Schweiz
Schule - Bildung

Nach Mobbing-Fall: Unis wollen Macht von Professoren einschränken

Das Hauptgebaeude der ETH Zuerich, aufgenommen am Freitag, 25. April 2014. (KEYSTONE/Walter Bieri )
Die ETH Zürich untersucht den Fall der mobbenden Professorin.Bild: KEYSTONE

Nach Mobbing-Fall: Unis wollen Macht von Professoren einschränken

Der Mobbing-Fall an der ETH macht bereits international Schlagzeilen. Schweizer Universitäten setzen derweil auf mehrere Betreuer, damit Professoren nicht zu viel Macht erhalten. 
26.10.2017, 05:1826.10.2017, 06:07
yannick nock / Aargauer Zeitung
Mehr «Schweiz»

Die ETH Zürich reagiert auf die anhaltende Kritik und leitet eine Untersuchung gegen eine Professorin des inzwischen aufgelösten Instituts für Astronomie ein. Die ETH-Leitung beauftragt in den nächsten Tagen eine externe Fachperson mit der Durchführung der Administrativuntersuchung. Am Wochenende wurde bekannt, dass eine Professorin am Institut für Astronomie über zehn Jahre lang ihre Doktoranden schikaniert haben soll. Sie habe Frauen als schwache Wesen bezeichnet und aufgefordert, weniger Zeit für Make-up und mehr für die Forschung aufzuwenden.

Grund zum Mobbing fand die Professorin offenbar immer: «Schon eine vermeintlich falsche Körperhaltung ihr gegenüber konnte zu langen Diskussionen führen», sagte eine ehemalige Postdoktorandin zur «NZZ am Sonntag». Wie die Zeitung berichtet, brachen Frauen wie Männer in ihrem Büro in Tränen aus, mindestens eine Person habe psychologische Hilfe in Anspruch genommen. Erst als sich eine junge Doktorandin gegen die Praktiken der Professorin auflehnte und sich bei der Leitung beschwerte, reagierte die ETH: Die Schulleitung schickte die Professorin und ihren Ehemann, mit dem sie das Institut leitete, für sechs Monate in einen Sonderurlaub und löste das Institut auf. Dass die renommierte Hochschule erst dann einschritt, sorgt seit Tagen für Kritik in den Medien. Von «Schreckensherrschaft» und «Machtmissbrauch an der ETH» war die Rede.

Kleine Könige, grosse Macht

Der Fall sorgte über die Landesgrenzen hinaus für Aufsehen. Auch die «Süddeutsche Zeitung» berichtete über die «Elite-Professorin, die Doktoranden demütigt». Doch damit nicht genug. Wir fanden gestern weitere junge Wissenschafter, die an der ETH schikaniert wurden: «Professoren sind kleine Könige in ihrem Königreich», beklagte sich eine ehemalige Doktorandin. «Kontrollmechanismen seitens der ETH-Leitung gibt es quasi kaum.»

Lino Guzzella, Präsident der ETH Zürich, verteidigt das Vorgehen. «Innert kürzester Frist wurden die betroffenen Doktorierenden bereits im März einer anderen Betreuungsperson zugeteilt», heisst es in einer Mitteilung der Hochschule. «Die Vorwürfe stehen in klarem Widerspruch zu dem, was wir von unseren Professoren und Professorinnen erwarten, deshalb haben wir schnell gehandelt», sagt Guzzella. Sollte die Professorin in Zukunft wieder Doktoranden betreuen, werde sie eng begleitet. Die ETH räumt ein, dass es rückblickend ungünstig war, ein Professoren-Ehepaar im gleichen Institut anzustellen. Heute wäre eine solche Konstellation nicht mehr möglich, heisst es in der Mitteilung. Der Fall hat eine Debatte über den Umgang mit Doktoranden an den Hochschulen und die Macht der Professoren ausgelöst. Gerade in exotischen Fächern haben angehende Wissenschafter kaum Ausweichmöglichkeiten. Die Universität Zürich will deshalb eine neue Anlaufstelle für Konfliktfälle gründen, die von einer unabhängigen Fachperson geführt wird. Sie soll zusätzlich zum Ombudsmann entstehen.

Das sind die besten Universitäten der Welt

1 / 22
Das sind die besten Universitäten der Welt
Das Magazin Times Higher Education ermittelt jedes Jahr die besten Universitäten weltweit. In der aktuellen Ausgabe (2021) zum sechsten Mal auf Platz 1: Universität Oxford (UK).
quelle: wikicommons / peter trimming
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Jetzt auf

Unis setzen auf mehrere Betreuer

Die Universität treibt zudem eine weitere Massnahme voran, um die Macht der einzelnen Professoren einzudämmen. Die Doktoranden sollen künftig von mehreren Professoren begleitet werden. «Im angelsächsischen Raum sind drei bis vier Betreuer die Regel», sagt Michael Hengartner, Rektor der Universität Zürich, der an der US-EliteHochschule MIT promovierte und jahrelang in den USA forschte. «Als ich nach Zürich kam, war ich überrascht, dass sich die Doktoranden nur an einen Professor wenden können.»

«Ich war überrascht, dass sich Doktoranden in Zürich nur an einen Professor wenden konnten.»
Michael Hengartner
Michael Hengartner, Rektor der Universitaet Zuerich, spricht an der Jahresmedienkonferenz der Universitaet Zueich USZ, am Freitag, 25. April 2014, in Zuerich. (KEYSTONE/Walter Bieri)
Bild: KEYSTONE

Was an einigen Instituten bereits umgesetzt wird, soll nun flächendeckend eingeführt werden. Hengartner, der auch als Präsident der Rektorenkonferenz amtet, empfiehlt allen Hochschulen, das Mehr-Betreuer-System einzuführen. Die Universität Bern hegt ähnliche Pläne: «Wir streben eine flächendeckende doppelte Betreuung an», heisst es vonseiten der Medienstelle. Andere Hochschulen dürften diese Art der Doktorats-Betreuung forcieren. Wie es im Fall der Professorin an der ETH weitergeht, ist offen. Weitere Massnahmen könnten vorgeschlagen werden, heisst es in der Mitteilung. Bis zum Abschluss der Untersuchung will sich die ETH allerdings nicht mehr zur Professorin äussern.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
2 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
2
Mit diesen 8 Tipps werden Ostern für dich bestimmt nicht langweilig
Das verlängerte Osterwochenende steht vor der Tür. Damit dir während den freien Tagen nicht langweilig wird, haben wir hier acht sehr empfehlenswerte Ausflüge rund um die Ostertage zusammengestellt. Und ja: Es hat auch Schlechtwetter-Varianten.

Eine 20-Rappen-Münze so auf ein gekochtes Ei werfen, dass diese stecken bleibt? Ja, das geht. Wer's nicht glaubt, kann am Ostermontag unter den Bögen am Limmatquai oder auf dem Rüdenplatz diesen Zürcher Brauch bewundern oder selbst mitmachen.

Zur Story