den Erwerb von Immobilien an den Wohn- und vor allem an den Steuersitz. Jeder Ausländer, der in der Schweiz wohnt und Steuern bezahlt, kann Immobilien erwerben. Ausländer, die mit Schweizer Immobilien spekulieren wollen, sollen hingegen ferngehalten werden.

Immobilienboom in Zug.
Immobilienboom in Zug.Bild: KEYSTONE

Ein Deutscher, der in Zürich wohnt und arbeitet, darf also eine Eigentumswohnung kaufen?
Ja, problemlos – wenn er hier seinen Lebensmittelpunkt hat und seine Steuern bezahlt. Genau das Gleiche gilt im Übrigen auch für ausländische Unternehmen.

Es wird jedoch behauptet, dass beispielsweise Nestlé bald in der Schweiz keine Immobilien mehr kaufen könne, weil die Mehrheit der Aktien in ausländischen Händen liegt?
Das ist eine dreiste Erfindung der Anti-Lex-Koller-Lobby. Sorry, ich kann das wirklich nicht höflicher ausdrücken. Jedes in der Schweiz tätige Unternehmen kann für den Eigenbedarf Immobilien erwerben, vorausgesetzt, es hat seinen Steuersitz hier.

Was ist mit der Diskriminierung? Wenn wir die Ausländer vom Schweizer Immobilienmarkt ausschliessen, dann dürfen umgekehrt Schweizer Versicherungen und Pensionskassen im Ausland keine Immobilien mehr kaufen.
Das war noch nie so. Auch Dänemark schützt seinen Immobilienmarkt. Und selbst in Spanien musste bis vor Kurzem jeder, der Wohneigentum erwerben wollte, mindestens sechs Monate im Jahr dort leben. Was das internationale Finanzkapital mit einem Immobilienmarkt anrichten kann, wenn man keine Schranken setzt, das hat Spanien ebenfalls drastisch vor Augen geführt.

«Auch die Dänen schützen ihren Immobilienmarkt vor Ausländern.»

Letztlich aber schottet sich die Schweiz einmal mehr ab.
Dieses Abschotten hat Tradition. Wir haben schon immer Sorge zu unserem Boden getragen, denken Sie an die Bürgergemeinden, an den Schutz der Landwirtschaftszone und an die Landkooperativen in Schwyz und Uri. Das Bewusstsein um die Macht des Bodens kann man schon bei Gotthelf nachlesen. 

Gotthelf in Ehren, aber wir leben in einer digitalen Gesellschaft. Der Boden hat an Bedeutung verloren.
Wie bitte? Bei Schweizer Immobilien sprechen wir derzeit von einem 2,2--Billionen-Franken-Markt. Das sind 2200 Milliarden Franken. Land ist unser grösstes volkswirtschaftliches Gut. Banken, Pharma, Maschinenindustrie – alles ist Pipifax im Vergleich. Beim Wohnen sprechen wir zudem vom grössten Posten im normalen Haushaltsbudget. Es geht also darum, dass Schweizer Durchschnittsfamilien nicht gezwungen werden, dem internationalen Finanzkapital zu exzessiven Gewinnen zu verhelfen. 

Das Megaprojekt von Samih Sawiris in Andermatt.
Das Megaprojekt von Samih Sawiris in Andermatt.Bild: KEYSTONE

Boden ist also ein ganz besonderes Gut?
Ja, es ist wie Wasser, nämlich lebensnotwendig. Und wir würden ja auch nicht unsere Quellen ausländischen Spekulanten überlassen. Genau das wollen die Gegner der Lex Koller mit unserem Boden machen.

Diese wiederum sagen: Jacqueline Badran will zurück zum Protektionismus.
Na und? Natürlich ist das protektionistisch. Aber es ist ein guter Protektionismus, er hat Sinn und Zweck. Wir müssen aufhören, in der Ökonomie alles über den gleichen Leisten zu brechen. Wir müssen stattdessen – wie man es übrigens an der Hochschule St. Gallen lernt – wieder in Güterklassen denken. Wasser ist nicht das Gleiche wie Turnschuhe und Boden ist nicht das Gleiche wie T-Shirts. Deshalb müssen wir ihn auch anders behandeln.

