Täglich gehen bei der Polizei über 25 Anzeigen wegen Beschimpfung ein. Die aktuelle Schweizer Kriminalstatistik weist für 2017 insgesamt 9555 entsprechende Delikte aus. Ein Rekord, wie die «SonntagsZeitung» berichtet. Und fast doppelt so viele Taten wie bei Erhebungsbeginn 2009. Auch die Verurteilungen erreichten mit 3512 Fällen ein noch nie dagewesenes Ausmass.
Zwar geht aus der Statistik nicht hervor, wie viele Beschimpfungen online ausgesprochen wurden. Jedoch ist laut Experten das Internet verantwortlich für die zunehmende Entwicklung. «Mit einer Beschimpfung auf der Strasse erreicht man einige Leute. Über Soziale Medien hingegen ist der Wirkungskreis viel grösser», sagt Dominic Pugatsch, Geschäftsleiter der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus.
Auch die Anonymität im Netz animiere Täter zu strafbaren Beiträgen. Allerdings scheint die Hemmschwelle deutlich gesunken zu sein: Immer mehr Personen veröffentlichten strafbare Inhalte in ihrem Namen oder sogar mit eigenen Fotos.
Betreiber von Social Media-Plattformen wie Facebook oder Youtube sind oft untätig. Gemeldete Kommentare bleiben teilweise wochenlang sichtbar. «Ihnen geht es um möglichst viele Klicks. Diese erhalten sie gerade bei gehässigen Diskussionen und anstössigen Inhalten», bemängelt Pugatsch.
Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pink Cross, stellt zudem fest, dass der Hass in der Gesellschaft grundsätzlich salonfähiger wird: «Wenn man sieht, wie despektierlich sich zum Beispiel Donald Trump auf Twitter äussert, dann ist es nicht verwunderlich, dass auch in der Bevölkerung die Hemmschwelle sinkt.»
Jolanda Spiess-Hegglin erhielt nach dem Bekanntwerden eines angeblichen sexuellen Übergriffs Hunderte Hasskommentare und Drohungen. Deshalb hat sie den Verein #NetzCourage gegründet, der gegen verwerfliche Beiträge vorgeht und Betroffene unterstützt. 2018 wurden beim Verein mehr als 1000 Hilfegesuche eingereicht. Bislang hat #NetzCourage in 180 Fällen Anzeige erstattet – die Hälfte davon betraf Spiess-Hegglin selber.
Viele Täter sind laut «SonntagsZeitung» noch extrem jung, wie die Kriminaltstatistik zeigt. Zuletzt wurden in einem Jahr 239 Kinder unter 15 Jahren angezeigt. Gleichzeitig aber auch 232 Senioren, die schon über 70 sind. Drei von vier Beschimpfungen gehen den Daten zufolge auf Männer zurück.
2017 wurden 3512 Urteile wegen Beschimpfungen im Internet gefällt. Da sich diese gut beweisen lassen, sind die Chancen auf einen Schuldspruch relativ hoch. Im Falle einer Verurteilung kann ein Gericht eine Geldstrafe von maximal 90 Tagessätzen aussprechen. Für die Schimpfworte «Dreckslügner», «Krimineller» oder «Dummkopf» verurteilte die Zürcher Staatsanwaltschaft die Täter zu jeweils 900 Franken Geldstrafe. (vom)