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Big Brother darf schnüffeln – der Zeitgeist verlangt nach Sicherheit

Der Sitz des NDB in Bern.
Der Sitz des NDB in Bern.Bild: KEYSTONE

Big Brother darf schnüffeln – der Zeitgeist verlangt nach Sicherheit

Der Nachrichtendienst des Bundes soll umfassende Kompetenzen erhalten. Damit folgt der Nationalrat dem Zeitgeist. Das von Linksgrün angedrohte Referendum dürfte chancenlos sein.
17.03.2015, 15:5218.03.2015, 15:01
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Kritiker der Geheimdienste haben es schwer. Und das hat nichts mit James-Bond-Romantik zu tun. Der gesetzestreue Durchschnittsbürger (oder die Bürgerin) pflegt Warnungen vor einem Überwachungsstaat meist mit einem Standardsatz abzuwiegeln: «Ich habe nichts zu verbergen und darum auch nichts zu befürchten.»

Es gehört zum Wesen der «Schlapphüte», dass sie gerne an die gesetzlichen Grenzen und darüber hinaus gehen.

Der Nationalrat ist am Dienstag dieser Maxime gefolgt, er hat alle Versuche abgeschmettert, das neue Nachrichtendienstgesetz (NDG) zu entschärfen. Dabei gibt es genügend Beispiele, dass es nicht genügt, wenn man nichts zu verbergen hat. Vor 25 Jahren platzte im Nachgang zum Rücktritt von Bundesrätin Elisabeth Kopp die Fichenaffäre. Der Staatsschutz hatte rund 900'000 Personen bespitzelt, darunter viele, die einzig wegen ihrer linken Gesinnung ins Visier gerieten.

Diffuses Klima der Bedrohung

Vor bald zwei Jahren sorgten die Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden für ein mittleres Erdbeben. Er konnte belegen, dass die National Security Agency (NSA) und mit ihr verbündete Nachrichtendienste ein gigantisches Spionageprogramm aufgezogen haben, vor dem nichts und niemand sicher sein kann. Und erst letzte Woche deckte die «Nordwestschweiz» auf, dass eine Firma in Bülach (ZH) ausländische Agenten ausbildet und möglicherweise Telefongespräche von Schweizern abhört, was illegal wäre.

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Es gehört zum Wesen der «Schlapphüte», dass sie gerne an die gesetzlichen Grenzen und darüber hinaus gehen. Die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat ist ihnen mit dem neuen NDG weit entgegen gekommen. Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) darf Telefone anzapfen, Räume verwanzen, in Computer eindringen. Und er erhält die Möglichkeit zur Kabelaufklärung, womit er die Internet-Kommunikation überwachen kann.

Deshalb bleibt Rotgrün wohl einzig die Option, auf eine möglichst strenge Kontrolle des NDB hinzuarbeiten.

Dies entspricht dem Zeitgeist. Die Weltlage ist verworren, es herrscht ein diffuses Klima der Bedrohung. Die Anschläge in Paris und Kopenhagen haben uns vor Augen geführt, dass der islamistische Terror überall und jederzeit zuschlagen kann. Im Osten lässt Russlands Präsident Wladimir Putin die Muskeln spielen, er kokettiert sogar mit dem Einsatz von Atomwaffen.

Typisch linke Illusion

Dadurch wächst das Bedürfnis nach Sicherheit. Und darum ist auch das von Linken und Grünen angedrohte Referendum gegen das NDG aussichtslos, obwohl die SP in einer Mitteilung behauptet, es habe «grosse Chancen». Es handelt sich um eine typisch linke Illusion. Sie ignoriert die Bereitschaft vieler Menschen, die Freiheit der Sicherheit unterzuordnen.

Deshalb dürfte der Ständerat sich dem Nationalrat anschliessen. Und deshalb bleibt Rotgrün wohl einzig die Option, auf eine möglichst strenge Kontrolle des NDB hinzuarbeiten. Im vollen Wissen darum, dass sich diese Schattenwelt nur bedingt ausleuchten lässt. Und ein latentes Unbehagen zurückbleibt. Mit «Ich habe nichts zu verbergen und darum auch nichts zu befürchten» allein ist man nicht auf der sicheren Seite.

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15 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Gantii
17.03.2015 16:35registriert Februar 2015
Liegt wohl am Volk. Werde als Schweizer Bürger solch ein Gesetz nie akzeptieren. Auch wenn es die Mehrheit befürworet, verstösst dieser Artikel DIREKT UND EXPLIZIT gegen die Verfassung.
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Motztüte
17.03.2015 21:22registriert Februar 2015
Dieses Gesetz ist in seiner Anlage zutiefst antidemokratisch und eher einer DDR angemessen denn der Schweiz. Damit zeigen die PolitikerInnen, in welche Richtung sie gehen wollen.
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Bruno Sigrist
17.03.2015 19:46registriert November 2014
Wie vereinbaren bürgerliche Liberale die Zustimmung zu der Kompetenzerweiterung? Ist hier die Grenze zu "so wenig(/viel) Staat wie nötig"?
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