Ist die Aufweichung der Lex Koller der einzige Grund für die Explosion der Immobilienpreise?
Es ist ein wichtiger Grund, aber nicht der einzige. Die Schweiz ist schon lange ein «sicherer Hafen» in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Mit der Eurokrise hat sich dies noch verstärkt. In den letzten Jahren ist massig Kapital in die Schweiz gekommen, weil man aus dem Euro in den Franken fliehen wollte. Dieses Geld ist vor allem in Immobilien geflossen und verdrängt die Pensionskassen, die heute schon nicht mehr wissen, wie sie ihr Geld anlegen wollen.

«Wir sprechen von einem 2'2000-Milliarden-Franken-Markt. Land ist unser wichtigstes volkswirtschaftliches Gut.»

Was ist mit dem Imageschaden? Eine scharfe Lex Koller führt dazu, dass die Schweiz einmal mehr als Sonderfall und Rosinenpicker wahrgenommen wird.
Was Immobilien betrifft, sind wir schon immer ein Sonderzüglein gefahren – und zwar zu Recht! Schauen Sie doch bloss, was mit Irland passiert ist. Es ist ein Immobiliendebakel, verursacht vom globalen Finanzkapital.

Können wir es uns erlauben, uns in unsere eigene, idyllische Gartenlaube zurückzuziehen? Müssen wir nicht auf globaler Ebene die Spekulation bekämpfen?
Würde ich gerne machen, aber wie? Ich kann ja die neuen und gefährlichen Finanzinstrumente der Investmentbanken, die zur amerikanischen Immobilienkrise geführt haben, nicht verbieten.

Zur Person
Jacqueline Badran, 52, hat an der Universität Zürich Biologie und an der Universität St. Gallen Ökonomie studiert. Beide Studien hat sie mit einem Diplom abgeschlossen. Nach dem Studium arbeitete sie zuerst in der Verwaltung von St. Gallen. Im Jahr 2000 gründete sie zusammen mit zwei Partnern die Firma Zeix AG. Ihre politische Karriere bei der SP begann 2002 im Zürcher Gemeinderat. 2011 wurde sie in den Nationalrat gewählt. Frau Badran ist verheiratet und lebt in Zürich. 

Wie würden Sie den Immobilienmarkt regeln, damit er wieder den Bedürfnissen des Schweizer Mittelstandes entspricht?
Zuerst müssen die beiden Fehler der Vergangenheit rückgängig gemacht werden. Der Markt darf nicht über Fonds und börsenkotierte Immobilienfirmen indirekt den ausländischen Spekulanten geöffnet werden, und die Herauslösung der Gewerbeimmobilien aus dem Gesetz hat fatale Folgen gehabt. 

Wir gross sind die Chancen, dass dies auch geschehen wird?
Der Bundesrat hat dazu Ja gesagt, auch der Nationalrat. Jetzt ist der Ständerat am Zug, und er ist wegen dem massiven Druck der Immobilienlobby am Kippen.

«In der Schweiz ist Bodeneigentum noch sehr breit gestreut. Das muss erhalten bleiben.»

Was braucht es sonst noch?
Die Immobilien müssen endlich dem Geldwäschereigesetz unterstellt werden. Es ist offensichtlich, dass hier eine Lücke besteht. 

Badran: «Über das Mietrecht durchgedrückte Regeln nützen wenig.»
Badran: «Über das Mietrecht durchgedrückte Regeln nützen wenig.»Bild: KEYSTONE

Was noch?
In der Schweiz ist Bodeneigentum sehr breit gestreut. Zum Glück. Das muss erhalten bleiben, damit möglichst viele Menschen von der Bodenrente profitieren können.

Was ist mit Einfrieren der Mietpreise, wie dies in Genf, aber auch in New York geschieht?
Das ist Schwachsinn. Nochmals, der entscheidende Punkt ist: Wem gehört der Boden? Alles andere ist Pflästerlipolitik.

Also mehr Wohneigentum und mehr Genossenschaften?
Über das Mietrecht durchgedrückte Regeln nützen wenig. Sie werden früher oder später umgangen. Deshalb bin ich eine klare Verfechterin des selbst genutzten Wohneigentums und der Genossenschaften. Da muss man niemandem Gewinn abliefern.

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